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Kultur

Fleissige Schweizer Jazz-Spinnen Grosse Ohren

Das Bieler Label Oh My tickt anders: Seine Aufnahmen erscheinen auf Vinyl. Für das Festival Warmor hat es sich mit Organisationen vernetzt, die sich ebenfalls dem zeitgenössischen Jazz verschrieben haben.

Lionel Gafner, Fred Bürki, Gaël Zwahlen (von links) mit Platten ihres Labels Oh My. Bild: Adrian Streun

TOM GSTEIGER

Obwohl sich der in Tramelan aufgewachsene Fred Bürki in Bern niedergelassen hat, wird er oftmals als Bieler Schlagzeuger bezeichnet – und das hat durchaus seine Berechtigung: Bürki ist eng mit der Bieler Szene verbandelt – und als einer von drei Machern des Labels Oh My verleiht er dieser Szene auf vielfältige Weise wichtige Impulse. Denn Oh My produziert nicht einfach nur Schallplatten mit tollkühner Coverkunst – Oh My kümmert sich auch um das Drumherum.

So veranstaltet man (neben Bürki sind damit Lionel Gafner und Gaël Zwahlen gemeint) auch Konzerte in der Voirie in Biel. Für Bürki hat der 83-Quadratmeter-Raum, der früher als Depot fürs Strasseninspektorat diente, einen ganz eigenen, rauhen Charme. Es gebe bereits ein Stammpublikum, das 20 bis 30 Leute umfasst, sagt Bürki und ergänzt: «Wir hoffen natürlich, dass es noch mehr werden.»

6 Städte, 6 Lokale, 12 Bands
Als nächstes auf dem Programm steht eine grosse Vernetzungsaktion mit anderen Schweizer Organisationen, die ähnliche Ideen verfolgen. Das Festival Warmor lässt sich auf eine einfache Formel bringen: 6 Vereine, 6 Städte, 6 Kantone, 6 Lokale, 12 Bands, 12 Doppelkonzerte. Der Name Warmor setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der beteiligten Organisationen zusammen (siehe Infobox.)

Von Oh My sind das charmantbizarre Trio Holunderblüten und die ebenfalls dreiköpfige wilde Fanfare du Porc mit von der Partie – gemäss der Festivalidee werden sie allerdings nicht in ihrer «Heimat», sondern im «Ausland» auftreten, nämlich in Basel, Genf, Luzern und Zürich (zum Programm in Biel: siehe Zweittext und Infobox). Bürki: «Wir hoffen natürlich, dass die Bands nach den Konzerten nicht einfach abhauen, sondern dass es zu einem regen Austausch zwischen allen Beteiligten kommt.»

«Einfach mal drauflos»
Wer den Eindruck hat, die Bieler Jazzszene habe ein ganz eigenes Gepräge, liegt gemäss Bürki nicht ganz falsch. Im Rahmen des Festivals Warmor werden in Biel vier Formationen zu hören sein. Zwei von ihnen sind auf dem Label Wide Ear Records beheimatet, das von vier Musikern aus Zürich, Zug und Bern betrieben wird und auf dem bis dato sechs Alben erschienen sind.

Zum Trio Things to Sound gehören mit dem Saxofonisten Tobias Meier, dem Pianisten Yves Theiler und dem Schlagzeuger David Meier drei Wide-Ear-Masterminds. Diese Gruppe hat sich der freien Improvisation verschrieben, wobei nicht altmodisches Powerplay nennt er Lucien Dubuis (dessen Trio zuletzt durch die Zusammenarbeit mit dem New Yorker Gitarren-Desperado Marc Ribot für Furore sorgte) und die legendäre Gruppe Koch-Schütz-Studer und präzisiert: «Es ist sehr viel improvisiert, aber doch anders im Vordergrund steht, sondern das subtile Ausloten von Klängen, Geräuschen, Melodiefetzen und pulsierenden Energien. Die Band hält sich an das Motto von Heraklit: Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen.

Der Vierte im Bunde der Wide-Ear-Crew, der Schlagzeuger Alex Huber, wird mit Chimaira ein Quartett präsentieren, das er während eines Aufenthalts in Berlin ins Leben rief. In seinen Stücken arbeitet Huber mit fünf Bausteinen, legt aber nie alle gleichzeitig fest und setzt so sehr viel mehr improvisatorische Erfindungslust frei als in der Werkstatt für improvisierte Musik in Zürich oder Bern – irgendwie frecher und mit mehr Rock-Einflüssen. Oft spielt man einfach mal drauflos.»

Tatsächlich bringen die Bieler Jazzer und ihre Trabanten mit ihrer ungekünstelt-lustvollen Musizierweise, der oft auch etwas Humoristisches anhaftet, viel frischen Wind in die Schweizer Szene. Da passt es prima, dass die Cover der Oh-My-Schallplatten vom Kunst-Anarcho Augustin Rebetez gestaltet werden, der dieses Jahr mit dem Swiss Photo Award ausgezeichnet worden ist (weil nicht mehr ganz alle Erdenbewohner einen Schallplattenspieler ihr Eigen nennen dürfen, gibts zu den LPs einen Download-Code).

Doch warum nehmen Bürki & Co. überhaupt all die Arbeit auf sich, die das Betreiben eines Labels nun mal mit sich bringt? Wäre es nicht viel einfacher, die Aufnahmen auf einem bereits existierenden Label zu veröffentlichen?

«Als Musiker muss man ja heutzutage eh alles selber bezahlen. Da macht es doch mehr Sinn, wenn man auch die ganze Linie selber bestimmen kann. Das Entwickeln von Konzepten macht uns allen Spass», lautet Bürkis einleuchtende Antwort.

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