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Lakelive

«Metallica veränderte mein Leben»

Juanes hat 2004 mit «Mi Sangre» einen Welthit gelandet und seither einen Latin Grammy nach dem anderen eingeheimst. Am Bieler Lakelive feiert er den Abschluss seiner Europa-Tournee.

Juan Esteban Aristizábal Vázquez (46) füllt in seiner Heimat Kolumbien und in den USA mit seinen Auftritten die Stadien. Hits wie «La Camisa Negra» haben ihn auch hier bekannt gemacht. Bild: zvg/Omar Cruz
  • Dossier

Interview: Toni Varela

Juanes macht zum Zeitpunkt dieses Telefon-Interviews mit seinen vier Mitmusikern Zwischenhalt auf Teneriffa, wo er auf seiner Europatournee durch sieben Länder weilt. Er lebt und arbeitet in Miami, besucht aber sooft er kann Cartagena, wo seine Frau Karen Martínez und seine drei Kinder Luna, Paloma und Dante leben. Die Verbundenheit zu seiner Heimatstadt Medellín ist unerschütterlich. Das erklärt auch sein Engagement im Kampf gegen die Ungleichheit in Kolumbien, wozu er eine eigene Stiftung gegründet hat.

Juanes, am Samstag treten Sie am Lakelive in Biel auf. Was dürfen die Fans erwarten?
Juanes: Wir werden eine Auswahl bringen, die von den neuesten Songs bis zu den Klassikern reicht. Für gewöhnlich spiele ich Stücke aus meiner gesamten Diskografie. Konzerte sind für mich wie Feste. Während den Auftritten versuchen wir, die Emotionen zu wecken. Wir spielen sehr energiegeladen und geben alles, was in uns steckt. Ich garantiere Ihnen eine wunderbare Konzertnacht.

Am 22. Februar traten Sie in der kolumbianischen Grenzstadt Cúcuta mit anderen namhaften Musikern an der Benefizveranstaltung auf, die der Milliardär Richard Branson auf Initiative des selbst ernannten Interimspräsidenten Juan Guaidó organisiert hat, um Gelder für die humanitäre Hilfe in Venezuela zu sammeln. Doch die Grenzen blieben auf Geheiss Nicolás Maduros geschlossen. Wie erlebten Sie es vor Ort?
Die Erfahrung war sehr kontrastreich und eigenartig. Ich denke, dass es von Seiten vieler Kollegen die Hoffnung und den ernsthaften Wunsch gab, zu helfen. Aber dann geschah eben, was geschah. Es herrschte eine sehr angespannte Stimmung, die nicht gerade förderlich war. Doch immerhin waren wir dort. Ich persönlich hatte jedenfalls die ehrliche Absicht, meinen Beitrag zu dieser Hilfsaktion zu leisten.

Besorgt Sie die Situation in Venezuela?
Selbstverständlich, denn wir sind Nachbarn und Brüder. Alles was in Venezuela geschieht, betrifft Kolumbien, und umgekehrt. Wir blicken auf eine lange gemeinsame Geschichte zurück. Und was zurzeit passiert, ist sehr besorgniserregend. Bei den gegenwärtig stattfindenden Verhandlungen zeigt sich dies besonders klar. Ich bin skeptisch. Es sieht für mich nach Verzögerungstaktik aus. Und jetzt ist mehr denn je unklar, was geschehen wird.

Und Kolumbien? In Ihrer Heimat gab es ja bedeutende Entwicklungen in jüngerer Zeit.
Zurzeit ist die Lage heikel, denn wir haben uns als Land immer noch nicht darauf verständigt, wie es vorwärtsgehen soll. Beherrschendes Thema sind die vielen Wortführer aus der Zivilgesellschaft, die seit Beginn des Friedensprozesses systematisch umgebracht worden sind. Die Umsetzung des Friedensprozesses an sich war nicht eben sehr erfolgreich. Und das hat viele Zweifel aufgeworfen. Ich glaube nicht, dass es einfach sein wird. Aber natürlich ist es mein Land und ich werde für die Zukunft immer Optimist bleiben.

Abseits der Bühne engagieren Sie sich für den Frieden und gesellschaftliche Anliegen. Was treibt sie um?
Nun, in meiner Heimat Kolumbien geschehen viele Dinge, die mich ziemlich beschäftigen, weil dort lange ein Krieg tobte, den wir noch nicht überwunden haben. Dazu kommen die Gewalt und der Hass. Die beinahe 60 Jahre Dauerkonflikt haben Kolumbien wohl zum Land mit der grössten sozialen Ungleichheit Lateinamerikas gemacht. Es gibt noch viel zu tun, besonders im Bereich der Bildung, die nicht gerade gut aufgestellt ist. Dieser Prozess wird noch viele Jahre in Anspruch nehmen.

Seit Ihrem Hitalbum «Mi Sangre» von 2004 war der Erfolg Ihr Begleiter. Hat er Sie verändert?
Ich glaube, darauf ist man nie vorbereitet. Jedenfalls war ich es nicht. Die Intensität der Erlebnisse und die vielen Dinge, die tagein tagaus geschehen, führen fast ein wenig dazu, dass man das Gefühl für die Zeit verliert, und dafür, wer man eigentlich ist. Der Erfolg hat gute, aber auch unschöne Seiten, wenn man nicht weiss, wie man mit ihm umgeht. In meinem Fall hat er mich viel gelehrt über das Leben, aber auch darüber, wer ich als Künstler sein möchte und wer nicht. Dadurch ist mir heute vieles klarer und ich handle viel bewusster, bei allem was ich tue.

Was fiel Ihnen dabei am schwersten?
Weit weg von den Kindern zu sein. Diese Distanz und die Unmöglichkeit, Zeit mit ihnen zu verbringen, können einem schon sehr nahe gehen und auch wehtun. Aber das war Teil des Lernprozesses, den ich durchmachen musste und der eben auch Opfer verlangt. Ich habe das Glück, dass meine Familie versteht, was ich tue und mich unterstützt. Auf der individuellen Ebene jedoch bedeutet dies, dass man ein einsameres und ruheloseres Leben führt und die Gedanken von einem Ort zum anderen hin- und herpendeln. Und trotzdem: Sobald die Show beginnt, kommt der Moment der totalen Verzückung. Dieser Kontrast ist manchmal schon etwas seltsam.

Seit Ihren letzten beiden Studioalben 2014 und 2017 haben Sie eine Reihe von Singles veröffentlicht, zuletzt «Querer Mejor», eine Zusammenarbeit mit der kanadischen Sängerin Alessia Cara. Wie empfanden Sie diesen Genrewechsel zu R’n’B?
Es gefiel mir sehr. Es ist sehr interessant, mit Leuten aus anderen Musikgenres zusammenzuarbeiten. Denn das gibt mir die Chance zu lernen, unterschiedliche Stile zu vermischen und Neues zu erschaffen. Und die Arbeit mit Alessia Cara war wunderbar. Sie singt unglaublich gut. Mich begeistern ihre Texte. Und der Song wurde von den Fans sehr gut aufgenommen. Denn auf die kommt es an, schliesslich mache ich meine Musik in erster Linie für sie.

Sie haben mit einer ganzen Reihe namhafter Künstler wie Tony Bennett, Sergio Mendes, Santana, Miguel Bosé, Luis Fonsi, Nelly Furtado, Laura Pausini oder Joaquín Sabina gearbeitet. Mit wem würden Sie in Zukunft gerne was machen?
Ich war stets ein grosser Fan von Metallica und von U2. Eine Kooperation wäre die Erfüllung eines Kindheitstraums (lacht). Es ist zwar nicht so, dass ich es aktiv anstrebe oder es mir den Schlaf raubt. Doch wenn wir schon dabei sind, Namen zu nennen, so wäre eine Zusammenarbeit mit Lady Gaga eine Riesensache. Ich mag sie und ihre Art des Gesangs sehr. Sie ist unglaublich. Ich hoffe, dass ich eines Tages die Möglichkeit habe, mit diesen Musikern die Bühne zu teilen.

Sie sind den Bandmitgliedern von Metallica ja schon begegnet.
Ja, genau. Ich hatte die Gelegenheit, sie an den MTV-Awards in Guadalajara (2008, Anm. d. Red.) kennen zu lernen. Es war in der Tat eine sehr emotionale Begegnung, denn als ich 13 Jahre alt war, veränderte Metallica mein Leben. Sie waren meine Inspiration, obschon meine Musik heute eigentlich nichts mehr damit zu tun hat. Aber es gibt da gewissermassen eine tiefe Seelenverwandtschaft und eine starke Kraft, die von ihnen und ihrer Art Musik ausgeht.

Ich habe gelesen, dass Sie Vegetarier sind.
Nun, es gibt Phasen, in denen ich zu 100 Prozent Vegetarier bin und solche, in denen ich auch Fisch esse. Fleisch hat bei mir zu Beginn der Kindheit ein Trauma ausgelöst. In meinem Land und in meiner Familie war es Tradition, im Dezember ein Schwein zu schlachten. Von diesem Ritual war ich total angewidert. Deshalb löste Fleisch bei mir Ängste aus. Mir wurde übel beim Gedanken daran, wie die Tiere getötet und verarbeitet werden, bevor sie auf dem Teller landen. Das hat bei mir sehr viele Zweifel ausgelöst.

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Lakelive –
das Musikprogramm

26. Juli, Opening Night:

- Mando Diao
- Jeremy Loops
- Von Wegen Lisbeth
- Kadebostany
- Klischée
- Len Sander
- Circles

27. Juli, Latin Night:

- Juanes
- David Bisbal
- Bacilos
- Madera Latina
- Na Nueva Orquesta
- Ceviche Mixto

2. August, Urban Night:

- Nekfeu
- Youssoupha
- Bausa
- Psycho’n’Odds
- Baze
- Douleur d’Avion

3. August, Swiss Night:

- Hecht
- Lo & Leduc
- The Gardener and the Tree
- Yokko
- Andrea Bignasca
- Matchenko tg

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