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Sion 2026

Guy Parmelin droht ein Ringkampf mit der eigenen Partei

Gegen die SVP kämpft Guy Parmelin für Olympische Winterspiele in der Schweiz. Wie hart das ist, weiss sein Kollege Ueli Maurer, der deswegen 2013 intern heftig attackiert wurde. Die Streitfragen sind dieselben: Gibt es eine Abstimmung? Und eine Defizitgarantie?Nur in Bern, Biel und Kandersteg würden 2026 olympische Wettbewerbe durch-geführt. Damit verliert der Kanton Bern im Programm für die Winterspiele 2026 an Gewicht.

Sportminister Guy Parmelin wehrt sich gegen eine nationale Abstimmung über die geplante Bundesmilliarde für Olympia 2026. Bild: Keystone

Ueli Maurer sei kein richtiger SVP-Bundesrat mehr. Er habe sich abgekoppelt, sei kaum in der Lage, standhaft die SVP-Haltung zu vertreten. So unfreundlich sprachen Parteifreunde im Frühjahr 2013 über ihren Bundesrat, einige sogar öffentlich. Es waren olympisch heisse Tage. Die anstehende kantonale Abstimmung in Graubünden über die Kandidatur für die Olympischen Winterspiele 2022 schlug landesweit Wellen. Sportminister Maurer kämpfte mit Elan für ein Ja. Der parteiinterne Streit hatte primär zwei Gründe: Maurer war gegen eine nationale Abstimmung über den Bundesbeitrag von 1 Milliarde Franken. Und er stellte den Bündnern in Aussicht, der Bund werde – zusätzlich zu dieser Milliarde – die vom Internationalen Olympischen Komitee (IOK) verlangte Defizitgarantie gewähren. Beides ging prominenten Parteikollegen gegen den Strich. Doch der Hauskrach fand ein vorzeitiges Ende. Da die Bündner Nein stimmten, musste die Debatte auf Bundesebene gar nicht mehr stattfinden. Die Winterspiele 2022 finden in Peking statt.

Und 2026? Dann sollen sie endlich wieder in der Schweiz stattfinden. Findet der heutige SVP-Sportminister Guy Parmelin und mit ihm der Gesamtbundesrat. Gestern gab er offiziell grünes Licht für Sion 2026.

 

Parmelin gegen Abstimmung
Wiederholt sich die Geschichte? Muss Parmelin fünf Jahre nach Maurer ebenfalls gegen die eigene Partei antreten? Es wäre seine erste grosse Bewährungsprobe.

Die Zeichen stehen auf Sturm. Parmelin sprach sich gestern bereits klar gegen eine nationale Abstimmung über den Bundesbeitrag aus. Dieser soll insgesamt wieder rund 1 Milliarde Franken betragen, wovon der Hauptteil direkt an die Organisatoren geht und ein kleiner Teil an Infrastruktur- und Sicherheitskosten (30 bzw. 130 Millionen Franken). Parmelin findet eine nationale Abstimmung unnötig, da es auf Bundesebene kein Finanzreferendum gebe. Für ihn genügen die Urnengänge in den Kantonen, bei denen aber noch viele Fragen offen sind (siehe Zweittext «So geht es weiter»).

 

Und die Defizitgarantie?
Doch auch der Bund könnte den Olympiakredit problemlos so ausgestalten, dass die Gegner das Referendum dagegen ergreifen können. Ein solches Vorgehen ist zurzeit auch beim Kauf der neuen Kampfjets geplant, den ebenfalls Parmelin verantwortet. SP und Grüne fordern für Olympia bereits eine referendumsfähige Vorlage. Die anderen Parteien lassen die Frage noch offen. 2013 sprachen sich auch Exponenten der Volkspartei dafür aus, dem Volk das letzte Wort zu geben.

Auch die zweite grosse Streitfrage stellt sich von neuem: Muss der Bund über den Milliardenbeitrag hinaus eine Defizitgarantie abgeben, da sich das IOK im Fall eines finanziellen Fiaskos schadlos halten will? Muss er nicht. Auf diesen Standpunkt stellt sich zumindest Bundesrat Parmelin. Er betonte, es handle sich bei den Zahlen um Höchstbeträge. Allerdings sind sich seine Bundesratskollegen da offenbar nicht so sicher. Jedenfalls heisst es im offiziellen Communiqué, der Bundesrat habe Parmelin «beauftragt, bei der Ausarbeitung der Botschaft abzuklären, wie die Limitierung dieser Defizitgarantie sichergestellt wird». Frei übersetzt: Parmelin und die Organisatoren sollen mit dem IOK Wege suchen, um zu vermeiden, dass der Bund ein finanzielles Wagnis in unbekannter Höhe eingehen muss. Dass Sportanlässe riskant sind, musste der Bund – auf ungleich tieferem Niveau – erst kürzlich erfahren: Nachdem die Leichtathletik-Europameisterschaft 2014 in Zürich ein unerwartetes Defizit hinterlassen hatte, musste der Bund seinen Beitrag nachträglich von 3,3 auf 3,6 Millionen Franken aufstocken. Umgerechnet auf die Olympiamilliarde ergäbe dies einen Nachtragskredit von fast 100 Millionen Franken.

 

SVP lehnt Bundesbeitrag ab
Das Komitee von Sion 2026 zeigt sich allerdings zuversichtlich, dass eine Lösung möglich ist. Vizepräsident Hans Stöckli, seines Zeichens Berner Ständerat (SP), sagt: «Es ist ausgeschlossen, dass der Bund über die Obergrenze hinaus für die Organisationskosten zur Kasse gebeten wird.» Etwas anderes könnte er als Präsident der Geschäftsprüfungskommission des Parlaments auch gar nicht verantworten, beteuert Stöckli.

Doch selbst wenn er recht hat: Guy Parmelin muss so oder so mit dem Widerstand der eigenen Partei rechnen. Die SVP hielt sich gestern in ihrer Stellungnahme gar nicht erst mit Finessen wie Referendumsfähigkeit und Defizitgarantie auf, sondern schrieb bereits klipp und klar: «Die Landesverteidigung geht vor.» Und: «Auf die Milliarde für die Olympiade ist zu verzichten.» Fabian Schäfer

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Von «völlig unverständlich» bis «sehr erfreut»
Bei Parteien stösst das Vorhaben rechts und links auf Kritik. Für die SVP ist der Bundesratsentscheid angesichts der knappen finanziellen Mittel völlig unverständlich, wie die Partei mitteilte.

Für die Grünen Schweiz stellen die Olympischen Spiele ein finanzielles Hochrisiko dar. Die Kosten für die öffentliche Hand allein für die Durchführung der Spiele seien nach weniger als einem Jahr Planung bereits um rund 650 Millionen Franken gestiegen. Der Bundesrat wird deshalb aufgefordert, seinen Beschluss über die finanzielle Beteiligung an Sion 2026 dem Parlament als referendumsfähige Vorlage zu unterbreiten.

Die SP Schweiz will sich mit den involvierten Kantonalparteien austauschen, bevor sie Position bezieht. Doch eine demokratische Mitsprache der Bevölkerung hält sie für unverzichtbar.

Für die CVP dagegen hat der Bundesrat mit der Unterstützung der Olympiakandidatur die Weichen für ein nationales Projekt von weltweiter Ausstrahlung gestellt. Die Idee weisser olympischer Spiele ohne Gigantismus sei für die FDP bestechend, heisst es in einer Stellungnahme der Partei: Trotz Sympathie für Olympia müsse das Parlament einen «unternehmerischen» Entscheid fällen.

Der Schweizer Tourismus-Verband äusserte sich schliesslich sehr erfreut über den Entscheid des Bundesrates.

Anders als bei einzelnen grossen Parteien stösst der bundesrätliche Entscheid bei der Berner Volkswirtschaftsdirektion auf Anklang. Sie begrüsst die geplante finanzielle Unterstützung allfälliger Olympischer Winterspiele 2026. Damit könne die Wintersportnation Schweiz zeigen, dass eine solche Veranstaltung in vernünftiger Dimension und auf grösstenteils bestehenden Anlagen möglich sei. sda

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So geht es weiter
Das Komitee Sion 2026 will die Olympischen Winterspiele in den Kantonen Wallis, Waadt, Bern und Freiburg durchführen. Die Organisatoren rechnen mit Gesamtkosten von rund 2,4 Milliarden Franken. Davon soll der Steuerzahler zirka die Hälfte tragen. Dabei sind die Sicherheitskosten der Kantone mit eingerechnet.

Ende Jahr geht die Botschaft zum Bundesbeitrag in die Vernehmlassung. 2018 entscheiden National- und Ständerat. Ob es eine Volksabstimmung gibt, ist offen. Eine kantonale Abstimmung ist im Wallis geplant, möglicherweise auch in der Waadt. In Bern wird es mangels Investitionen kaum eine geben.

Das Komitee Sion 2026 setzt nun die Detailarbeiten fort. Im Oktober 2018 nimmt das Internationale Olympische Komitee eine Vorauswahl vor, im Oktober 2019 vergibt es die Winterspiele 2026 definitiv. fab

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Nebenrolle für den Kanton Bern
Im Frühsommer war der Kanton Bern noch ein Big Player in den Planungen des Organisationskomitees von Sion 2026. Eishockey sollte in Bern und Biel gespielt, in Kandersteg temporär eine neue Grosssprungschanze gebaut und in Thun ein Athletendorf errichtet werden.

Wer heute einen Blick auf die Karte mit den geplanten Standorten wirft (siehe oben), erkennt rasch: Würde Sion 2026 den Zuschlag für die Olympischen Winterspiele erhalten, dem Kanton Bern käme im Programm nur noch eine Nebenrolle zu. Am Dienstag berichtete der «Bund», dass die Initianten den Plan für eine Grossschanze in Kandersteg fallen gelassen haben. Das Problem: Das rund acht Millionen Franken teure Projekt sah vor, eine 140-Meter-Sprungschanze zu bauen, die nach den Olympischen Spielen wieder abgerissen worden wäre.

Das lässt sich schlecht mit dem Nachhaltigkeitskonzept der Organisatoren vereinbaren. Laut Hans Stöckli, dem Berner Ständerat und Vizepräsident von Sion 2026, dürfte nun ein Plan B in Angriff genommen werden. Dieser sieht vor, dass die Skispringer für die grossen Sprünge nach Engelberg dislozieren sollen, wo bereits eine entsprechende Anlage besteht. In Kandersteg würden die Wettbewerbe auf der Normalschanze und die nordische Kombination durchgeführt.

Ebenfalls vorgesehen war in früheren Plänen der Organisatoren ein olympisches Dorf mit Platz für 2000 Athleten in Thun. Doch es blieb bei der Idee, weil der nationale und der internationale Eishockeyverband sich ob der langen Anfahrtswege zu den Spielstätten in Bern, Biel und Freiburg störten.

Vom Tisch ist im Übrigen auch die Idee, auf dem Berner Expo-Gelände eine temporäre Halle für den Eisschnelllauf zu errichten. Weil diese Sportart hierzulande kaum betrieben wird, gibt es keine bestehenden Anlagen. Nun müssen die Organisatoren nach einer neuen Lösung Ausschau halten: Denkbar ist, in Aigle einen Industrieneubau temporär für den Eisschnelllauf umzurüsten. mob

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