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Trinkwasser

24 sind dafür, 14 dagegen – ein klares Bekenntnis

Eine deutliche Mehrheit der Abgeordneten des Gemeindeverbands Seeländische Wasserversorgung Worben hat für die Filteranlage gestimmt. Die Gegner tragen es mit Fassung.

Abstimmung: Die SWG-Abgeordneten haben sich entschieden. Lee Knipp

von Brigitte Jeckelmann
Samstag kurz vor Mittag, im Pink-Flamingo-Saal, Restaurant Florida in Studen. Gleich werden die 38 Abgeordneten des Gemeindeverbands Seeländische Wasserversorgung Worben (SWG) über die Filteranlage entscheiden, die künftig das Grundwasser von den Rückständen des Pflanzenschutzmittels Chloro-thalonil befreien soll. Als Vorstandspräsident Urs Lanz die Gemeindevertreterinnen- und Vertreter auffordert, abzustimmen, ist die Nervosität in seiner Stimme hörbar. Hände schiessen in die Höhe. Die Spannung unter den Anwesenden im Saal ist gross, während die Stimmenzählerinnen eifrig zählen. Das Ergebnis: 24 sind dafür, 14 dagegen. Gemurmel schwillt an im Saal. Die Fenster sind geschlossen, die Storen heruntergelassen, die Lampen brennen. Es hätte auch Abend sein können. Der Gemeindevertreter von Bellmund löst die Spannung mit seinem Antrag «Pause, Fenster auf und lüften».


Zu schnell, zu teuer
Nun kommt sie also, die Filteranlage, die im Vorfeld für emotionsgeladene Diskussionen gesorgt hatte (das BT berichtete). Fünf von 20 Verbandsgemeinden waren vehement dagegen, darunter Walperswil und Epsach. Die Filteranlage sei ein Schnellschuss, sie koste zuviel, verteuere das Trinkwasser und sei für die Umwelt problematisch. Zudem sei gefiltertes Wasser ungesund, lautet die Kritik der Gegner. Bruno Landolf, Gemeinderat aus Epsach und Christian Mathys, der Walperswiler Gemeindepräsident, bringen sie auch an der Versammlung wieder auf den Tisch. «Warum sollen wir fast zwei Millionen Franken ausgeben für einen Stoff, von dem niemand sagen kann, ob er tatsächlich gesundheitsgefährdend ist?», fragt Landolf. Mathys dagegen führt die Signalwirkung des Entscheids für andere Wasserversorger ins Feld: Was, wenn plötzlich alle eine solche Anlage bauten und die Filterrückstände ins Wasser ableiteten? Besser sei Abwarten und nochmals mit dem Kanton zusammensitzen.
Dafür plädieren sowohl Mathys als auch Landolf, der den Antrag auf Rückweisung des Geschäfts stellt. Doch damit kommt Landolf nicht durch. Vielmehr verlangt ein anderer Abgeordneter nach einer knappen halben Stunde, die Diskussion abzubrechen und zur Abstimmung zu gelangen, was eine deutliche Mehrheit befürwortet.


Überrascht vom klaren Mehr
Vorstandspräsident Urs Lanz und SWG-Geschäftsführer Roman Wiget sind erleichtert. Ganz sicher waren sie sich nicht gewesen. Lanz sagt, er habe mit einer knappen Mehrheit gerechnet.
Das eindeutige Resultat hat beide überrascht aber auch darin bestärkt, das Richtige zu tun. Denn sie haben eine gesetzliche Aufgabe zu erfüllen, wie sie sagen, nämlich den Konsumentinnen und Konsumenten Trinkwasser zu liefern, das den lebensmittelrechtlichen Anforderungen entspricht. Und dies ist seit geraumer Zeit nicht mehr der Fall. Rückstände des Antipilzmittels Chlorothalonil überschreiten in manchen Fassungen die Grenzwerte bis zu 20-fach. Für Chlorothalonil-Rückstände gilt im Trinkwasser ein Höchstwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter, da die Ursprungssubstanz nach der Beurteilung der europäischen Lebensmittelbehörde wahrscheinlich krebserregend ist. Der Stoff ist grossflächig vor allem im landwirtschaftlich stark genutzten Mittelland in zu hohen Konzentrationen im Grundwasser nachweisbar.
Betroffene Wasserversorger haben gemäss einer neuen Weisung des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen zwei Jahre Zeit, die Werte unter den Grenzbereich zu senken. Eine Verlängerung dieser Frist können die Kantone nur in Ausnahmefällen gewähren. Deshalb ist für Lanz und Wiget klar: Das geht nur mit der Filteranlage, da andere Verfahren zu wenig wirksam sind.


In sechs Monaten in Betrieb
Nun, da die Abgeordneten der Filteranlage zugestimmt haben, lässt sich die Vorgabe des Bundes erfüllen. Wiget sagt, das Baugesuch sei bereits vorbereitet. Nach erteilter Baubewilligung ist die Anlage gemäss Wiget innert einem halben Jahr in Betrieb.
Für die Einwände der Gegner hat er Verständnis. Es gehe um Zukunftsängste, Weltanschauungen, einer Kluft zwischen Stadt und Land. Die bevorstehenden Abstimmungen über die Trinkwasser- und die Pestizidverbotsinitiative führten dazu, dass Diskussionen zum Thema Pflanzenschutzmittel und Trinkwasser gleich politisch aufgeladen sind. Das findet er nicht gut. Vielmehr sollten sich Wasserversorger und Landwirtschaft zusammenraufen und nach Lösungen suchen, sagt er. Die beiden Landwirte Bruno Landolf und Christian Mathys sagen, sie könnten damit leben, dass der Entscheid nicht in ihrem Sinn ausgefallen ist.
Dennoch finden beide, es hätte mehr Vorbereitung seitens der SWG gebraucht. Sie können nicht so recht glauben, dass es keine anderen Möglichkeiten gegeben hätte. Zum Beispiel jene, dass sich die SWG an der Filteranlage des Energie Service Biel (ESB) hätte anschliessen können, die für das neue Seewasserwerk in Ipsach bereits geplant ist. Roman Wiget sagt, das habe man im Gespräch mit den ESB-Verantwortlichen abgeklärt. Dabei habe sich herausgestellt: «Das wäre für uns noch teurer geworden als eine eigene Filteranlage.» Zudem würde das neue Werk erst Ende 2024 in Betrieb sein, viel zu spät also. Und es würde auch das Problem mit der belasteten Grundwasserfassung in Worben nicht lösen. Dort sind die Pumpwerke abgestellt, denn die Grenzwertüberschreitungen sind massiv.


Ein wichtiges Standbein
Für Wiget und Urs Lanz ist Worben neben den Fassungen im Gimmiz aber ein wichtiges Standbein der SWG. Ohne dieses sei die Versorgungssicherheit gefährdet. Der Grundwasserstrom sei zudem unglaublich ergiebig, ein Glücksfall. Es wäre schade, ihn nicht zu nutzen. Mit der Filteranlage könne das Pumpwerk Worben wieder in Betrieb genommen werden. Ansonsten würde es wohl über Jahrzehnte stillgelegt und nur in Spitzenzeiten wieder zugeschaltet werden können. Denn im Gegensatz zum Grundwasserstrom im Gimmiz, wo die Aare für eine stete Zufuhr von Frischwasser sorgt, ist jener in Worben laut Wiget träge. Rückstände von Pflanzenschutzmitteln könnten dort jahrzehntelang nachweisbar sein, obwohl sie längst nicht mehr in Gebrauch sind. Das zeige die Erfahrung mit anderen Stoffen: «Zuwarten bringt also nichts», sagt er. Wiget führt noch einen weiteren Vorteil der Filteranlage ins Feld: Das Wasser enthält weniger Kalzium, es ist daher weicher und schont Haushaltsgeräte, die man so weniger entkalken muss.  Kommt hinzu: Die Anlage filtert nicht nur Abbauprodukte von Chlorothalonil sondern auch andere Rückstände aus dem Trinkwasser. Damit schütze sie Konsumentinnen und Konsumenten auch vor derzeit noch unbekannten, gesundheitsgefährdenden Stoffen.
Und was ist mit den Filterrückständen? Christian Mathys befürchtet, diese würden «dann einfach flussabwärts geschickt und landen dann wieder bei uns im Hagneckkanal». Wiget entgegnet darauf, es handle sich um drei bis vier Kilogramm Filterrückstände pro Jahr, die die Anlage in Worben verursachen würde. Dies sei praktisch nichts im Vergleich zu aktuell mehreren Tonnen, die jährlich in den Flüssen und Seen landeten.
Unbestrittenes Hauptthema an der Versammlung ist zwar die Filteranlage. Doch auch bei der Wahl eines neuen Vorstandsmitglieds wird die Diskussion noch einmal emotional. Walperswil möchte mehr Einfluss im Wasserverbund und daher seinen Kandidaten, Martin Mathys, im Vorstand platzieren. Dieser unterliegt bei der Wahl jedoch dem Worbener Daniel Gyger.

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