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Seco-Affäre

Keine Strafe für dubiose Geldtransfers

Die Bundesanwaltschaft klagt im Korruptionsfall vier Männer an. Vier weitere kamen mit milden Strafen davon, obwohl sie mit fiktiven Rechnungen mithalfen, Gelder zu verschieben.

Ihre Milde stösst auf Kritik: Der Hauptsitz der Bundesanwaltschaft in Bern. Bild: Keystone

Christian Brönnimann

Es ist der Anfang vom Ende in einem der grösseren Schweizer Korruptionsverfahren. Die Bundesanwaltschaft erhebt Anklage gegen einen Ex-Ressortleiter im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco). Auch drei Mitangeklagte müssen nun mit einem Prozess vor Bundesstrafgericht rechnen.

Vier weiteren Involvierten in die Korruptionsaffäre bleibt eine öffentliche Hauptverhandlung erspart. Bereits im Frühjahr­hatte die Bundesanwaltschaft diese Betroffenen per Strafbefehl ­verurteilt. Drei IT-Unternehmer ­kamen mit bedingten Geldstrafen und Bussen, ein Treuhänder mit einer bedingten Gefängnisstrafe von sechs Monaten davon. Die Strafen seien «auffallend mild» und wirkten «irritierend», sagte Martin Hilti, Geschäfts­führer von Transparency International Schweiz, zu Radio SRF.

Nun werfen Recherchen neue Fragen zum eher geringen Strafmass auf, insbesondere bei einem der IT-Unternehmer. Dieser war an einem lukrativen Geld-Karussell beteiligt, für das er nicht büssen musste. Das zeigen Ermittlungsakten der Polizei.

Firma in Spanien

Konkret geht es um mehrere Hunderttausend Franken, die mittels fiktiver Rechnungen aus dem Seco ausgeschleust wurden. Der Modus Operandi: Unternehmer A stellte dem Seco Rechnung für angebliche Dienstleistungen, die nicht er, sondern Unternehmer B dem Seco erbringen ­sollte. B seinerseits stellte bei A Rechnung, damit ihm A das Geld vom Seco weiterleiten konnte. B überwies das Geld dann an eine Firma in Spanien, die er zuvor mithilfe des korrupten Seco-Beamten gegründet hatte. Zuletzt überwies B das Geld von dieser Firma weiter zu einer Firma des Beamten, ebenfalls in Spanien.

Insgesamt flossen auf diesem Weg gemäss den Ermittlungen über 300 000 Franken auf das Konto der spanischen Firma des Beamten. «Ich habe diese Sachen wohl verdrängt, damit ich besser schlafen kann», sagte Unternehmer A einmal bei einer Befragung durch die Polizei. Er ist die vierte Person neben den drei Hauptbeschuldigten, die die Bundesanwaltschaft nun angeklagt hat. Die ganzen Geldtransfers sind durch die Ermittlungsergebnisse belegt. Umso erstaunlicher ist es, dass sie nicht Eingang fanden in den Strafbefehl gegen Unternehmer B, den ehemaligen Geschäftsführer der inzwischen liquidierten System Connect AG. Im Strafbefehl sind «nur» Zuwendungen von ihm an den Beamten im Umfang von rund 100 000 Franken aufgelistet, beispielsweise Elektrogeräte und Reisegutscheine. Die Bundesanwaltschaft sprach dafür eine bedingte Geldstrafe von 180 Tagessätzen und eine Busse von 1000 Franken aus. Auch angesichts des Umsatzes von über 24 Millionen Franken, den Unternehmer B mit den Seco-Aufträgen gemacht hat, erscheint das Strafmass tief.

Bellinzona ist strenger

Ein Vergleich mit Urteilen des Bundesstrafgerichts zeigt auch: Die Richter verfolgen eine deutlich härtere Praxis als die Staatsanwälte des Bundes, die Strafbefehle in Eigenregie aussprechen können. Im Korruptionsfall im Bundesamt für Umwelt 2016 etwa waren es bedingte Geldstrafen von 330 Tagessätzen und Bussen von 6000 und 7000 Franken – und dies bei deutlich tieferen Deliktsummen. Und im Fall rund um das IT-Projekt Insieme der Steuerverwaltung erhielten Unternehmer allein dafür, dass sie einen Beamten wiederholt zum Essen eingeladen haben, bedingte Geldstrafen von 100 und 150 Tagessätzen.

Die Bundesanwaltschaft schreibt auf Anfrage, ein Vergleich mit diesen Fällen sei «aufgrund der jeweils unterschiedlichen Fallkonstellationen nicht sinnvoll». Bei der Strafzumessung seien immer verschiedene Kriterien zu gewichten, beispielsweise die Beweislage oder das Verhalten der Beschuldigten im Strafverfahren. Diese Kriterien würden «in ein Verhältnis zu den von sämtlichen Beschuldigten im gesamten Strafverfahren begangenen strafbaren Handlungen gesetzt».

Zur Frage, weshalb die Spanien-Geldtransfers nicht in den Strafbefehl gegen Unternehmer B einflossen, nimmt die Bundesanwaltschaft keine Stellung.

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Hauptverdächtige angeklagt

Fünfeinhalb Jahre nach der Aufdeckung der Seco-Affäre klagt die Bundesanwaltschaft vier Personen an. Sie wirft ihnen aktive respektive passive Bestechung und teilweise ungetreue Amtsführung beziehungsweise ungetreue Geschäftsbesorgung vor. Neben einem ehemaligen IT-Ressortleiter aus dem Seco gibt es zwei Hauptangeklagte, frühere Chefs der liquidierten IT-Firma Fritz & Macziol (Schweiz) AG. Der vierte Beschuldigte, der sich nun vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona verantworten soll, ist ein Berner Unternehmer.

Die Anklage beschreibt ein korruptes System, das von 2004 bis 2014 funktionierte. Profiteur war demnach der Seco-Ressortleiter, der nicht Vorteile in der Höhe von 1,7 Millionen Franken gefordert und entgegengenommen habe. Es gab Bargeld, Geschenke oder Einladungen für den leitenden Staatsangestellten – zum Beispiel an Fussballspiele. Die Beschuldigten sollen Bundesaufträge mit einem Gesamtwert von rund 99 Millionen Franken erschlichen und Geld abgezweigt haben. Der Schaden für den Bund lässt sich nicht beziffern. bro

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