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Tschugg

90 Jahre und den Kopf voller Ideen

Die Keramikerin, Bildhauerin und gestaltende Künstlerin Annemarie Würgler-Füeg aus Tschugg feiert heute ihren 90. Geburtstag. Sie blickt auf ein spannendes Leben zurück und ihre Schaffenskraft ist ungebrochen.

Noch immer arbeitet die 90-jährige Annemarie Würgler 
täglich in ihrem Atelier in Tschugg.
 Bild: tsi

Tildy Schmid

Es scheint beinahe unmöglich, dass die lebhafte Frau, die mit einem herzlichen «Willkommen» die Türe weit öffnet, 90 Jahre alt sein soll. Doch die Geburtsurkunde von Annemarie Würgler aus Tschugg bestätigt es: Geboren am 6. Januar 1932 in Solothurn. Aufgewachsen ist sie neben einem Steinbruch, wo Grabsteine gehauen und gesägt wurden. Onkel Hans war Bildhauer, und das wollte Annemarie auch werden. Dies war aber schwieriger als gedacht. Schliesslich absolvierte die sie eine Schneiderlehre bei ihrer Tante. Es war streng, Knopfloch und Saum verlangten unfehlbare Genauigkeit, wie Jahre später auch die Töpferscheibe.

 

Auf Umwegen zur Kunst

Neue Dimensionen punkto technischem Wissen und künstlerischem Gestalten eröffneten ihr die Keramischen Fachschulen in Bern und Zürich, sowie die Arbeit beim Töpfer Armin Stucki-Moser. In diesem Umfeld lernte sie den Töpfer Beat Würgler kennen und wurde zur Frau Würgler. Die beiden zogen in eine einfache Alphütte im Haslital ob Meiringen. Drei Kinder, Anna, Kaspar und Tonja, Hühner, Katzen, Schafe und einiges mehr waren zu betreuen. Von der Töpferscheibe gings zum Kinderwickeln, zum Pflanzen im Garten, zurück zum Ton im Atelier, zum Kochen und Waschen. Annemarie Würgler sagt es so: «Die Mehrfachbelastung als Frau, Mutter und Künstlerin verändert einen enorm.» Schliesslich zog die junge Familie in einen Altbau nach Erlach und später ins eigene Bauernhaus im Oberdorf in Tschugg.

Der weite landschaftliche Horizont, der unendliche, sich stets verändernde Himmel sorgte für Klarheit. In dieser Zeit trennte sich Annemarie Würgler von ihrem Mann Beat. «Mein Kopf war voller Ideen, drängte nach neuen Erfahrungen, verlangte von mir der eigenen Fantasie zu vertrauen.» Zuerst beschränkte sie sich auf klassische Gebrauchskeramik, doch kurze Zeit später wurde das künstlerische Umsetzen der eigenen Ideen zu ihrem wichtigsten Brotberuf.

 

Atelierarbeit heisst leben

Heute kann sie altersmässig nicht mehr alles alleine bewältigen. «Doch alle helfen mit, damit ich weiterarbeiten kann, denn einige Themen möchte ich unbedingt noch angehen», erklärt Würgler und fügt mit einem Augenzwinkern an: «Vielleicht macht ja mein Schaffen noch jemandem Freude.» Sie lacht und setzt sich in der Küche resolut oben an den langen Tisch.

Im und um das verwinkelte Haus mit seinem verwunschenen Garten stehen, liegen oder sitzen filigrane Figuren. Halbversteckt im winterlichen Pflanzengestrüpp, oder als Wegweiser zum Eingang ins vollgestellte Atelier.

Eine Figur lehnt am Arbeitstisch, ist in Arbeit. Noch ist der Lehm, den Würgler sorgfältig um eine Metallröhre zu einem langgestreckten Körper formte, leicht feucht. Annemarie Würgler kann nicht vorbeigehen, ohne die Gestalt zärtlich zu berühren. Sie sieht mehr Unebenheiten und Unfertiges als der gewöhnliche Betrachter. «Der Stab dient dem Verfestigen der Figur und wird später entfernt», erklärt die begnadete Keramikerin. Im dickwandigen hohen Brennofen mit der gewölbten Innendecke werden die schamottierten Teile bei rund 980 Grad gebrannt und zur ursprünglich gedachten Gestalt verbunden.

Jede Figur ist ihr ans Herz gewachsen. Dünn sind sie, langgestreckt, meist mit angedeuteten Gesichtszügen, doch immer ist der Blick nach oben in die Weite gerichtet. Die Gestalten erinnern an Stelen, versprechen Hoffnung auf das Kommende, Ausblick und Weitblick.

 

Werke in öffentlichem Besitz

  • Biel: Stadtkirche, Skulptur; Tschugg: Klinik Bethesda;
  • Ins: Sekundarschulhaus, Wandbild;
  • Bern: AHV-Zentrum, Eisengussfiguren;
  • Gerlafingen: Altersheim, Eisengussgruppe;
  • Hägendorf: Schulhaus Späri, Eisengüsse;
  • Meiringen: Kindergarten, Wandplastik;
  • Schönbühl-Urtenen: Regionalbank, Wandplastik;
  • Solothurn: Alterszentrum Wengistein, Wandplastik;
  • Wangen bei Olten: Kindergarten, Eisengussfiguren. tsi

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