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Biel

Jung und Alt treffen sich

Was geschieht, wenn sich eine 93-jährige Malerin und vier junge Graffiti-Künstler ein Atelier teilen?

  • 1/5 Frau Ravizza, Direktorin der Residenz au Lac
  • 2/5 Frau Heidi Sieber
  • 3/5 Künstler NIMS - Fotorealismus/Graffiti
  • 4/5 Künstler RENB - Illustration/Graffiti
  • 5/5
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Nadine Ibrahim

Heute Donnerstag startet eine spezielle Ausstellung in der Bieler Residenz au Lac. Die Ausstellung zeigt die Erfolgsgeschichte eines Generationenprojekts. Wir trafen Anna Ravizza, die Direktorin der Residenz, die 93-jährige Malerin Heidi Sieber und die Graffiti-Künstler Renb und Nims zum Interview.

Anna Ravizza, Sie sind die Direktorin des Residenz au Lac und haben dieses Projekt lanciert. Was ist der Kerngedanke des Projekts und wie ist es zustande gekommen?

Ravizza: Wir sind ein Haus, in dem sich Generationen treffen. Dies ist eine Philosophie, welche wir schon seit Beginn an vertreten. Deswegen pflegen wir engen Kontakt mit den jungen Leuten aus dem X-Project. Zu  Beginn wurde uns gesagt, dass es nicht funktionieren würde, Alt und Jung so dicht nebeneinander zu haben. Aus diesem Grund wollen wir der Bevölkerung zeigen, dass es hervorragend klappt. Und wir hatten von Anfang an wunderschöne Begegnungen und bis heute noch keine Konflikte. Was morgen in der Ausstellung gezeigt wird, ist das Resultat dieser schönen Nachbarschaft. Ich bin sehr stolz, dass wir dieses Projekt gemeistert haben und wie alle Beteiligten miteinander umgegangen sind. Es war von der ersten Sitzung an höchst professionell. Denn Kunst und Kultur sind Generationenübergreifend, selbst ohne Sprache funktioniert es.
Wir zeigen der Bevölkerung eigentlich, dass es überall Brücken zwischen Jung und Alt gibt, wenn man nur will und bereit ist, diese zu überqueren.

Gibt es einen „Generationen-Unterschied“ zwischen den Künstlern? Was waren ihre Eindrücke während der Zusammenarbeit?

Renb: Also ich persönlich fand interessant, dass in Bezug auf die Vorgehensweise im kreativen Teil, Heidi Sieber und "Mista83" sich sehr ähnlich waren und der Altersunterschied vollkommen egal zu sein schien. Als man die beiden beobachtete, wie sie an die grosse Leinwand herangetreten sind - das Gemeinschaftswerk - wurde das Alter nicht ein einziges Mal zum Thema. Es waren einfach zwei Künstler, zwei Individuen, welche vor einer leeren Leinwand standen und zusammen arbeiteten.

Heidi Sieber: Ja, sobald wir gemalt haben, haben wir nicht mehr daran gedacht, dass der eine jünger und der andere so viel älter ist. Es war kein Thema. Wir haben einfach miteinander gemalt. Das war wirklich sehr schön und ich hatte daran viel Freude.

Nims: Es ist wirklich toll, wie sich die Interessen vermischen und das Alter völlig vergessen geht. Man steht zusammen vor einer Leinwand und wenn alle das gleiche Ziel vor Augen haben, spielt alles weitere keine Rolle mehr. Alles wir sekundär und nur noch die gemeinsame Arbeit steht im Vordergrund.

Sind die Kunst und das Kunstverständnis zwischen Jung und Alt grundverschieden, oder gibt es Ähnlichkeiten?

Heidi Sieber: Wir kommen von ganz verschiedenen Ecken der Kunst und haben auch ganz unterschiedliche Techniken. Aber genau dies war das reizvolle am Projekt, da wir so grundverschieden sind. Ich finde ganz toll, was die Jungen machen. Ehrlich gesagt muss ich mir schon sehr Mühe geben, dass ich neben diesen jungen Künstlern noch bestehen kann.

Gab Ihnen das Projekt eine Inspiration für ihre zukünftigen Projekte?

Nims: Als Künstler sollte man sich sowieso von allem inspirieren lassen. Und bei der konkreten Zusammenarbeit muss man sich auf den Stil der jeweils anderen Künstler einlassen, selbst wenn man selber mit dieser Kunst nicht viel anfangen kann. Kunst ist schliesslich immer Geschmackssache. Aber wenn man zusammen arbeitet, sollte man immer versuchen, auf die anderen einzugehen und ihnen auch Freiheiten einzuräumen.

Renb: Ja, dies ist eventuell noch das spezielle am Gemeinschaftswerk. Allgemein drehen die meisten Künstler in der Kunstszene eher "ihr eigenes Ding", und dass mehrere Personen zusammen auf eine Leinwand zusammen arbeiten, ist eher speziell und kommt eher aus der jungen Bewegung. Dies ist natürlich ein Kompliment an Heidi Sieber, die sich da so problemlos einfinden konnte.

Ihre Instrumente sind Pinsel (für Frau Sieber) und hauptsächlich Spray-Dosen (für die jungen Künstler). Könnten sie sich einen Instrumententausch vorstellen?

Renb: Also wir arbeiten bereits mit unterschiedlichen Medien. Was ich jedoch von Heidi Sieber gelernt habe, ist mit der Spachtel zu arbeiten. Diese Technik kannte ich vor diesem Projekt noch gar nicht. Und letzten Sommer haben wir bei einem Grillanlass mit der Residenz und dem X-Project draussen Cellophan aufgespannt und dann konnten mehrere Bewohner der Residenz sich im Sprayen üben.

Anna Ravizza: Ja, das war sehr lustig. Da haben die Senioren aus dem Haus mit Spray-Dosen Graffitis gemacht. Anfangs dachten wir, da würde doch niemand mitmachen, aber am Schluss sind sie Schlange gestanden.

Heidi Sieber: Vorallem haben wir dabei gemerkt, dass es gar nicht so einfach ist. Es ist eben wirklich eine Kunst.

Was waren die Highlights und die Schwierigkeiten des Projekts?

Nims: Für mich war eigentlich das grösste Highlight, dass sich in einem chaotischen Atelier, wie wir es haben, eine 93-Jährige Frau rein traut und mit uns arbeitet.

Ann Ravizza: Ich fand es schön, dass Generationen so zusammen arbeiten können. Als ich der Frau Sieber einmal auf dem Gang begegnete, nachdem sie im Atelier gearbeitet hatte, sah sie zwar sehr müde aus, aber sie hat gestrahlt wie die Sonne. Das war wirklich ein toller Moment für mich.

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