Sie sind hier

Abo

Regierungswahlen

Wer holt sich Beatrice Simons Sitz?

In der nächsten Legislatur wird es mindestens einen Wechsel in der Kantonsregierung geben. Die Linken setzen zudem auf einen Angriff im Berner Jura.

Bei den Regierungsratswahlen 2018 marscSchierten sie gemeinsam - und siegten: (v.l.n.r.) Pierre Alain Schnegg, Beatrice Simon, Christoph Neuhaus, und Philippe Müller. Nun wird Simons Platz frei. Bild: Raphael Moser

Sandra Rutschi

Kaum hat das Wahlkarussell in der Stadt Bern aufgehört zu drehen, nimmt dasjenige im Kanton Bern langsam Fahrt auf. Im März 2022 werden das Parlament und die Regierung neu gewählt. Zurzeit laufen in und zwischen den Parteien Gespräche darüber, wer kandidieren und wer zusammenspannen will.

Denn bereits seit Längerem ist klar, dass es in der Regierung mindestens einen Wechsel geben wird: Finanzdirektorin Beatrice Simon (BDP) hat angekündigt, dass sie nicht für eine vierte Legislatur antreten wird. Ausserdem wollen die Linken den Jurasitz von Pierre Alain Schnegg (SVP) angreifen.

Bei Schnegg, Christine Häsler (Grüne), Philippe Müller (FDP), Evi Allemann und Christoph Ammann (beide SP) ist davon auszugehen, dass sie es nochmals wissen wollen. Allemann, Häsler und Müller befinden sich zurzeit in ihrer ersten Legislatur, und auch Schnegg und Ammann sind erst seit 2016 im Amt.

Auch der dienstälteste Regierungsrat, Bau- und Verkehrsdirektor Christoph Neuhaus (SVP), möchte nochmals kandidieren. «Ich habe grosse Lust dazu, will das aber zuerst mit der Partei besprechen», sagt der 54-Jährige. Denn Neuhaus ist seit April 2008 in der Regierung. Bei anderen Ämtern innerhalb der kantonalen SVP würde da die Amtszeitbeschränkung gelten. Doch bei Regierungsräten ist dem nicht so.

 

«Die Mitte» gibt der Mitte einen Korb

Beatrice Simons Partei, die in den letzten Jahren stetig an Gewicht verloren hat, will den frei werdenden Sitz unbedingt halten. Allerdings wird sie dann nicht mehr «BDP», sondern «Die Mitte» heissen. Das ist die neue Partei, die nächstes Jahr aus der Fusion von BDP (8 Prozent Wähleranteil bei den letzten nationalen Wahlen) und CVP (1,9 Prozent Wähleranteil) hervorgehen soll.

Die beiden Parteipräsidien von BDP und CVP haben bereits deutlich gemacht, wie sie diesen Sitz verteidigen wollen: indem sie wie bereits zuvor mit der SVP und der FDP ein gemeinsames bürgerliches Ticket stellen. «Es wird ein linkes und ein bürgerliches Ticket geben, das die Regierungssitze unter sich aufteilt. Wenn man im Kanton Bern einen Regierungssitz machen will, gehört man zum einen oder zum anderen Lager», sagte BDP-Präsident Jan Gnägi im Doppelinterview mit dieser Zeitung. Und erteilte damit den anderen Mitteparteien, der GLP und der EVP, bereits einen Korb für ein allfälliges Mitte-Ticket.

«Das hat mich schon irritiert», sagt EVP-Parteipräsidentin Christine Schnegg. «Eine dritte, gebündelte und dadurch starke Kraft in der Mitte würde diesem Kanton guttun.» Auch GLP-Präsident Casimir von Arx fände es logischer, wenn die Mitteparteien nicht nur bei den Parlaments-, sondern auch bei den Regierungswahlen zusammenspannen würden.

«In der Tat ist es für die Mitte aber nicht so einfach, einen Regierungssitz zu holen, wie man angesichts ihres Wähleranteils meinen könnte», sagt er. Das liege an der Berner Wahlpraxis: Eigentlich ist es eine Majorzwahl. Gewählt würden durch die Verbindungen zu Tickets aber Blöcke. «Da wäre eine Proporzwahl eigentlich ehrlicher», findet von Arx.

 

Eine mögliche Chance
für Reto Nause

Sowohl Schnegg als auch von Arx betonen, dass mit der neuen Mittepartei Gespräche laufen. Sie hoffen trotz Gnägis klarer Ansage noch immer auf ein Ticket, auf dem je eine Kandidatur von GLP, EVP und der «Mitte» wären. Kommt dieses nicht zustande, würden wohl GLP und EVP zusammenspannen. Beide Parteien wollen je eine Kandidatur stellen. Am aussichtsreichsten dürfte eine solche sein, wenn GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy (41) antritt. Sie könnte vom Aufschwung ihrer Partei profitieren – und davon, dass sie eine Frau ist.

Bei «Die Mitte» erweitert sich mit der Fusion das Feld der möglichen Kandidierenden vor allem um einen Namen: Reto Nause. Der kürzlich wiedergewählte CVP-Gemeinderat hat sich als Sicherheitsdirektor über die Stadt Bern hinaus einen Namen gemacht. Er gilt als der letzte bürgerliche Mohikaner in der rot-grünen Stadtregierung und war bei den Wahlen der unbestrittene Panaschierkönig.

Nause wird nächstes Jahr 50, wird aber in der Stadt Bern nicht für eine weitere Legislatur antreten dürfen. Als CVP-Mann hätte er auf der Kantonsebene keine Chance, in ein Amt gewählt zu werden. Mit der neuen Mittepartei im Rücken hingegen schon.

 

Mögliche Kandidaten
zogen sich zurück

Aus den Reihen der BDP hingegen haben sich einige mögliche Kandidierende kürzlich aus der kantonalen Politik verabschiedet. Dazu gehört der langjährige Emmentaler Grossrat Samuel Leuenberger (46), der zurücktrat. Er hatte 2007 Interesse am Amt, als er noch für die SVP politisierte. Beim parteiinternen Ausmarchen unterlag er jedoch knapp Christoph Neuhaus.

Der Stettler Nationalrat und Gemeindepräsident Lorenz Hess wäre wohl ein aussichtsreicher Kandidat. Doch er äusserte sich in der Vergangenheit eher zurückhaltend zu einem möglichen Regierungsamt und wird 2022 bereits über 60 sein.

Bleibt der Blick in den Grossen Rat. Dort bringen Francesco Rappa (54), Anita Herren (54) sowie Fraktionschef Peter Gerber (54) Exekutiverfahrung mit. Parteipräsident Jan Gnägi ist zwar noch keine 30, blickt aber auf eine 10-jährige Parlamentserfahrung zurück.

 

Bürgerlicher Schulterschluss bleibt bestehen

Während GLP und EVP noch immer auf einen Deal mit der neuen Mittepartei hoffen, ist für FDP und SVP die Sache bereits so gut wie gegessen. «Das Ticket der Bürgerlichen und der «Mitte» war in den letzten Jahren erfolgreich. Es gibt keinen Grund, etwas daran zu ändern», sagt FDP-Präsident Stephan Lack.

Auch für SVP-Präsident Werner Salzmann hat sich die Zusammenarbeit mit FDP, BDP und EDU bewährt. «Wir werden natürlich beobachten, in welche Richtung sich die neue Mittepartei und auch die FDP bewegen. Aber oberstes Ziel muss es sein, die bürgerliche Mehrheit in der Regierung zu halten», sagt er.

Die Formel zwei SVP-, ein FDP- und ein «Mitte»-Sitz habe sich grundsätzlich bewährt. «Es gibt sicher Stimmen in unserer Partei, die einen dritten Sitz möchten – aber das hat in der Vergangenheit nicht funktioniert, und angesichts der aktuellen Mehrheiten ist es nicht der Moment für weitere Experimente», sagt er. Die SVP hat in den letzten Jahren Wählerstimmen eingebüsst. Kommt hinzu: «Wenn wir drei Sitze möchten, müssten wir diese wohl im Alleingang zu erobern versuchen. Das wird umso schwieriger.»

Der frei werdende Sitz dürfte also innerhalb des bürgerlichen Lagers vergeben werden. Denn bereits heute ist klar, dass die Linken den Jurasitz von SVP-Mann Pierre Alain Schnegg angreifen – und nicht den frei werdenden in der Deutschschweiz. «Wenn wir eine Mehrheit in der Regierung erreichen wollen, schaffen wir das eher über den Jurasitz», sagt SP-Co-Parteipräsidentin Mirjam Veglio. Zuletzt holte Rot-Grün diese Mehrheit im bürgerlich geprägten Kanton Bern 2006 aufgrund eines wahltaktischen Fehlers der Bürgerlichen, die zu viele Kandidaten stellten und dafür abgestraft wurden.

 

Interessenten für
den Jurasitz

Zwei Personen haben bereits Interesse bekundet, den Jurasitz für die Linken zurückerobern zu wollen: SP-Grossrat Hervé Gullotti und Grünen-Grossrätin Moussia von Wattenwyl, beide aus Tramelan. Die Linken werden sich wohl auf eine Kandidatur einigen.

Hervé Gullotti wird im Wahljahr als Grossratspräsident der oberste Berner sein – was für seine Kandidatur wegen der Bekanntheit ein Vorteil sein könnte. Meistens ernten für die Regierung kandidierende Grossratspräsidenten aber auch den Vorwurf, ihr Amt als Plattform missbrauchen zu wollen.

«Es ist ein Vorteil, dass die Grünen in der Jurafrage nicht Stellung bezogen haben», gibt Grünen-Präsidentin Natalie Imboden auf Anfrage zu bedenken. Die SP hingegen ist im Berner Jura gespalten: Eine Sektion gehört der SP Kanton Bern, eine andere – der Parti Socialiste Autonome (PSA) – der SP Kanton Jura an. «Mit Moussia von Wattenwyl setzen wir auf eine vereinende Kraft, auf eine Frau und auf Klimapolitik – ein Thema, das stark interessiert», sagt Imboden.

 

Letztes Mal hatte Schnegg eine komfortable Mehrheit

Beim garantierten Sitz des bernjurassischen Regierungsrats haben die Stimmen aus dem Berner Jura mehr Gewicht als jene aus dem deutschsprachigen Kantonsteil.

Bei den letzten Wahlen erreichte Amtsinhaber Schnegg gegenüber seinen Herausforderern Christophe Gagnebin (SP) und Maurane Riesen (PSA) in beiden Kantonsteilen eine komfortable Mehrheit.

Nachrichten zu Kanton Bern »