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Der jodelnde Koch

In den Seeländer Jodlerklubs wird so einiges getan, um Nachwuchs zu finden. Mark Wampfler von den Zytröselern ist einer der Jungen. Er erzählt, wie es dazu kam.

Im «Wydepark» in Studen kocht Mark Wampfler mit tatkräftiger Unterstützung. Bild: Raphael Schaefer
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«Wydenpark sei Dank», sagt der Studener Jodler-Bass Willi Delessert, wenn er an die Anfänge des Projektes «Senevita» denkt. Denn dort ist er dem jungen Küchenchef Mark Wampfler begegnet, schon während der Bauzeit. Dann brauchte es nur wenig, bald stand der ehemalige Lenker Jungjodler im Zytröseli-Mutz wieder in den Reihen. Und heute erklingt seine Stimme auch beim Solo-Part und im zweiten Jutz.

Seine Stimme ist bereits vor bald 30 Jahren dem Simmentaler-Jodlerexperten Ueli Moor kurz nach dem letzten Jodlerfest an der Lenk aufgefallen. Wampflers Mutter Käthi half tatkräftig bei der Gründung der Jungjodler-Gruppe mit. Vater Thomas hatte als Vorjutzer und Präsident des Jodlerklubs von jeher das Brauchtum in die Familie getragen. «In den Proben war Mark ein aufgeweckter ‹Büebel›, sehr zuverlässig, hilfsbereit und mit einer klangvollen Stimme», sagt Moor. Er muss es wissen: Als langjähriger Jodlerlehrer an Musikschulen im Saanenland, Gründerdirigent der Jungjodler und bestandene Kapazität der Naturjodlerszene kennt er sich aus. Und Wampfler gibt die Komplimente gerne zurück: «Ueli war uns ein Vorbild, ein ebenso geselliger wie massvoll fordernder Förderer.»

 

Keine Zeit fürs Jodeln

Es folgte die Lehre in der Gastronomie, zwar zuhause an der Lenk, aber doch mit Abend- und Wochenend-Arbeitszeit. Das Talent ging dem Brauchtum verloren, auch auf der Piste und in der Loipe war er seltener anzutreffen. Verschiedene Saisonstellen als Koch hielten ihn nach erfolgreichem Abschluss während eines Dutzend Jahre von den Vereinen fern. Dafür durchstreifte er die Landschaft auf dem Rennvelo mit teils beachtlichem Erfolg auch bei der Rundfahrt über den Frienisberg.

Vor neun Jahren übernahm Wampfler dann die Leitung der Gastronomie im Wydenpark Studen und wurde im Seeland heimisch. Heute lebt er mit seiner Partnerin Claudia in Schüpfen. Zur Familie gehören auch Sohn Lucien und seit letztem Sommer die kleine Olivia. Und bereits ist der Vierjährige beim Auftritt der «Zytröseler» an der «Redlete im Wydenpark» mit Begeisterung auch in die Reihen der Grossen gestanden. Die Eltern können sich gut vorstellen, ihn schon bald in einem Chinderchörli mitsingen zu lassen.

Seit neun Jahren jodelt auch Vater Mark wieder, zu Beginn motiviert vom damaligen Dirigenten Manuel Arn. Anfänglich als Sänger im ersten Bass hat Wampfler nun auch den Schritt ins Jodelregister gewagt. «Wenn ich am nächsten Samstagabend in der Festwirtschaft die Bluse ausziehe und für den Auftritt in den Mutz schlüpfe, empfinde ich eine tiefe Freude. Das Singen vor Publikum hat mir die letzten zwei Jahre gefehlt.» Zwar lebt er, mittlerweile beruflich zum stellvertretenden Geschäftsführer aufgestiegen, seinen Ehrgeiz in der Gastronomie aus, dem Singen in der Gemeinschaft gehört aber die Begeisterung.

 

Auch junge Frauen sind dabei

Begeisterung ist auch zu spüren, wenn Daria und Gianna Occhini mit ihren über 30 Chörlikindern auf der Bühne ihre Lieder anstimmen. Am Sonntagnachmittag ist das – wohl kein Zufall – ebenfalls in Studen der Fall. Ihre Mutter Brigitte Occhini hat mitgeholfen, das Seeländer Chinderchörli zu gründen. Zuerst in Port am Proben fanden die Kinder ab vier Jahren später in Ins ihre Heimat – auch ein ehemaliger und zukünftiger Jodlerfest-Ort. Anders als Wampfler schafften die Occhini-Töchter den Übertritt von den Kindern zu den Erwachsenen nahtlos, standen bald in den Reihen der Grossen, im Jodlerklub und in der Leitung des Chinderchörlis. Daria Occhini hat zudem die strengen Zulassungsbedingungen für den Studienbereich Volksmusik an der Hochschule Luzern mit dem Hauptfach «Jodeln» bei Nadja Räss bestanden.

Seit 2009 wird im Bachelor of Arts in Music ein Schwerpunkt in instrumentaler Volksmusik angeboten. Hier haben seitdem fast 20 Studentinnen und Studenten einen Abschluss erlangt. «Die Absolventinnen und Absolventen sind gefragte Pädagoginnen und Pädagogen an Musikschulen oder stehen als Musiker beispielsweise mit dem Hackbrett oder dem Schwyzerörgeli auf der Bühne», sagt die bekannte Schweizer Jodlerin und Gesangspädagogin Nadja Räss, die den Bereich Volksmusik an der Hochschule Luzern seit September 2018 leitet. Es sei ein konsequenter Schritt gewesen, neben der bisherigen instrumentalen Ausbildung neu das Hauptfach «Jodel» anzubieten, so Räss.

Beim Bernisch-Kantonalen Jodlerfest im Juni sind sogar die Chöre aus dem ganzen Kanton beim Nachwuchstreffen in Ins zu Gast. Zwölf der 20 Gruppen mit rund 400 Kindern wollen dann in Ins ihre Lieder erklingen lassen. Und über 20 ehemalige Chörli-Kinder werden bei den Grossen mitsingen. Von Arch bis Kallnach stehen sie heute in den Jodlerreihen. 

Dass aber mehr als zwei Drittel der Talente nach dem Schulaustritt verloren gehen, ist nicht im Sinne von Caroline Wittwer (Jens), welche im Vorstand des Bernisch-Kantonalen Jodlerverbandes die Nachwuchsförderung koordiniert. «Es gibt in den Männer-Jodlergruppen zuwenig Plätze für Mädchen», stellt sie fest und ortet bei den veränderten Berufsbiografien mit Weiterbildungen und berufliche Neuorientierungen über die Jugendzeit hinaus weitere Stolpersteine für den Übertritt zu den grossen. Selber ist auch sie ein typisches Beispiel einer volkstümlichen Quereinsteigerin. Als Trachtenschneiderin in Suberg hat sie das volkstümliche Virus plötzlich angesteckt und nicht mehr losgelassen.

Der Verband selber hat in den letzten Jahren viele Instrumente geschaffen, um den Nachwuchs zu fördern. Die «Chinderchörli» sind ein Standbein. Ein zweites könnte wie bei der Blasmusik die Förderung von interessierten Kindern in den regionalen Musikschulen sein. Hier leistet der Jodlerverband einen namhaften Beitrag an das Schulgeld. Im Seeland ist das Fördermodell anders als in anderen Berner Landesteilen noch nicht wirksam geworden.

Die 20 Seeländer Jodlerklubs werden aber, aller Verbandsförderung zum Trotz, nicht darum herumkommen, eigenen Nachwuchs im Kreis von Familien, Vereinen, im Dorf und am Arbeitsplatz zu gewinnen. Offene Chorproben, Projekte oder auch die Werbung an der Haustüre beim Nachbarn und im Freundeskreis haben bisher den volkstümlichen Nachwuchs gesichert. Mit Mark Wampfler haben die Studener Jodler auf diesem Weg wohl auch längerfristig eine Stütze gefunden. Markus Dähler

Info: Konzert und Theater beim Jodlerklub «Zytröseli», Samstag und Sonntag, Studen. Keine Reservationen,
Informationen und Programm unter
www.zytröseli.studen.be 

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