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Wandern

Auf den Spuren der Dinosaurier

Die Dinosaurierspuren bei Lommiswil gehören weltweit zu den bedeutendsten Funden ihrer Art. Vor Millionen von Jahren haben hier riesige Brontosaurier ihre Fussabdrücke im Boden hinterlassen. Ein Besuch, der die Fantasie anregt.

Auf der Dinosaurierplatte bei Lommiswil finden sich über 300 Fussabdrücke von den ausgestorbenen Riesen. Die Tritte wären besonders bei schräg einfallendem Licht gut zu sehen. Bild: Carmen Stalder
  • Dossier

von Carmen Stalder


Stellen Sie sich einen Sprungturm von drei Metern Höhe vor:So viel betrug die Hüfthöhe der kleineren Exemplare. Oder einen Kastenwagen von fünf Metern Länge: So viel legten sie mit einem Schritt zurück. Sie waren riesig, die Dinosaurier, die einst nahe dem heutigen Lommiswil herum trampelten. Ebenso unvorstellbar wie die gigantischen Ausmasse ist die Zeit, die seither vergangen ist. 145 Millionen Jahre ist es her, seit die pflanzenfressenden Brontosaurier hier gelebt haben. Die Tiere sind längst verschwunden. Doch ihre Spuren, die sind geblieben.

Eine Wanderung zu diesen Spuren beginnt beim kleinen Bahnhof Im Holz, welcher an der Zugstrecke Moutier - Grenchen liegt. Der Zug hält nur auf Verlangen, ein paar wenige steigen ein, fast niemand aus. Der Jura ist an diesem Novembermorgen in dicke Nebelschwaden gehüllt. Dazwischen blitzen frisch verschneite Nadelbäume hervor.

Auf dem 20-minütigen Fussmarsch zum Steinbruch schweifen die Gedanken ab zu den Dinosauriern. Man stellt sich vor, wie es wäre, wenn es plötzlich zu rascheln begänne und solch ein Ungetüm, zehnmal schwerer als ein Elefant, aus dem Unterholz auftauchte. Ob das Wesen einem wohl freundlich gesinnt wäre, schliesslich handelte es sich bei der hier vorkommenden Art ja nicht um fleischfressende Ungeheuer, oder ob es einen mit seiner schieren Grösse einfach zertrampeln würde?


Tropische Lagunenlandschaft
Bevor die Vorstellungen zu abwegig werden, ist auch schon die Dinosaurierplatte erreicht. Ein steil in die Höhe ragender Felsen, so gross wie eineinhalb Fussballfelder, auf dem sich hunderte von Saurierspuren befinden. Fussabdrücke von kleineren und grösseren Exemplaren, die mal schnell und mal gemächlich vorangeschritten sind. Dass diese Tritte heute noch sichtbar sind, ist mehreren Faktoren zu verdanken.

Wo heute die Platte liegt, dehnte sich einst eine weite, flache Lagunenlandschaft mit schlammigen Tümpeln aus. Bei tropischen Temperaturen stapften die Saurier durch den Schlamm und hinterliessen dabei ihre Abdrücke. Eine Algenschicht, die sich kurz darauf bildete, verhinderte die Zerstörung der Spuren durch spätere Flutwellen. Mit der Zeit legten sich weitere Ablagerungen darüber. Der dadurch entstehende Druck liess den Schlamm versteinern.

Mehr als 100 Millionen Jahre später wurde die Platte durch die Faltung des Juragebirges in die Höhe gehoben. Erst der Abbau des Solothurner Kalksteins brachte die Fährten an der Wand zum Vorschein. Die Steinbrucharbeiter bezeichneten die Spuren zuerst als Elefantentritte. 1987 stand dann fest, dass sie von Dinosauriern stammen. Heute gelten die Fährten weltweit als eines der bedeutendsten Vorkommen aus der Epoche des späteren Jura-Zeitalters. Im Steinbruch finden sich zudem Versteinerungen von Schnecken, Reste von Meereskrokodilen, Zähne von Haien und Bruchstücke von Meeresschildkröten.


Nur das Rascheln des Laubs
Von einer Holzplattform aus bietet sich ein guter Überblick über die Steinplatte. Schautafeln erklären die Entstehungsgeschichte und weitere interessante Fakten. So haben etwa die grössten Fussabdrücke einen Durchmesser von 120 Zentimetern. Leider lassen sich die Spuren nur aus der Ferne betrachten. Wegen Steinschlaggefahr darf die Platte nicht betreten werden. Wer den Spuren ganz nahe kommen will, muss deshalb ins Naturmuseum Solothurn ausweichen:Dort gibt es einen Abguss eines Dinofussabdrucks, in den sich Kinder hineinsetzen dürfen.

Mit den Gedanken bei den Urzeitechsen geht es weiter in den Wald hinein. Bei diesem grauen und kühlen Wetter sind die Wanderwege wie ausgestorben. Einzig die Säge eines Försters zerreisst ab und zu die Stille. Sonst sind da nur das Rascheln des Laubs und das Knacken der Zweige unter den Füssen.

Bei guter Fernsicht würde sich jetzt ein Abstecher auf die 1445 Meter hohe Hasenmatt lohnen – der Berggipfel ist die höchste Erhebung des Kantons Solothurn. An klaren Tagen bietet sich von dort ein prachtvolles Alpenpanorama, das vom Mont Blanc bis zum Säntis reicht. Der Weg durch den Wald hingegen ist angenehm unaufgeregt. Es muss beim Wandern ja auch nicht immer ums Gipfelbesteigen und um den möglichst abenteuerlichen Pfad gehen. Hier bekommen dafür die letzten gelben Blätter viel Beachtung, und der gurgelnde Bach, der den Weg kreuzt. Die Tour endet am Bahnhof von Selzach. Und wie könnte es anders sein, auch hier sind die Strassen wie leergefegt.

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Tipps zur Tour
- Dauer: Etwa 2,5 Stunden.
- Höhenmeter: Aufstieg etwa 300, Abstieg knapp 500 Meter
- Schwierigkeit: T1
- Ausrüstung: Turnschuhe
- Einkehren: Unterwegs keine Möglichkeiten bis Selzach.
- ÖV: Mit dem Zug via Moutier oder Solothurn West zum Bahnhof Im Holz nahe Lommiswil. Von dort sind es auf einem gut ausgeschilderten Weg 20 Minuten bis zu den Saurierspuren.

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