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Vom Flirt bis vor den Richter

Die Trennung von den Online-Partnervermittlern Parship und Elitepartner kann zum Spiessrutenlauf werden.

Symbolbild: pixabay.com

Dominik Schlegel

„Jeden Tag verliert Parship Kunden, und das freut uns“, so wirbt der bekannteste online Partnervermittler aus Deutschland regelmässig im Fernsehen, denn „wir verlieren sie gleich paarweise“. Die Versprechungen von Internet Datingplatformen sind vollmundig, aber über abgehende Kunden freuen, das tun sie sich definitv nicht – im Gegenteil.

Liebe liegt in der Luft
Die Abende werden lauer und länger, die Freibäder füllen sich wieder – das Flirten liegt in der Luft Warum also nicht auch online auf Balz gehen, denken sich heute je länger je mehr Singles. Die Angebote sind vielfältig und reichen von Gratisplattformen wie finya bis zu mehr oder weniger teuren Bezahldiensten mit Jahresgebühren von bis zu 600 Franken wie bei Parship und Elitepartner. Letztere verfügen tendenziell über ernsthafter interessierte Mitglieder, denn wer zahlt schon gutes Geld nur um Herumzualbern. Ausserdem bieten sie meistens ein angeblich „wissenschaftliches“ Matchingsystem, was auch immer man davon halten mag, auf dessen Grundlage sie einem Partnervorschläge machen.

So weit so gut, würden die Anbieter nicht gleichzeitig auf jede erdenkliche Art versuchen, ihren Kunden soviel Geld wie möglich aus der Tasche zu ziehen. Das fängt damit an, dass man erst nach dem Ausfüllen eines zeitaufwendigen Fragebogens zur angepriesenen „Gratis-Anmeldung“ merkt, dass man damit eigentlich gar nichts Sinnvolles machen kann, insbesondere keine anderen Mitglieder kontaktieren oder ihre Profilbilder ansehen. Dazu muss man erst ein Abonnement lösen, und wie hoch das zu Buche schlägt, erfährt man auch erst jetzt.

Der wahre Hund liegt dann aber in den Kündigungsbestimmungen begraben. Wer sich trotz romantischer Stimmung die Mühe macht, diese zu suchen, findet sie in den AGBs nur ausweichend beschrieben. Konkret werden sie erst während des Zahlungsprozesses beim Anklicken eines entsprechenden Links bekanntgegeben. Spätestens da sollte man dann aber stutzig werden. Ein Ausstieg aus einem laufenden Abonnement (auch wenn man sein Glück gefunden hat) ist nicht möglich und in bekannter Bauernfänger-Manier verlängert es sich nach Ablauf jeweils automatisch, und zwar oft sogar zu einem höheren Preis, wenn man es nicht 3 Monate! im Voraus kündigt. Das tönt doch stark nach Knebelvertrag und es tappen regelmässig viele Nutzer in die Falle.

Schweizer Recht schützt die Nutzer
Was die schlaumeierischen Internetkuppler geflissentlich zu erwähnen vergessen, ist laut Arnold F. Rusch, Rechtsprofessor an der Universität Fribourg, dass diese Kündigungsbestimmungen in der Schweiz nach dem Obligationenrecht (Art. 404, 406d, 406e) klar widerrechtlich sind. Laut Gesetz kann man nämlich einen solchen Vertrag innerhalb der ersten 14 Tage ohne Kosten widerrufen und auch später jederzeit beenden. Beides muss allerdings schriftlich geschehen. Genau genommen ist der online geschlossene Vertrag ohne die Erwähnung der beiden Ausstiegsmöglichkeiten sowie ohne schriftliche Abfassung und die Unterschrift des Nutzers nicht einmal rechtsgültig. Zuguterletzt steht auch die automatische Verlängerung rechtlich auf wackeligen Füssen, weil sie laut Rusch unlauter ist.

Die Betreiberin von Parship und Elitepartner, die PE Digital GmbH in Hamburg, kümmert das wenig. Trennungswillige Kunden lässt sie wissen, dass eine Kündigung vor Vertragsablauf oder eine Stornierung der Verlängerung nicht möglich sei, weil das schweizerische Recht – man höre und stauen - dies nicht zulasse. Auch der gegenteilige Konsens der führenden Schweizer Rechtsgelehrten sowie der Konsumentenschützer von „Beobachter“, „Ktipp“ und „Kassensturz“ beeindruckt die Hamburger nicht.

Standhaftigkeit zahlt sich aus
In der Folge mahnen sie stur happige Beträge von den säumigen Zahlern und schalten oft auch Inkassofirmen oder Anwälte ein, die ihrerseits gerne noch allerlei überrissene Gebühren draufschlagen, alles im Kalkül die zahlungsunwilligen Kunden weichzuklopfen. Zum Glück kann einem das ganze Theater aber herzlich egal sein. Die Schweizer Konsumentenschützer empfehlen nämlich unisono, sich nicht einschüchtern zu lassen und jegliche weitere Zahlung mit Hinweis auf das OR zu verweigern. Bereits abgebuchte Beträge kann man theoretisch zurückfordern, allerdings ohne grosse Aussichten auf Erfolg. Am ehesten klappt es über einen Widerspruch bei der Kreditkartenherausgeberin. Selbst falls man sogar betrieben werden sollte, ist das noch kein Grund zur Panik. Mit der Erhebung des Rechtsvorschlags kann man die Betreibung stoppen, worauf der Partnervermittler die Sache vor ein Schweizer Gericht bringen müsste.

Erfahrungsgemäss aber krebsen die Amore aus Hamburg spätestens hier zurück und lassen von einem ab. Wie der sprichwörtliche Teufel das Weihwasser fürchten sie nämlich ein rechtskräftiges Urteil, welches ihrer unverschämten Geschäftspraxis einen Riegel schieben könnte. Das hätte für sie angesichts tausender schweizer Nutzer massive Gewinneinbrüche zur Folge. Auf seinem Recht beharren lohnt sich also, und je mehr Betroffene das tun, desto eher ändert sich auch etwas. Einiges an Zeit und Nerven kostet die Sache aber allemal. Im schlimmsten Fall muss man auch mit einem Eintrag ins Betreibungsregister leben können, der momentan noch erst nach 5 Jahren automatisch gelöscht wird und vor allem bei der Wohnungssuche sehr nachteilig ist. Darum gilt, es prüfe wer sich vertraglich bindet, auch im Internet.

Weitere Infos:
www.ktipp.ch
www.srf.ch
www.beobachter.ch
 

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