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Aus dem Grossen Rat

Wie bilingue der Kanton wirklich ist

Als gewählte französischsprachige SP-Frau habe ich oft das Gefühl, als Volksvertreterin dreifach in der Minderheit zu politisieren. Als Frau stimmt das nicht: Der statistische Anteil von Frauen im Kanton Bern liegt bei 50,9 Prozent.

Bild: Samantha Dunning

Samantha Dunning
, Grossrätin SP

Aber als linke Grossrätin politisiere ich im 
Kanton Bern aus einer Minderheitenposition, stets auf der Suche nach dem Kompromiss in der Tradition der konsensorientierten Streitkultur. Im Gegensatz zum Parlamentarismus in den USA wo die Suche nach der Mehrheit nicht mehr der Einbezug, sondern der Ausschluss der Minderheit bedeutet. Hoffen wir, dass die Politkultur in unserem Lande auf allen politischen Ebenen über mehr Sensibilität und Weisheit verfügt.

Bleibt das wenig thematisierte Problem der französischsprachigen Minderheit im Kanton. Durch die Verfassung geschützt, von einem umfangreichen Regelwerk im politischen Betrieb begleitet, verändert sich an der parlamentarischen Sprachkultur nichts.

Beispiele gefällig?

1. Auch ohne Lärmmessungen im Grossratsaal geht jede Rede auf Französisch mit einer eindeutigen Zunahme des Saalgeplauders einher und die Aufmerksamkeit sinkt bei vielen gegen Null.

2. Obwohl im Rat eine Simultanübersetzung vorhanden ist, wird diese nur von wenigen benützt.

3. In den Debatten – zu 90 Prozent auf Deutsch geführt – werden die technischen Begriffe meist nur auf Deutsch gebraucht, da die französischen Termini für fast alle Vertreterinnen und Vertreter im Saal unverständlich sind. Kennen Sie die französischen Bezeichnungen für KFSG oder SStG? Dadurch sind die Teilnahme an Debatten und spontanen Wortmeldungen erschwert. Viele Begriffe werden in beiden Sprachen kulturell verschieden interpretiert. Warum wird aus dem «Gesundheitsgesetz» das «Loi sur la santé publique»? Sind das nicht zwei grundlegend verschiedene politische Konzeptionen, wie wir sie alle zurzeit (hoffentlich nicht) am eigenen Leib erfahren?

4. Die Arbeit in den Kommissionen kompliziert sich auch dadurch, dass die Dokumentationen bei den meisten Geschäften nur auf Deutsch vorliegen, was den Mangel an welschen Kadern in der Verwaltung widerspiegelt.

Dank der Politik bin ich bilingue, sowie sprachlich und kulturell sensibilisiert. Der Kanton Bern ist ein zweisprachiger Kanton. Ob er auch ein Kanton mit zwei gleichberechtigten Kulturen ist? Darüber lässt sich noch lange streiten. Sicher aber ist, dass es für eine Akzeptanz Bereitschaft und Wille braucht.

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