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Energiepreise

Wie heute im Strommarkt bis zu 100 Millionen Franken verpuffen

Die Schweizer Strompreise könnten bald massiv sinken: Der Bund will den heimischen Markt ans benachbarte Ausland koppeln. So locken Effizienzgewinne von bis zu 100 Millionen Franken. Dafür kommt sogar eine neue Strombörse nach Bern.

Die Bildschirme einer Strombörse: Solche Büros will die European Power Exchange bald in Bern öffnen. Bild: imago

Dominik Balmer

In Bern macht Anfang 2014 ein neuer Gigant seine Türen auf. Die europäische Strombörse European Power Exchange (Epex) Spot gründet hier einen Ableger. An der deutsch-französischen Börse mit Sitz in Paris wurden im letzten Jahr mehr als 300 Terawattstunden Strom gehandelt. Das ist hundertmal mehr als die Jahresproduktion des Atomkraftwerks Mühleberg.

Schweizer Strompreise sinken wohl auf tieferes Niveau
Der Epex-Ableger stellt den Schweizer Strommarkt auf den Kopf. Denn mit der neuen Börse kann das Market Coupling eingeführt werden. Das heisst, dass der Schweizer, der deutsch-österreichische, der französische sowie später der italienische Strommarkt näher zusammenrücken – also gekoppelt werden. Damit dürften sich die Strompreise in der Schweiz dem Niveau der umliegenden Länder anpassen. «Wir rechnen dank dem Market Coupling mit tendenziell sinkenden Preisen», sagt Michael Bhend, Leiter Sektion Netze und Europa bei der Eidgenössischen Elektrizitätskommission (Elcom). Die Behörde geht von gegenseitigen Effizienzgewinnen im Bereich eines zweistelligen Millionenbetrags aus. Bhend hält aber fest, dass Schätzungen schwierig seien. Aus seiner Aussage lässt sich ableiten, dass das Coupling maximal bis zu 100 Millionen Franken Effizienzgewinne bringen könnte.

Dass es im grenzüberschreitenden Handel um viel Geld geht, zeigt auch der Saldo aus dem Stromaussenhandel der Schweiz: Im Jahr 2012 betrug dieser 771 Millionen Franken.

Heute ist es für inländische Energiekonzerne umständlich, im europäischen Ausland Strom zu erwerben. Wollen Unternehmen wie die BKW oder Axpo etwa an der deutschen Strombörse Energie kaufen, zahlen sie den Preis, wie er notiert ist. Zusätzlich berappen sie auch noch den Transport des Stroms über die Grenze. Dazu müssen sie Rechte kaufen, die in der Regel an separaten Auktionen vergeben werden. Das ist mit Risiken verbunden: So kann es unter Umständen sein, dass das von einem Schweizer Stromhändler vorab erworbene Transportrecht viel weniger wert ist, als er ursprünglich kalkuliert hatte, weil zum Zeitpunkt der Lieferung die Netze doch weniger ausgelastet sind.

Monopolkommission begrüsst Market Coupling
Das Market Coupling garantiert nun, dass beim Handel über die Landesgrenzen hinweg der Strom und die Transportrechte gleichzeitig gekauft werden können. Damit entfällt ein grosses Risiko für die Händler.

Dass damit der gesamte Markt effizienter wird, scheint unbestritten. Die Monopolkommission zumindest, ein Beratergremium der deutschen Bundesregierung, erwähnt in einer aktuellen Studie die «enorme Wirkung» des Market Coupling. Und eine Studie im Auftrag der Europäischen Kommission nennt sogar einen jährlichen Effizienzgewinn von 4 Milliarden Euro, sollte das Modell dereinst in der EU flächendeckend gelten.

Mit dem Coupling würde der Schweizer Markt direkt beeinflusst. Der Grund: Die Märkte in Deutschland und Frankreich sind liquider, es ist also mehr Strom vorhanden als hierzulande. Damit ist aber auch die Preisbildung zuverlässiger. Mit der Kopplung wird die Schweiz Teil dieses grossen Markts. Davon profitieren dürften in erster Linie Grosskunden. Ob auch die Strompreise für Privatkunden sinken, ist offen.

Neuer Markt für ausländische Grosskonzerne
Die Marktkopplung dürfte allerdings auch die Konkurrenz im Inland verschärfen. Bekanntlich können Grossverbraucher, die mehr als 100 000 Kilowattstunden Strom im Jahr beziehen, ihre Lieferanten heute frei wählen. Zurzeit ist es für Schweizer Grosskunden schwierig, ihren Strom im Ausland zu kaufen. Das Coupling wird dies einfacher machen. Dies führt letztlich aber auch dazu, dass nicht mehr nur einheimische Konzerne wie die BKW und Axpo um Kunden buhlen, sondern künftig auch deutsche und französische Schwergewichte wie EON und EDF.

Laut der Elcom soll die Marktkopplung bereits im nächsten Jahr möglich sein – zuerst gegenüber Deutschland und Frankreich. Später kommt Italien dazu. Eine Vereinbarung zwischen der Börse Epex Spot und der nationalen Netzgesellschaft Swissgrid hat die Elcom bereits genehmigt. Die Vereinbarung gilt für den Day-Ahead-Markt. Auf dieser Plattform wird der Strom gehandelt, der am Folgetag geliefert wird. Laut Netzspezialist Bhend ist der Aufbau des Market Coupling technisch problemlos umsetzbar. «Das Know-how ist vorhanden.» Inwieweit politische Überlegungen die Einführung des Market Coupling beeinflussten, werde sich weisen.

Offen ist auch, wie die neue Börse in Bern ausgestaltet und wo sie domiziliert wird. Wolfram Vogel, Sprecher von Epex Spot, will sich zu Details erst Anfang 2014 äussern.

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