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Rapperswil

Bauer betreibt illegal eine Baufirma

Vom Landwirt zum Bauunternehmer: Ein Gemeinderat betreibt seit beinahe 20 Jahren widerrechtlich eine Firma. Die Chronologie eines Dorfkonflikts.

Kleinbagger, Baumaschinen und 
Deponien: Hansjörg Räz’ Bauernhof 
hat sich mit 
den Jahren 
zum Bauunternehmen 
gewandelt.
 Bild: Nicole Philipp

Simone Lippuner

Es fing mit einem kleinen Bagger an. Noch vor knapp 20 Jahren hatte Hansjörg Räz aus Rapperswil ein paar Angestellte, die sporadisch irgendwo ein paar Äste sägten oder Drainagen verlegten. Mit diesen kleinen Bauarbeiten verdiente sich der Landwirt ein Zubrot, ohne dass die Umwelt im Weiler Wierezwil dadurch gross tangiert worden wäre.

Doch mit den Jahren wurde alles mehr. Die Aufträge. Die Maschinen. Die Mitarbeitenden. Rund um Räz’ Bauernbetrieb wuchs eine stattliche Baufirma mit 15 Angestellten heran – widerrechtlich, denn sein Grund und Boden befindet sich in der Landwirtschaftszone.

 

«Das ist doch absoluter Filz und Vetterliwirtschaft»

Im Umfeld begann sich Widerstand zu regen. Der immer grösser werdende Betrieb verursacht mehr Lärm und Emissionen. «Morgens treffen sich die Angestellten zu Fahrgemeinschaften, es ist ein riesiger Radau und Motorenlärm bereits in aller Früh, wenn die Bagger und Lieferwagen den Platz verlassen», sagt ein Anwohner, der nicht namentlich genannt werden will. Dieser beobachtet das Treiben seit Jahren und sagt: «Räz nutzt diese Parzelle und die sich darauf befindenden Gebäude illegal als Ausgangspunkt für Mitarbeitende und als Umschlagplatz für seine Baufirma.»

Das ist die eine Sache, die störend ist. Die andere: Hansjörg Räz (SVP) sitzt seit diesem Jahr im Rapperswiler Gemeinderat. Und die Gemeinde habe jahrelang einfach weggeschaut, sagt der Anwohner – nicht nur das, sie erteile Räz’ Firma sogar Bauaufträge. «Das ist doch absoluter Filz und Vetterliwirtschaft», sagt der Mann.

 

Ein Strafverfahren
ist am Laufen

Die Behörden schritten ein erstes Mal im Jahr 2009 ein. Damals fällte das Regierungsstatthalteramt einen Gesamtbauentscheid. Es verweigerte die Bewilligung für das Errichten eines Nebenbetriebs und untersagte die weitere Nutzung der Gebäude für den Garten- und Tiefbaubetrieb. Räz habe alle dafür nötigen Maschinen innerhalb von neun Monaten wegzuräumen.

Das ist nun über zehn Jahre her. Passiert ist seither nicht viel, ausser dass Räz versuchte, Zeit zu schinden. Aus den Unterlagen, aus denen die «Berner Zeitung» zitiert, ist ersichtlich, dass in regelmässigem Abstand neue Baugesuche, Verhandlungen, Verfügungen folgten. Doch Räz hielt sich nicht an die Auflagen, der Zustand veränderte sich nicht. 2013 teilte Hansjörg Räz der Gemeinde mit, er werde seine Firma nach Schüpfen übersiedeln. Was er teilweise tat – doch der Betrieb in Rapperswil lief weiter.

Erst vor zwei Monaten, Anfang Dezember, unternahm die Gemeinde konkrete Schritte. Sie hat Hansjörg Räz angezeigt. Zudem verfügte die kommunale Behörde die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands. Der Grundeigentümer muss bis Ende April alle Maschinen und Deponien geräumt haben. Zudem gilt ab sofort ein Benützungsverbot der Parzelle. Hält sich Räz daran? Nein.

 

Die Versäumnisse
der Vergangenheit

«Die Sache ist sehr schwierig», sagt Gemeindepräsidentin Jolanda Streun (VGP). Sollte Hansjörg Räz das verfügte Benützungsverbot missachten, müsse die Baupolizeibehörde einschreiten, sagt sie. Streun ist erst seit diesem Jahr Gemeindepräsidentin – mit dem Fall Räz hat sie ein schwieriges Dossier übernommen. Haben die Vorgänger bewusst weggeschaut? «Über die Rolle der Gemeindevertreter in früheren Jahren kann ich nichts sagen», so Streun. Aber in den vergangenen Monaten habe man mit Hochdruck an der Angelegenheit gearbeitet, auch erhalte Räz keine Aufträge von der Gemeinde mehr.

Rapperswil ist ein bürgerlich geprägtes Dorf mit einer starken SVP. Zur Partei gehört auch Jolanda Streuns Vorgängerin Christine Jakob, sie war 12 Jahre lang Gemeindepräsidentin. Über die Geschäfte und die Händel mit Hansjörg Räz sollte sie also bestens im Bild sein. Doch Jakob mag sich zur Sache nicht äussern – sie sei nicht mehr dafür zuständig, sagt sie lediglich.

Dann ist da noch die Sache mit Räz’ Gemeinderatsmandat. Wie glaubwürdig ist es, ein Mitglied im Kollegium zu haben, das seit Jahrzehnten illegal wirtschaftet und deswegen eine Strafanzeige am Hals hat? «Grundsätzlich ist er von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt worden», sagt Jolanda Streun. Ein Entscheid über ein weiteres Vorgehen diesbezüglich müsse im Gesamtgemeinderat gefällt werden.

 

Sind es bloss leere Versprechungen?

Hansjörg Räz verharmlost die ganze Angelegenheit. In einer schriftlichen Stellungnahme schreibt er, dass wegen der Vergrösserung des Betriebs in Schüpfen Baumaschinen, Traktoren und Autos in Rapperswil haben abgestellt werden müssen. «Da die Maschinen zum Teil auf beiden Betrieben eingesetzt werden, sind Verknüpfungen unumgänglich», steht im Schreiben.

Die Räz Rapperswil Bau AG habe seit Anfang dieses Jahres ­einen Pachtvertrag über eine ­Gewerbelandparzelle von 3000 Quadratmetern in Grossaffoltern. Dort werde eine Halle für Maschinen und Material errichtet, der Betrieb in Rapperswil werde bis zum gesetzten Termin Ende April dorthin ausgelagert.

Ob es diesmal klappt? Es scheint, Hansjörg Räz hat zum ersten Mal gar keine andere Wahl.

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