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Jubiläum

Wie James Bond vor 50 Jahren Mürren eroberte

Vor 50 Jahren brach in Mürren das Filmfieber aus. Die Dreharbeiten zu «Im Geheimdienst Ihrer Majestät» wurden in Angriff genommen. Das Schilthorn wurde dabei zum Schurkensitz.

Angriff auf den Piz Gloria: Die Dreharbeiten auf dem Schilthorn mit George Lazenby als James Bond (rechts) sorgten für viel Action. Bild: Archiv
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Fritz Lehmann

Maschinengewehrfeuer, Granaten und Helikopter: George Lazenby als James Bond stürmt den Piz Gloria und rettet die Welt. In einem furiosen Finale endet der sechste Bond-Streifen, der so anders war als alle bisherigen Filme. Nicht nur, dass mit dem unbekannten australischen Darsteller Lazenby ein neuer Bond die Weltbühne betrat. Erstmals ehelichte der Frauenheld eines seiner Girls – Darstellerin war Diana Rigg – und verlor sie am Ende des Films dennoch auf tragische Weise. Noch heute gilt der Film bei Bond-Fans als einer der besten.


Nachträgliche Bewilligung
Sicher ist auch: In keinem Bond-Film steckt mehr Schweiz als in diesem Streifen. Grund dafür war die Location in der Gemeinde Lauterbrunnen. Auf dem Schilthorn bezog Bösewicht Ernst Stavro Blofeld seinen Sitz, der Piz Gloria war geboren. Das schlug sich auch in der Modernisierung nieder: Die Filmproduzenten Harry Saltzman und Albert R. Broccoli bezahlten den Ausbau des Gipfelgebäudes inklusive Restaurant und Helikopterlandeplatz. Initiant war der Verwaltungsratspräsident der Schilthornbahn Ernst Feuz, er stellte den Gipfeldrehort zur Verfügung. Der Film machte vieles möglich, so lag die schriftliche Bewilligung für die markanten Umbauten auf dem 2873 Meter hohen Schilthorngipfel erst nach dem Dreh vor.

«We Have All the Time in the World», «Wir haben alle Zeit der Welt», sang Louis Armstrong im Titelsong zum 007-Film «On Her Majesty’s Secret Service». Viel Zeit ist seither vergangen, nämlich 50 Jahre, denn am 21. Oktober 1968 begann der erste Drehtag. Gedreht wurde übrigens nicht nur im Lauterbrunnental, sondern auch in Portugal und in London.


Ungewollte Filmkinder
Mürren war damals nicht etwa rückständig, bereits Ende des 19. Jahrhunderts hatte die Entwicklung zum Kurort begonnen. Das Bond-Team traf also auf eine Dienstleistungsindustrie, die gegen entsprechende Bezahlung bereit war, bei den Dreharbeiten mitzuhelfen und die Versorgung der 120-köpfigen Filmcrew sicherzustellen.

Um Blessuren aller Art kümmerte sich Rolf Heimlinger, er war als Set-Arzt engagiert. Die Beschwerden der Filmleute hätten sich in Grenzen gehalten. «In der Mehrzahl hatte ich Erkältungsleiden und Grippeerkrankungen zu kurieren. Harmlose Dinge, kaum Unfälle.»

Mit der Filmcrew kam aber noch etwas anderes ins Tal: Der Arzt musste die ersten Fälle von Tripper behandeln. Heute ist eine Therapie der Geschlechtskrankheit einfach zu machen. Damals aber sei das ein echtes Problem gewesen. «Das Phänomen der Durchmischung», sagt der Arzt. Einheimische und Filmcrew kamen sich offenbar sehr nah. Aus diesen Bekanntschaften resultierten auch sogenannte Filmkinder. Zwei solche unehelichen Geburten seien ihm bekannt, erklärt der Arzt. Das Lauterbrunnental wurde zur überdimensionierten Studiohalle von Regisseur Peter Hunt. Helikopter waren das Fortbewegungsmittel der Stunde, die Nächte wurden länger, die Polizeistunde fiel oft aus. Der Alkohol «war ein bisschen ein Problem», erinnerte sich der Stechelberger Draufgänger Ruedi von Allmen später. Er hatte den legendären «Tannensprung» in der Verfolgungsjagd auf Skiern riskiert. Getrunken wurde nicht nur Glühwein, sondern auch Schnaps und Whisky – auch während der Dreharbeiten. Und das Beste daran: Der Alkohol war völlig kostenlos, die Produktionsfirma bezahlte. In von Allmens Erinnerung waren die Skiasse oft «ziemlich angeheitert» den Berg hinuntergefahren. Er folgerte: «Vielleicht sieht es im Film deshalb so gut aus.» Die Zerstörung des Piz Gloriaam Ende des Films übrigens war eine Studioaufnahme, zerstört wurde nur ein Modell.

Dem damals 29-Jährigen Lazenby fehlte vielleicht die Popularität seines Vorgängers Sean Connery. Den Bond-Girls allerdings gefiel der Beau aus Down Under. Die Medien dagegen liessen mitunter kein gutes Haar am Bond-Darsteller, doch es gab auch gute Reaktionen. Die internationale Presse lüftete auch das Geheimnis, was Bond unter seinem Schottenrock trug: einen simplen weissen Slip.


Spezielle Verfolgungsjagd
Während seiner Zeit in Mürren residierte Lazenby im Palace, dem einzigen Viersternhaus am Platz, das heute geschlossen ist und immer noch auf einen Käufer wartet. Der Bond-Darsteller residierte im Zimmer 101. Dieses befindet sich neben dem Treppenhaus im ersten Stock. Nicht ohne Grund: Im Fall einer Feuersbrunst hätte Lazenby als wichtigstes Mitglied der Filmcrew den kürzesten Fluchtweg gehabt.

Bei einem Interview am Set in Mürren sagte George Lazenby: «Ja, sagen wir, ich habe den Charakter studiert und verstehe ihn so gut, wie ich ihn jemals verstehen werde.» Die Verfolgungsjagd auf Skiern fand Lazenby speziell und bezeichnete sie als «fantastisch, unglaublich». Er bewunderte die Stuntmen und den Kameramann, der rückwärtsfahren konnte. Das Schilthorn bezeichnet er als «zauberhaft» und «atemberaubend». Aber er fügte auch hinzu: «Ich habe nie zuvor so hart gearbeitet.»

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