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Ackersteine erzählen Geschichten

Das Allalinhorn liegt zu einem guten Teil auf Seeländischem Boden. Weshalb das so ist, verrät ein Blick in die jüngere Forschung zur letzten Eiszeit.

Gesteinsexperte Kurt Bucher bei der Einweihung des Findlingsparks beim Bahnhof Ins. Bild: Raphael Schaefer

Theresia Mühlemann

Als der Inser Ingenieur-Agronom Peter Thomet vor einiger Zeit an einer Exkursion des Eiszeitgeologen Christian Schlüchter teilgenommen hatte, hat ihn die Geschichte der Findlinge sofort gepackt. Seither sieht er Ackersteine nicht mehr mit denselben Augen, und die Erforschung der landschaftlichen Entstehungsgeschichte unserer Region ist zu seiner grossen Leidenschaft geworden. Als Organisator lud er letzten Freitag, zusammen mit dem gleichentags neu gegründeten Verein «Landschaftsgeschichte des Drei-Seen-Landes», zu einer Expertentagung über das Vorkommen von Allalin-Gabbro und anderen Gesteinen aus den Walliser Bergen in und auf den Böden im westlichen Mittelland ein. In einer Vortragsreihe erläuterten die geladenen Experten, Eiszeitgeologe Schlüchter, Gesteinsexperte Kurt Bucher, der wissenschaftliche Autor Jürg Meyer sowie Thomet selbst Wissenswertes über die Fundstücke in der Region und ihre Reise vom 4027 Meter hohen Allalinhorn ins Seeland.

Der Allalin-Gabbro ist ein sogenanntes Leitgestein, eine hier fremde Gesteinsart, deren Ursprungsort sich jedoch klar eingrenzen lässt. Das Vorkommen dieses aussergewöhnlich schönen Gesteins in den Bergen beschränkt sich auf die noch vorhandenen ungefähr fünf Kubikkilometer am Südhang des Allalinhorns nahe Saas Fee. Nicht nur seine Seltenheit, vor allem auch seine gleichzeitig hohe Variation machen den Stein zu etwas Besonderem. Die Allalin-Gabbros wie sie im Seeland zu finden sind, weisen unterschiedliche Körnung, Struktur und Färbung auf, sie faszinieren Geologen und Sammler mit ihren einzigartigen Mustern und ihrer Geschichte. Denn nicht nur die letzteiszeitliche Reise der Steine, anhand derer sich die Ausdehnung und Fliessrichtung der Gletscher rekonstruieren lassen, auch die Entstehungsgeschichte des Allalin-Gabbros machen ihn zu einem spannenden Zeugen der Erdgeschichte.

Als die Schweiz noch 
am Meer lag

Heute wisse man, dass die Ozeanbodenkruste grösstenteils aus Gabbro bestehe, dies weise im Falle des Allalin-Gabbro aus dem Wallis darauf hin, dass er ursprünglich Teil der Ozeanbodenkruste des Piemont-Ozeans oder Teil des Randes des ehemaligen Kontinents gewesen sein müsse, wie Meyer erklärte. Infolge des Zusammendriftens des afrikanischen und europäischen Kontinents wurden die Gesteinsmassen bis zu 100 km in die Tiefe gezogen, wo sie unter hohem Druck umgewandelt worden sind, deshalb spricht man beim Allalin-Gabbro von einem Metamorphit. Nach der Auffaltung der Alpen präsentierte sich dieses Umwandlungsgestein nun in seiner heutigen Form und vielfältiger Zusammensetzung. Hauptsächlich bestehen Allalin-Gabbros aus Calciumfeldspat, Augit und Olivin. Wegen seiner grünen Färbung wird er im Handel auch Smaragdit oder Smaragdit-Saussurit-Gabbro genannt, er findet auch als Schmuckstein Verwendung.

Blinde Passagiere in 
der Eiszeit

Gegenüber dieser mehrere hundert Millionen Jahre dauernden Entwicklung stellt die Geschichte der Reise dieser Findlinge und Gletschersteine nur einen kurzen Augenblick dar. Vor ungefähr 20 000 Jahren, während der letzten Eiszeit, lag die heutige Schweiz bis auf wenige hohe Gebirgsgipfel unter einer Eisdecke. Die vorherrschende Wetterlage brachte von den Ozeanen viele Niederschläge, die in Form von Schneemassen von Süden nach Norden zu strömen begannen. Verschiedene Eisströme aus den Walliser Tälern flossen vereint als Wallis-Gletscher Richtung Genfer Seebecken, wo sie aufgrund der enormen Masse des Gletschers aus dem Mont-Blanc-Gebiet ihre Richtung änderten, und sich zwischen Jura und Alpen einen Weg ins Mittelland bahnten. Sowohl verpackt in der Grundmoräne als auch an der Oberfläche des Gletschers reiste abgebrochenes Gestein mit den Schneemassen mit. So auch die Findlinge aus dem Seeland, die damals vom Allalinhorn herunter auf das Gebiet um Saas Fee gestürzt waren, und die nach dem Rückzug der Gletscher im Mittelland liegen geblieben sind.

Heute findet man nebst Allalin-Gabbros auch Vallorcine Konglomerate und Serpentine als stumme Zeitzeugen der letzten Eiszeit. Sie werden in Kiesgruben gefunden oder auf Äckern, wo der Boden sie, auch wegen der Bodenabsenkung in der Drei-Seen-Landschaft, nach und nach frei gibt.

Findlingspark am 
Bahnhof Ins

Nach den Referaten wurde beim Bahnhof Ins der neue Findlingspark eingeweiht. Der grüne Erholungsort, der umrahmt ist von besonderen Findlingen aus der Region, erfreue sich sowohl bei Pendlern als auch bei Spaziergängern grosser Beliebtheit, erzählte Gemeindepräsident Kurt Stucki. Dem emmentaler Eiszeitforscher Schlüchter widmete der Verein einen Findling. Der Geehrte wählte sich dafür ein rund 300 Millionen Jahre altes Vallorcine Konglomerat aus, denn der «Edelschotter mit gewissem Alter» gefalle ihm einfach. Nun wird dieser Stein, mit einer Plakette versehen, an Schlüchters Forschungs- und Lehrarbeit erinnern.

Stichwörter: Ins, Ackersteine, Seeland

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