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Popmusik

«Ich bekomme so viel Liebe»

Bastian Baker ist im Zirkus durch die Luft geflogen und hat mit Superstar Shania Twain getourt – die Coronapause kam ihm gerade recht. Nun ist er mit seinem neuen Album zurück auf der Bühne.

Bastian Baker freut sich auf die anstehenden Konzerte im kleinen Rahmen.  zvg/gabriel hill

Interview: Reinhold Hönle

Bastian Baker, seit 2018 und Ihrem letzten Album «Bastian Baker» ist viel passiert. Wieviel ist in «Stories Of The XXI» eingeflossen?
Bastian Baker: Das Album hat zwei Geschwindigkeiten – wie das 21. Jahrhundert. Zuerst konnte ich reisen, mit tollen Leute Songs schreiben und im Studio aufnehmen. Ab dem Lockdown lief alles nur noch über E-Mail und Zoom. «No Secrets» habe mit einem geilen Gitarristen komponiert, der bereits für Damien Rice und Angus & Julia Stone gearbeitet hat, und in einem geilen Studio in L.A. abgemischt. So, wie ich es liebe, Musik zu machen! Dagegen entstand «When It’s All Over», als ich im März 2020 wegen Corona in Costa Rica festsass. Ursprünglich wollte ich nur eine Woche Ferien machen, konnte dann aber erst im Sommer in die Schweiz zurückkehren.

Vielen anderen Künstlern fiel es in dieser Zeit schwer, kreativ zu sein…
Ich verstehe voll, wenn einem die Lust und Inspiration fehlte, denn es war eine Scheisszeit. Meine Situation war jedoch insofern eine andere, als eine zweijährige Tournee hinter mir lag, auf der ich jeden Tag aufgetreten und die Musik zu meinem Beruf geworden war. Deshalb brauchte ich eine Pause und habe meine Gitarre in den ersten anderthalb Monaten des Lockdowns nicht mal angeschaut. Dann wollte ich einfach mal wieder was spielen, nur für mich, und fühlte mich dabei wie mit 16 oder 17, als ich noch keine Ahnung hatte, dass daraus eine Karriere werden könnte. Mit dieser Lockerheit fiel es mir leicht, ein paar Songs zu schreiben.

Sogar einen über Corona?
Nein. Ein negatives Lied über dieses Thema wäre nicht in Frage gekommen, doch «When It’s All Over» ist ziemlich positiv geworden. Trotzdem wäre es fast nicht aufs Album gekommen, weil ich befürchtete, dass es bis zur Veröffentlichung nicht mehr aktuell sein könnte. Da der Text vom Moment handelt, wenn die Krise vorbei ist, steckt jedoch genügend Hoffnung drin.

Ist die Welttournee mit Superstar Shania Twain so verlaufen, wie Sie sich das vorgestellt hatten?
Nein, sie enthielt zwar alles, was ich erwartet hatte, nur in der zehnfachen Dosis! (Lacht) Alle Geschichten, die man über solche Tourneen hört, habe auch ich erlebt – mehr oder weniger. Beim ersten Konzert der Tour haben mir ein paar arrogante Typen der Produktionsfirma gesagt, als Künstler im Vorprogramm müsse ich nicht meinen, dass ich einen Soundcheck bekomme! Sie wussten nicht, dass ich mit Shania und ihrer Familie befreundet bin und sie jeden Abend mit mir das Duett «Party For Two» singen würde…

Waren Sie auf der Tournee nur auf Ihre musikalische Zusammenarbeit fokussiert oder blieb noch Zeit für zwischenmenschliche Kontakte?
Vor der Show war jeder mit sich selbst beschäftigt, aber danach habe ich mit Shania und ihrem Ehemann Frédéric so viel Qualitätszeit verbracht wie noch mit niemand anders. Nach den Konzerten bist du noch viel zu wach, um ins Bett zu gehen. So haben wir oft noch bis in den frühen Morgen coole Gespräche geführt oder Musik gehört. Beide lieben auch die Gastronomie, weshalb wir immer in guten Restaurants gegessen haben. Es war ein unglaubliches Erlebnis!

Welche Erinnerungen haben Sie an die Auftritte?
Jeden Tag allein vor 15000 Leuten aufzutreten, die mich nicht kannten, war eine sehr grosse Herausforderung. Vor der ersten Show hat Frédéric zu mir rübergeschaut und anerkennend gemeint: «Du hast ja riesige Eier!» (Lacht) Tatsächlich spürte ich auch noch den Druck des Managements, das nur darauf wartete, dass dem kleinen Schweizer ein Fehler unterlief und sie ihn im zweiten Teil der Tournee durch einen Amerikaner ersetzen konnten.

Haben Sie dem standgehalten?
Ich habe einfach versucht, sie jeden Abend stolz zu machen, dass sie mir das Vertrauen geschenkt hat, obwohl ihr Management skeptisch war. Die Tatsache, dass die Leute nach meinem Auftritt bis zu anderthalb Stunden für eine CD und ein Autogramm Schlage standen, sprach für mich. Und Shania sagte, sie kenne niemand anders, der die Leute eine halbe Stunde lang allein unterhalten könne wie ich. Sowas trifft natürlich direkt ins Herz und hat mich sehr gefreut.

In welchem Land hat diese Tournee für Sie am meisten bewirkt?
In den USA. Ich konnte daneben viel PR-Auftritte machen und bekam von den Medien viel Unterstützung. Als ich auf einer Autofahrt auf Sirius XM die Ankündigung «Das ist ‹Love On Fire›, der neue Song von Bastian Baker» hörte, hat es mich fast umgehauen. Um so härter war es, dass meine erste US-Tournee als Headliner, die ich hätte machen können, der Pandemie zum Opfer fiel. Wie die Eishockey-WM in der Schweiz, zu der ich den offiziellen Song beigesteuert hatte, der auf 156 Fernsehkanälen gelaufen wäre. Schade, aber ich will mich nicht beklagen. Corona hat alle irgendwie getroffen.

«We Ruined Our Story» ist eine eindringliche Ballade. Beruht Sie auf eigenen Erfahrungen?
Natürlich ist man inspiriert von eigenen Erlebnissen, aber es ist auch bekannt, dass ich in den letzten Jahren kaum Beziehungen hatte. Ich bin oft der Zuschauer, beobachte andere oder bekomme etwas von ihnen erzählt, und lasse aus der Summe meine Songtexte entstehen.

Wie nahe fühlen Sie sich dem von Ihnen besungenen Jackpot?
Uff! Ich habe ihn schon mehrfach geknackt. Es begann damit, dass das Schicksal es wollte, dass ich in der Schweiz geboren wurde, dem schönsten Land der Welt, demokratisch und reich, mit nur acht Millionen Einwohnern, aber vier Sprachen. Als ich «Jackpot» schrieb, dachte ich auch daran, dass ich von der Musik leben, die Leute mit meinen Songs berühren und vielleicht sogar in ihrem Herzschmerz trösten kann. Ausserdem bin ich sehr dankbar, dass ich von meinen Fans so viel Liebe bekomme. Da fühle ich mich wie Roger Federer!

«Jackpot» und «Leave A Scar» tönen nach James Blunt. Kennen Sie sich vom Skifahren in Verbier?
«Jackpot» ist wirklich sehr von James Blunt inspiriert. (Kichert) Er war mit 14, 15 mein Vorbild. Ich habe ihn bisher immer nur kurz getroffen. Wir waren noch nie zusammen Skifahren! Er ist wohl auch schon zu eng mit Ed Sheeran befreundet. Da ist kein Platz für noch einen anderen Singer-Songwriter in seinem Leben. (Lacht)

Bei Sheeran ist Blunt der Lehrer, bei Ihnen wäre er vielleicht der Schüler – im Schnee…
Ich würde ihm gerne ein paar Tricks zeigen. Ich schätze ihn nicht nur als Musiker, auch als Person. Ich habe Twitter nur, damit ich ihm folgen kann. Der Kerl hat so viel trockenen britischen Humor! Er macht sich immer über sich selbst lustig, in den Videos und sogar im Merchandising. Und er weiss, wie man auch als Popstar ein schönes Leben ohne viel Drama führen kann. Das bewundere ich und deswegen lebt er wohl auch in der Schweiz.

Sie waren das Aushängeschild der Circus-Knie-Tournee 2021. Was werden Sie einmal Ihren Kindern darüber erzählen?
Der Knie, das ist eine eigene Welt. Es waren zweihundert Vorstellungen und ich habe jede einzelne genossen, als wäre es die erste gewesen. Ich hatte schon lange davon geträumt, einmal in einer spektakulären Show mit Feuer, Motorrädern und Akrobatik mitzuwirken, und dann wurde daraus plötzlich Wirklichkeit. Ich bin geritten und durch die Luft geflogen, habe im Publikum eine Akustiknummer gespielt, wurde bei «Dancing Without You» von zwei Tänzern umrahmt und sang beim grossen Finale das Lied, dass ich extra dafür geschrieben hatte. 

Was erwartet die Fans nun bei den vier Clubshows im März?
Ich spiele mit meinen Musikern und einigen Gästen alle bekannten Songs. Wir wollen auch Sachen ausprobieren. Es sind kleine Locations, die ich besonders mag. Im Kofmehl, Kaufleuten und Les Docks fühle ich mich zuhause. Es wird sicher spannend, locker und lustig. Das Leben ist langweilig ohne Unterhaltung!
Info: Bastian Baker: «Stories Of The XXI» (Phonag).

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