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«Wir geben der SRG eine letzte Chance»

Heute entscheidet der Ständerat darüber, ob die SRG ihre Standorte zentralisieren und das Berner Radiostudio nach Zürich zügeln darf. Bereits gestern machten Berner und Genfer Regierungsvertreter klar: Den Zügelentscheid wird die SRG noch bereuen.

Sprachen Klartext (v.l): Serge Dal Busco (CVP, Genf), Beat Vonlanthen (CVP, Freiburg) und Christoph Amman (SP, Bern). Bild: Franziska Rothenbühler

Benjamin Bitoun

Vielleicht war es der plötzlichen Sommerhitze geschuldet – die Worte, welche die Regierungsvertreter der Kantone Bern und Genf gestern an die Adresse der SRG-Spitze richteten, waren an Feuer und Deutlichkeit jedenfalls nicht zu übertreffen. «Zurück auf Feld 1. Wir erwarten von der SRG eine Rücknahme der Standortentscheide», fasst der Berner Regierungspräsident Christoph Ammann (SP) die Anliegen der Kantone Bern und Genf zusammen. Dies sei die wohl letzte Chance für die SRG, den Dialog zu suchen, sagt Ammann. Der Vizepräsident des Genfer Staatsrats Serge Dal Busco (CVP) und der Freiburger CVP-Ständerat Beat Vonlanthen nicken in grimmiger Zustimmung. «Die Genfer Regierung hat das Vertrauen in die SRG-Spitze verloren», fügt Serge Dal Busco hinzu.

Grund für die klaren Töne ist der Entscheid der SRG, einen Grossteil der Deutschschweizer SRF-Redaktionen von Bern nach Zürich zu verlagern. In der Westschweiz soll das Fernsehen grösstenteils von Genf nach Lausanne verlegt werden. Laut der SRG senkt die Zentralisierung die Kosten und ist der sich verändernden Medienlandschaft geschuldet.

Das sehen die Gegner des Entscheids anders: Zum einen habe die SRG nie auf Anfragen aus Bern und Genf reagiert und sich die Mühe gemacht, das effektive Sparpotenzial der Umzüge aufzuzeigen, so die Regierungsvertreter gestern. Zum anderen verliere die SRG mit der dezentralen Produktion einen Teil ihrer Daseinsberechtigung, sagt Vonlanthen. «Im Abstimmungskampf gegen die No-Billag-Initiative sang die SRG-Führung ein Hohelied auf die regionale Verankerung als Gegengewicht zur Konzentration der privaten Medienhäuser in Zürich. Nun trägt sie die bewährte Idée Suisse zu Grabe», so der Freiburger Ständerat.

Hauptvorwurf: Arroganz
Mit einem politischen Vorstoss fordert Vonlanthen, dass das Parlament eingreift und die Zügel-entscheide des SRG-Verwaltungsrats blockiert. Die Initiative kommt heute im Ständerat zur Abstimmung. In der kleinen Kammer hofft er auf eine politische Grundsatzdebatte über die Konzentrationsstrategie der SRG. Denn eine solche habe die SRG-Führung in einer Mischung aus Sturheit, Kompromisslosigkeit und Arroganz verweigert. «Neben mir haben vier Parteipräsidenten und ein -Vizepräsident im Nationalrat gleichnamige Initiativen eingereicht», sagt Beat Vonlanthen. Trotzdem habe SRG-Generaldirektor Gilles Marchand sie als Geplänkel von Lokalpolitikern dargestellt und angekündigt, diese einfach wegzulobbyieren.

In den vorberatenden Kommissionen der beiden Kammern ist der SRG dies gelungen: Dort wurden die Initiativen mit 14 zu 10 und 12 zu einer Stimme abgelehnt – eine Folge des von Marchand angekündigten aggressiven Lobbyings, sagt Vonlanthen. Selbst an der Anhörung in der Kommission habe die SRG-Spitze fast geschlossen teilgenommen und fast anderthalb Stunden Redezeit erhalten. Ihm als Initianten habe man knapp zehn Minuten eingeräumt. Eine anschliessende Diskussion sei vom Kommissionspräsidenten gleich ganz unterbunden worden.

Teuer bezahlter Sieg
Entsprechend niedrig schätzt Vonlanthen die Chancen ein, dass die Initiative heute im Ständerat angenommen wird. Dennoch gibt er sich kämpferisch: «Ein Nein ändert nichts. Auch wenn wir heute keinen Erfolg haben sollten, wir werden den Druck auf die SRG hoch halten, allenfalls mit weiteren Vorstössen.»

Christoph Ammann pflichtet ihm bei. «Eine Ablehnung der Initiativen wird sich für die SRG als Pyrrhussieg herausstellen.» Das massive Lobbying, dazu die gänzliche Verweigerung eines Dialogs: «Die Kantone werden sich an die Art und Weise erinnern, wie die SRG diese Initiativen bekämpft hat», sagt der Berner Regierungspräsident mit drohendem Unterton. Ammann erinnert an die deutliche Ablehnung der No-Billag-Initiative. «Damals haben alle 26 Kantonsregierungen die SRG noch unterstützt. Das könnte sich ändern.» Die SRG-Führung müsse sich die Frage stellen, ob sie es sich wirklich leisten könne, ihre ehemaligen Freunde zu brüskieren. Er präsidiere einen Kanton, der unter ständigem Spardruck stehe, betont Ammann. «Ich kenne manchen Politiker, der eine Gebührenkürzung für die SRG nur allzu gern aufs politische Parkett bringen würde.»

Die Stimmung am Anlass der Kantone im Berner Käfigturm gleicht eher der eines Duells als der einer Medienveranstaltung. Doch während eine Seite unaufhörlich feuert, glänzt der andere Duellant durch Abwesenheit: die SRG. Mehrere Quellen aus den SRG-Redaktionen sagten gegenüber dieser Zeitung, dass ihnen von der Chefredaktion untersagt worden war, in den nationalen Nachrichten über den Anlass zu berichten. Die SRG bestreitet dies. «Es gab und gibt keine entsprechenden Weisungen», schreibt Sprecher Edi Estermann auf Anfrage. Die Redaktionen würden eigenständig entscheiden, ob ein Thema aufgegriffen werde.

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