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Konzert

Der König des gepflegten Eskapismus

Er hatte schon immer eine Ausstrahlung, die weit über die Hip-Hop-Szene hinausreichte. Nun kennt ihn die ganze Welt. Am Samstag tritt der New Yorker Rapper A$AP Rocky in Orpund auf.

Wieder frei: A$AP Rocky tritt am Samstag am Royal Arena in Orpund auf. Das Urteil in seinem Prozess in Schweden wird auf MIttwoch erwartet. zvg

Adrian Schraeder
Ablenkung ist sein grosses Thema. Die Flucht in eine eigene Realität, in eine Welt, in der die Zeit langsamer verstreicht und alles herrlich diffus ist, beherrscht der New Yorker Rapper A$AP Rocky musikalisch perfekt. Das hat er auf zwei Nummer-1-Alben und unzähligen Singles bewiesen.
In den letzten sechs Wochen hätte er sich wohl selber etwas Ablenkung gewünscht. Denn statt mit seiner Musik, erregte der 30-Jährige mit einem mutmasslichen Gewaltdelikt weltweites Aufsehen. Nach einer körperlichen Auseinandersetzung mit einem Fan – Rakim Mayers alias A$AP Rocky soll den Ankläger mit einer Glasflasche traktiert haben – sass er rund einen Monat hinter schwedischen Gardinen. Die Affäre schlug und schlägt hohe Wellen: Kanye West mobilisierte sogar den US-Präsidenten Donald Trump und der sprach bei seinem schwedischen Amtskollegen vor. Plötzlich war der mode- und grasverliebte A$AP Rocky Gegenstand der Weltpolitik. Dass man einen berühmten Amerikaner so lange in Untersuchungshaft stecken kann, empörte die hohen Tiere der US-Administration.

Musikalischer Erneuerer
Aus künstlerischer Sicht sind die Geschehnisse zumindest erstaunlich: A$AP Rocky und seine Gefolgschaft, der A$AP Mob, sind eigentlich nicht für ihre Gewaltbereitschaft bekannt. Vielmehr gelten sie als musikalische Erneuerer. Als Künstler, die mit den Hip-Hop-Dogmen brechen und eigene Regeln aufstellen. So hat sich der bekennende «Fashionista» schon in Outfits gezeigt, mit denen man noch vor ein paar Jahren als Rapper verlacht geworden wäre. Doch sein in den Strassen von Harlem gestähltes Selbstbewusstsein – eine kurze Karriere als Drogendealer ging seiner Raplaufbahn voraus – liessen jedwede Kritik locker abtropfen.
Wie ein Kranich bei der Landung setzte er 2013 auf der grossen Bühne des Openair Frauenfeld auf. Er ging leicht geduckt zum Bühnenrand vor, breitete die Arme aus und imitiert die Bewegungen des Flügelschlags. Das Nest war schon bereitet: Der Beat seines Hits «Pretty Flacko» hatte bereits mit wenigen Synthie-Tönen alles in eine diffuse, verrauchte Stimmung getaucht. Eine Parallelwelt hatte sich aufgetan. Tiefe, wummrige Bässe, zischelnde Hi-Hat-Sounds und verlangsamte, durch den Wolf gedrehte Begleitstimmen waren zu hören. Und dazu die gut verständlichen Zeilen des Manns aus dem New Yorker Stadtteil Harlem: Er sei schon so bekannt wie Mozart, und auf seinem Go-Kart würden willige Mädels herumlümmeln, hiess es da etwa. Die Welt, die Mayers erschaffen hat, entwickelt auch im Jahr neun nach seinem plötzlichen Auftauchen auf dem Hip-Hop-Parkett immer wieder einen unwiderstehlichen Sog. Der Song «Praise The Lord» vom aktuellen Album «Testing» (2018) war der letzte Beweis dafür: Ein abgehackt gerapptes, hymnisches Duett mit dem Londoner Grime-Star Skepta, getragen von einem Flöten-Sample.

Pop-Zwang kennt er nicht
Immer wieder sucht er das Ungewöhnliche: Er kollaboriert mit Dubstep-Zampano Skrillex, sampelt Hits von Moby oder Rod Stewart, covert Otis Redding, er holt sich den Danger Mouse von Gnarls Barkley als Produzenten, er taucht mit Devonté Hynes von Blood Orange einen Song lang tief in den Softpop ab. Immer wieder blubbern und schleichen die Songs auch einfach so dahin. Einen Pop-Zwang kennt er nicht. Die Vision, der Rausch, die Kunst steht bei ihm im Vordergrund.
Und auch wenn nicht jeder Versuch gelingt – «Testing» war als Album wenig konzis – streift man sich als Hörer doch immer wieder gerne für ein paar Minuten seine Brille über und betrachtet die Welt plötzlich verlangsamt, verschleiert, wie mit leicht angeschippertem Bewusstsein. A$AP Rocky hören heisst mental verreisen. Er macht trippige Musik, die nicht viel mehr sein will als trippige Musik. Eine Reise voller Rauchschwaden, Modereferenzen, Weiblichkeit, Stilstudien und Kunstpausen. Hoffen wir, dass er in Zukunft wieder damit für Schlagzeilen sorgen wird. Auf der Bühne des Royal Arena Festivals in Orpund kann er diesen Samstag den ersten Schritt dazu machen.

Zur Person
A$AP Rocky wurde am 3. Oktober 1988 als Rakim Athelaston Mayers in Harlem, New York geboren.
2011 erlangte er mit den Singles «Peso», «Purple Swag» und «Goldie» Bekanntheit.
Sein erstes Album «Long. Live. ASAP» erschien im Januar 2013. Es hat sich alleine in den USA mittlerweile über eine Million Mal verkauft.
Im August 2013 besuchte er erstmals die Schweiz und trat am Openair Frauenfeld auf.
Sein letztes Album «Testing», erschienen im Mai 2018, war nicht weniger experimentell, aber weitaus weniger erfolgreich als seine beiden Vorgänger.
Allerdings landete er mit der Single «Praise The Lord» – ein Duett mit dem englischen Rapstar Skepta – einen Riesenhit: Sie wurde alleine auf Spotify 387 Millionen Mal gestreamt.
Nach einer körperlichen Auseinandersetzung mit einem Fan in Stockholm Ende Juni dieses Jahres, verbrachte er einen Monat in Untersuchungshaft. Donald Trump setzte sich persönlich für seine Freilassung ein.
Seit dem 3. August ist er auf freiem Fuss. Mit dem Urteil ist am Mittwoch zu rechnen.
Am Samstagabend tritt er als Headliner am Royal Arena Festival in Orpund auf.


Programm Orpundart und Royal Arena:

Orpundart, 15. August, Mainstage
George, 18 Uhr.
Kunz, 19.25 - 20.15 Uhr.
77 Bombay Street, 20.45 Uhr.
Stress, 22.30 Uhr.  

Royal Arena, 16. August, Mainstage
Hocus Pocus, 19.10 Uhr
Dave East, 20.35 Uhr
SSIO, 21.55 Uhr
Freddie Gibbs & Madlib, 23.20 Uhr
Suprême NTM, 0:50 Uhr

17. August, Mainstage
Black Milk & Nat Turner Band, 20.55 Uhr
Big Daddy Kane, 22.05 Uhr
Tech N9ne, 23.20 Uhr
A$AP Rocky, 0.50 Uhr sro

Info: Ganzes Programm unter www.royalarena.ch
Tickets für beide Events unter www.starticket.ch

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