Sie sind hier

Abo

Erlach

Als das Stedtli
 zu mehr Hygiene aufbrach

Deutlich weniger Luxus als heute: Vor 90 Jahren gab es im Schulhaus Erlach noch keine Toiletten für die Schüler. Ein Blick zurück.

Das Wappen von Erlach

Erlach steckt viel Geld in die Renovation der Schulhäuser. Fast acht Millionen Franken werden der Um- oder Neubau der Schulhäuser im Gostel (Kindergarten/Basisstufe) und im Märit (Unterstufe) kosten. Der hohen Kosten wegen fragte sich der Gemeinderat sogar, ob die ganze Sanierungsplanung abgebrochen werden solle. Das Schulhaus im Märit ist denkmalgeschützt, wie viele Gebäude in der Altstadt, im Stedtli oder im Gostel. Da kann nicht einfach nach Belieben umgebaut werden. Andere Möglichkeiten als dieses markante Haus einer kostspieligen Sanierung zu unterziehen, gibt es kaum. Das haben Prüfungen ergeben. Erlachs Bürger haben sich klar und deutlich für eine Sanierung, wie sie der Gemeinderat der Gemeindeversammlung vorgeschlagen hat, entschieden (das BT berichtete).


Früher waren die Sorgen andere
In der Erlacher Chronik findet sich eine Geschichte, geschrieben vom verstorbenen Erlacher Burger, Chronisten und Geschichtenschreiber Hermann Bönzli, die zur heutigen Situation nicht besser passen könnte.

Im Schulhaus gab es bis Anfang der 30er-Jahre zwar eine Lehrer-Toilette, aber noch keine Einrichtung für Schulkinder. «Notdürftige» hatten das Haus zu verlassen, um ihr «Geschäft» in der WC-Anlage – die diese Bezeichnung eigentlich nicht verdiente – im Schopf vis-à-vis zu verrichten. Beleuchtung und Heizung fehlten in diesem Raum. Zwei Durchbrüche ohne Fenster in der Aussenmauer liessen spärlich Licht hinein. Im Sommer stank es penetrant – angereichert durch herumschwirrende Schmeissfliegen. Auch im Winter – bei Bisenlage – war der Schopf kaum ein Ort für längere Sitzungen. Ein Spätheimkehrer, der dort im Rausch eingeschlafen war, konnte nur dank eines anderen Heimkehrers, der ein Röcheln vernommen hatte, vor dem Erfrierungstod gerettet werden. An der Gemeindeversammlung vom 7. September 1929 gab es eine erste Orientierung über den geplanten Schulhausumbau. Nur ein halbes Jahr später, an der Gemeindeversammlung vom 1. Februar 1930 stimmten die Erlacher einem Kreditbegehren von 15 000 Franken für eine Sanierung zu – unter der Bedingung, dass Erlacher Handwerker zu berücksichtigen seien.


Damals eine Seltenheit
Welch unsagbare Freude herrschte im Stedtli, als die neuen Aborte und auch die Dusch- und Badeanlagen zur Benützung freigegeben werden konnten. Nur in den wenigsten Häusern existierten Badeeinrichtungen. Eine in der Küche aufgestellte Sitzbadewanne grenzte damals an Luxus. Eher hiess es derb: «Nume e Souhung muess sech au Tag wäsche». Der alte Abortraum diente neu als Kohlenlager für den neuen Zentralheizungsofen. Tonnenweise führten die Bauern mit ihren Fuhrwerken Brennmaterial vom Bahnhof in Le Landeron zum Schulhaus im Märit. Lotti Studer

Nachrichten zu Seeland »