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Liebe

«Ich gefalle entzücke verrücke/
du bist entzückt verrückt gefällt»

Das Buch «Love is» vereint Aussagen und kurze Texte mit jeder Menge Kunstgeschichte und Kitsch zum Thema Liebe. Wer darin blättert, ahnt, dass kaum etwas so schwammig ist wie das Gefühl Liebe.

Liebeskrieg: «Im Kreig und in der Liebe ist alles erlaubt», sagte schon Napoleon Bonaparte. Bild: zvg

Clara Gauthey

Liebe ...
... 1. Populäre Ausrede, um sich schlecht behandeln zu lassen2. Populäre Ausrede, jemanden schlecht zu behandeln. (Thomas Meyer)
... ist in der Phantasie viel besser als in der Realität. Sie nicht zu leben ist sehr aufregend. (Andy Warhol)
... ist eine schwere psychische Erkrankung. (Platon)
... erlöst die Welt, nicht das Denken. (Manfred Kyber)
... ist das Gewürz des Lebens, sie kann es versüssen oder versalzen. (Konfuzius)
... ist, wenn einem Treue Spass macht. (Julie Andrews)
...  ist eine Sache der Empfindung, nicht des Wollens. Ich kann nicht lieben, weil ich will, noch weniger aber weil ich soll. (Immanuel Kant)

Liebe erklären? Humbug!

«Love is»/«Liebe ist», heisst das englisch-deutsche Buch, in dem wir solche und viele andere Sätze finden. Dazu gesellen sich die knutschenden, ineinander verschlungenen und verknoteten Stars der Kunstgeschichte à la Gustav Klimts «Der Kuss» oder Sandro Botticellis «Geburt der Venus». Liebevolle Umarmungen, intensive Blicke und augenzwinkernde Cartoons zum Thema Liebe, die Tarot-Karte «Die Liebenden» oder Kamasutra-Malereien. Aber ist nicht jeder Satz, der die Liebe erklären will, ebenso wie jedes Bild, Humbug? So wie auch das Gefühl, das meint, Liebe zu sein, infrage gestellt werden darf? Oder mindestens die Motive dahinter?
Muss nicht solche Maskerade, je nach Betrachterwinkel, der Lächerlichkeit anheimfallen? Müssen solcheSätze nicht allesamt grotesk wirken, ungebührlich verkürzend oder einfach nur nichtssagend? So wie eine Liebeserklärung jenem, der nicht liebt, nur ein Achselzucken entlockt: «Was geht es mich an, dass Du mich liebst?»

Haus der Liebe, aus Hohlräumen gestapelt

Müssen sie uns nicht im Halse stecken bleiben, diese Sätze über die Liebe? All die Kalenderweisheiten, wohldurchdachten Literatenformulierungen und Philosophensprüche sind, jede für sich, eine Art Hohlraum, der dieses Wort kaum mit akzeptablem Sinn anfüllen kann.
Aber wer weiss, vielleicht muss man nur genügend solcher Hohlräume übereinanderstapeln, genügend Bonnies und Clydes, Romeos und Julias, Monroes und Millers, um ein Haus der Liebe bauen zu können? Das scheint sich Roland Wittwer (siehe auch Kurzinterview rechts) gedacht zu haben. Er kombiniert als Mitherausgeber des Wälzers «Love is» Wort- und Bildkunst und schmiedet ein Konstrukt, an dem man sich reiben, an das man sich anschmiegen und in dem man blätternd schwelgen mag. Einen Almanach, eine Bibel der Liebe, goldene Lettern auf rotem Einband, schwer liegen die 600 Seiten in der Hand. Ein Gefühl tiefer Zuneigung ist sie, die Liebe. Vielleicht sollte man es dabei belassen. Und sich in den Fotografien, Skulpturen, Bildern der Liebesmomente schmachtend und wohlig verlieren, um ein warmes Gefühl im Bauch zu kriegen. Ach, die Liebe!

Sie ist natürlich längst nicht nur verliebtes Küssen. Und das gibt das Buch auch nicht vor. Eros-Agape-Philia, die körperliche, die geistige und die uneigennützige Liebe, allesamt haben sie ihren Auftritt. Die Liebe zur Musik. Die Mutterliebe, dieGottesliebe. DieNächstenliebe, die mit Eigenliebe kombiniert werden sollte. Oder andersherum? Müssen wir bei der Ego-Pflege anfangen, um einem Alter Ego etwas entgegenbringen zu können? Steckt überhaupt logisch Fassbares dahinter, wenn zwei Menschen sich als zusammengehörig präsentieren oder auch nur das Wort «Liebe» in den Mund nehmen? Oder haben uns die Telenovelas und Netflix-Serien dieser Welt, die Pornoindustrie, die «Disneyfizierung der Liebe» (Eric Hegmann) den Liebesbegriff versaut und unser Liebesleben auf eine unerträgliche Mischung aus dümmlicher Romantifizierung und abgebrühter Supermarktmentalität reduziert?

«Ich gefalle entzücke verrücke/ du bist entzückt verrückt gefällt» lautet ein kurzes, atemloses Textlein der Schweizer Autorin Regula Portillo. Die Konjugation der Liebe mit Ich und mit Du, so einfach kann die Liebe sein. So leicht, spielerisch und harmlos, auch wenn am Ende, oh je, einer «gefällt» wird. So lustvoll-leicht, das wissen wir, ist es jedoch nie lange. Sätze über die Liebe kribbeln, sind düster, nachdenklich oder überschwänglich. Sie sind belehrend, ernüchtert oder sarkastisch. Aber kaum jemand kann sich nach einem Satz über die Liebe eines Gefühls erwehren. Und sei es auch nur des Ärgers darüber, dass er so gar nicht zu unserer Empfindung über dieses Empfinden passen will.

Info: «Love is», Buchprojekt von Roland und Chris Wittwer, Martin Hacker, 600 Seiten, 52.90 Fr. Weitere Infos unterwww.love-is.ch

Stichwörter: Roman, Liebe, Kultur

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