Sie sind hier

Abo

Kulturbranche

Planungsunsicherheit und hohe Fixkosten – aber auch Solidarität

Alle trifft diese Krise – Veranstalter und selbstständige Kulturschaffende besonders hart. Wie lange sie diese Situation noch aushalten müssen, ist unklar. Diese Unsicherheit macht zu schaffen.

Die Kufa in Lyss plant ebenfalls ein Crowdfunding – eine Massnahme von vielen.  Chris Harker/A

Simone K. Rohner
Alle sitzen im gleichen Boot. Das ist der eine Satz, den man von fast allen Akteuren der Kulturbranche im Moment hört. Eine grosse Herausforderung, mit der alle kämpfen im Moment, ist die Planungsunsicherheit. Wann werden die Massnahmen gegen die Coronapandemie gelockert oder gar aufgehoben werden? Wann geht das kulturelle Leben weiter? Wird alles auf einen Schlag wieder eröffnet werden können oder nur schrittweise? Viele Fragen kreisen zurzeit in den Köpfen der Veranstalter. Klarheit gibt es keine. Die Meisten bangen auf den 19. April, um zu erfahren, wie es denn nun weitergeht.
«Wir ziehen alle Register», so der Bieler Dave Naef, Geschäftsleiter des Bierhübeli in Bern. Mitte letzter Woche haben sie eine Crowdfundingaktion auf Wemakeit gestartet. Gestern Abend war das Ziel von 40000 Franken fast schon erreicht. Ein riesen Erfolg also. Wie erwartet? «Ein solches Mass an Solidarität kann man nicht erwarten. Wir konnten es aber schlecht einschätzen im Vornherein», so der Veranstalter. Das Crowdfunding löse jetzt nicht alle Probleme, aber es gebe etwas Luft. Das Bierhübeli beschäftigt mehr als 100 Personen. 86 davon sind zurzeit in Kurzarbeit. Ausserdem befindet es sich momentan in vorgezogener Sommerpause. Die Miete sei gestundet, so Naef. Soforthilfe und Ausfallentschädigung hat er beantragt. Die Planungsunsicherheit sei das grösste Problem. Doch sie seien in stetigem Kontakt mit den Bands und den Mitarbeitern. Die Kommunikation steht für Naef jetzt im Zentrum. Und er versucht, auf alle Situationen vorbereitet zu sein. Der Betrieb liesse sich in einer Woche wieder hochfahren. Die Mitarbeiter sind im Standby-Modus.

Kufa noch abgesichert
«Wir sind dabei, ein Crowdfunding auf die Beine zu stellen», so Daniela Eicher-Hulliger, Leiterin der Kufa in Lyss. Im Moment seien sie zwar finanziell noch abgesichert bis September. Doch eine Mietreduktion und die Stundung der Suisa-Kosten seien beantragt, um die Fixkosten zu senken, und als Nächstes werde sie auch die Ausfallentschädigung beantragen. An die 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt die Kufa im Stundenlohn. Diese Personen erhielten aber trotzdem noch ihren Lohn und für das Leitungsteam sei Kurzarbeit beantragt. Um die Krise zu überstehen, muss die Kufa nun aber Subventionen ausgeben, die eigentlich für die Technik des Betriebs gedacht waren. Eicher-Hulliger hofft auf den Saisonstart im September. «Das Programm muss aber so angepasst werden, dass man sich nicht zu stark gegenseitig konkurrenziert.» Denn viele Veranstalter verschieben ihr Programm gerade auf den Herbst. «Für die Gäste ist das super, das wird ein wirklich musikalischer Herbst, wenn wir bis dahin wieder Normalbetrieb fahren können. Aber die gegenseitige Konkurrenz wird dadurch eben auch erhöht.» Die Kufa ist Teil einer Corona-Taskforce verschiedener Berner Klubs, die in regem Kontakt miteinander stehen. Und Solidarität untereinander, das spürt auch sie. 

Bühnenfrau im Homeoffice
Isabelle Freymond probt derzeit ein Stück für Jugendliche. Von zuhause aus via Facetime. Glück im Unglück: Es ist ein Einpersonenstück. Die Premiere wäre auf Ende Mai geplant. Freymond ist neben ihrer selbstständigen Tätigkeit noch 25 Prozent beim Tobs angestellt. Dieses Standbein bleibt also bestehen, wenn auch durch Kurzarbeit etwas reduziert. Doch bei den Schulprojekten sieht es etwas anders aus. Eines der Projekte konnte sie nicht abschliessen bis jetzt. Um Gewissheit zu bekommen, ob das überhaupt noch klappt, muss auch sie die nächste Entscheidung des Bundesrates abwarten am 19. April. Erst dann weiss sie, wie es weitergeht. «Wenn ich das Projekt nicht abschliessen kann, werde ich in eine finanzielle Notsituation kommen und eine Ausfallentschädigung beantragen müssen», so die Theaterfrau. Doch sie versucht, optimistisch zu bleiben. «Die Aufgabe der Kunst ist schliesslich auch, solche Krisen zu verarbeiten», meint sie. In einem weiteren Theaterprojekt des Jungen Theaters Biel betreut sie die Jugendlichen nun aus der Ferne mit Aufgaben für zuhause. «Ein Bühnenstück wird daraus aber nicht entstehen», so Freymond. Vielleicht aber eine Ausstellung oder eine Performance mit den Beiträgen, die sie von den Jugendlichen erhält. Bei dem Stück handelt es sich um Rapunzel.
 


Soforthilfe und Entschädigungen
Insgesamt 280 Millionen Franken für die Kultur hat der Bundesrat schon Ende März angekündigt. 100 Millionen Franken für nicht gewinnorientierte Unternehmen und 25 Millionen Franken für Kulturschaffende sind als Soforthilfe vorgesehen; weitere 145 Millionen Franken stehen als Ausfallentschädigung zur Verfügung. Für Kulturvereine im Laienbereich stehen 10 Millionen Franken bereit. Seit gestern können Anträge gestellt werden. Ansprechpartner sind die Kantone, der Verein Swissculture Sociale und Laienkulturverbände. Für die Akteure heisst das: Nicht gewinnorientierte Kulturunternehmen können zinslose Darlehen beantragen. Laut Verordnung dürfen diese höchstens 30 Prozent der Erträge des Betriebs gemäss der letzten revidierten Jahresrechnung betragen. Subventionen der öffentlichen Hand werden abgezogen. Auch Kulturschaffende können Soforthilfen von höchstens 196 Franken pro Tag beantragen. Grundlage für die Beurteilung des Anspruchs ist die letzte Veranlagung der direkten Bundessteuer und der Nachweis einer wirtschaftlichen Notlage. Entschädigungen für den Erwerbsausfall werden angerechnet. Zusätzlich stehen Finanzhilfen zur Verfügung zur Abfederung der finanziellen Folgen durch eine Absage oder Verschiebung von Veranstaltungen und Projekten oder durch Betriebsschliessungen. Die Ausfallentschädigung deckt höchstens 80 Prozent des finanziellen Schadens. Gewinn wird nicht abgegolten. Bei Vereinen im Laienbereich beträgt die Entschädigung höchstens 10000 Franken pro Verein, abhängig von der Zahl der vertretenen Aktiven. sda/sro

Nachrichten zu Kultur »