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Erlach

Aus wenig viel machen

Nach vielen Jahren als Arbeitnehmer wagt Pius Kurmann in Erlach den Schritt in die Selbstständigkeit. Was bietet der Ein-Mann-Betrieb an, was lässt sich aus alten Veloschläuchen konzipieren und warum hat sein Firmenwagen drei Räder?

Pius Kurmann in seiner kleinen Werkstatt. Der Firmenwagen ist bereit. Bilder: raz
Raphael Amstutz
 
Da steht sie – die Wäscheaufhängevorrichtung. Pius Kurmann hat sie aus alten Holzstühlen und gebrauchten Veloschläuchen gezimmert.
 
Das Werk sagt viel aus über den Zentralschweizer, der der Liebe wegen in Erlach gelandet ist: Aus Bestehendem entsteht etwas Neues, Funktionales und Kreatives, dabei wird möglichst kein neues Material verwendet und alles so einfach wie möglich gestaltet.
 
Nach vielen Jahren als Arbeitnehmer – unter anderem in der Bau-, Baumaschinen-, Holzindustrie- und Musikinstrumentenbranche und zuletzt während 14 Monaten in einer Käserei als Allrounder – und einer längeren Auszeit ist für Kurmann nun der Moment gekommen, um selbstständig zu werden. «Ich habe das nicht geplant, es hat sich einfach ergeben», sagt er. Der Wunsch sei zwar regelmässig aufgetaucht, doch er habe ihn immer wieder verdrängt. 
 
Flexibel sein
Als Kleinstbetrieb möchte der gelernte Maurer mit seinem dreirädrigen Lastenvelo – «das ist mein Firmenwagen» – in der Region Heimwerkerarbeiten erledigen. Der Fokus liegt dabei auf dem Werkstoff Holz. Aber auch Metall- oder einfachste Elektroarbeiten, «das, was erlaubt ist», wie Kurmann sagt, übernimmt er. Und er hat Erfahrung mit der Reparatur von Fahrrädern. «Viele Menschen fehlen Zeit und Talent für handwerkliche Arbeiten», so Kurmann. «Hier komme ich ins Spiel.»
 
Ob ein Möbelstück abgeändert, ein Gestell angepasst oder eine Vogelvoliere gebaut werden soll – Kurmann ist mit seinem Werkzeugkoffer zur Stelle. Er peilt Arbeiten an, «die in einem halben Tag erledigt sind. Abwechslung ist mir wichtig». 
 
Zudem will er lange Anfahrtswege vermeiden und er legt grossen Wert auf Recycling. «Ich schaue bei meinen Kundinnen und Kunden im Keller oder Estrich, ob ich aus Vorhandenem etwas machen kann, bevor neues Material gekauft wird.» Auf einen Satz gekürzt, bietet das Atelier Pius genau das: Aus wenig viel machen.
 
Konkurrenzieren tue er niemand. Die Aufträge, die ihm vorschweben, seien sogar für Firmen mit nur zwei Mitarbeitern zu klein. «Das, was ich mache, gibt es so noch nicht.»
 
Das meiste will der mobile Ein-Mensch-Betrieb gleich vor Ort erledigen. Es ist aber auch möglich, Arbeiten in seinem Atelier am Breitenweg auszuführen. Kurmann und seine Partnerin wohnen im auffälligen und hübschen «blauen Wöschhüsli» – «wohl eines der meistfotografiertesten Gebäude hier im Ort», wie Kurmann schmunzelnd erklärt.
 
Der Schritt in die Selbstständigkeit ist immer mit Unsicherheit verbunden. Kurmann weiss darum. Er begegnet ihr mit einer Mischung aus Pragmatismus und Zuversicht. «Mir bleibt nichts anderes übrig, als Vertrauen zu haben», sagt er. Ausserdem habe jede noch so grosse Firma einmal klein begonnen. Es brauche für jeden Neustart Mut. Zudem wisse er ja gar nicht, wohin die Reise gehe. «Vielleicht ergibt sich mit der Zeit aus meinen Aufträgen auch etwas ganz anderes als gedacht. Ich bin da offen.»
 
Er hat bereits Aufträge
Jetzt legt Kurmann aber zuerst einmal los. Das Logo, das seine Partnerin entworfen hat, gibt es bereits, die Website und der Auftritt in den Sozialen Medien werden dieser Tage vorbereitet. Bereits vor dem offiziellen Start sind die ersten Aufträge erledigt. «Meine Nachbarn sind wunderbar», sagt er. Er werde gerufen, wenn etwas schief sei und er werde gefragt, wenn es darum gehe, eine kreative Lösung zu finden. 
 
Seine breit gefächerten Fähigkeiten helfen ihm dabei: So hat Kurmann unter anderem als Baggerführer gearbeitet, er hat eine Ausbildung zum Klangtherapeut absolviert und als Keyboarder in Bands gespielt. 
 
Er sei vielseitig interessiert und dabei auch neugierig auf sich selber. «Ich frage mich immer wieder: Pius, was steckt eigentlich noch in Dir?»

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