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Wahlen 19

Beatrice Simon bleibt überraschend im Regierungsrat

Im Wahlkampf hatte Beatrice Simon (BDP) stets gesagt, sie würde auch eine Wahl in den Nationalrat annehmen: Doch nun nimmt sie sich aus dem Rennen und bleibt Finanzdirektorin. Spitzmarke Lead

Statt ins Bundeshaus einzuziehen, bleibt Beatrice Simon nun doch bis 2022 im Berner Rathaus. Bild: Anne-Camille Vaucher

Deborah Balmer

Während der BDP-Kantonalpräsident Jan Gnägi am Sonntag trotz des schlechten Abschneidens von Beatrice Simon noch sagte, Simon trete im zweiten Wahlgang der Ständeratswahlen wohl eher nochmals an als nicht an, hatte man gestern die 180-Grad-Wende vollzogen. Kurz nach halb elf sagte Gnägi nämlich am Telefon: «Beatrice Simon verzichtet auf einen zweiten Wahlgang.» Danach entschuldigte er sich bereits wieder, weil er an eine Sitzung müsse. Einer kurz darauf verschickten Mitteilung der BDP war zu entnehmen, dass Beatrice Simon auch das Nationalratsmandat nicht annimmt. Denn Simon wolle sich weiterhin auf die Arbeit als Finanzdirektorin des Kantons Bern konzentrieren. Der abgewählte BDP-Mann Heinz Siegenthaler rückt nach (siehe Artikel rechts).

Das kommt deshalb überraschend, weil Simon im Wahlkampf stets betonte, sie werde, falls es mit dem Ständerat nicht klappen sollte, gerne in den Nationalrat einziehen. Auf Simon als Nationalrätin setzen immerhin 52 612 Wählerinnen und Wähler. Auch wenn sie bei den Ständeratswahlen abgeschlagen auf dem vierten Platz landete, den Einzug in den Nationalrat schaffte sie damit mit dem besten Resultat aller BDP-Kandidaten im Kanton Bern.

«Es ist mir schwergefallen»

Wie gross war das persönliche Dilemma für Beatrice Simon? Was sagt sie zum Vorwurf, dass ihre Glaubwürdigkeit nun beschädigt sei, weil sie doch im Wahlkampf stets sagte, dass sie auch das Amt im Nationalrat annehmen würde? Nach ihrem schlechten Resultat und der verlorenen Fraktionsstärke der BDP am Sonntag habe sie sich vom ersten Moment an überlegen müssen, wie es weitergehe, sagt Beatrice Simon. Schlussendlich habe es schnell gehen müssen mit einer Entscheidung, die man bis gestern Mittag habe kommunizieren müssen. Beatrice Simon gesteht: «Es ist mir schwergefallen, schliesslich wäre ich sehr gerne Ständerätin geworden.» Auch Nationalrätin habe sie werden wollen. «Aber als ich das sagte, ging ich immer davon aus, dass wir die Fraktionsstärke halten werden im Nationalrat», sagt sie. Die Ausgangslage sei nun aber am Sonntag plötzlich eine ganz andere gewesen.

Und nicht nur das: Die grüne Welle, die derzeit über die Schweiz ziehe, bedeute bei einer Regierungsratsersatzwahl eine Gefährdung für den bürgerlichen Sitz. Eine stabile bürgerliche Regierungsmehrheit im Kanton Bern sei von übergeordneter Bedeutung. Diese wurde im Jahr 2016 erreicht. Ihr geht es also mit ihrem Rückzug auch darum, den bürgerlichen Regierungsratssitz zu vereidigen. «Dieses Opfer, wenn man es so nennen will, habe ich nun gebracht», sagt Simon, die gestern zahlreiche Interviews geben und Telefonanrufe beantworten musste. Obwohl sie sich doch aus dem Rennen genommen habe, wie sie bereits wieder lachend sagte. Im Wahlkampf hatte sie einmal gesagt, dass sie ein paar Tage lang «hässig sein werde», wenn es mit der Ständeratswahl nicht klappen sollte. Gestern meinte sie: «Das war tatsächlich so, nun ist das Stimmungsbarometer aber schon fast wieder ganz oben.»

Zahlreiche SMS und E-Mails habe sie gestern erhalten. Viele Bürgerliche hätten sich für ihre «staatsmännische Reaktion» bedankt, ihr geschrieben, dass sie ihren Einsatz für die bürgerliche Mehrheit im Regierungsrat schätzen würden.

Sie bleibt dabei: Im Regierungsrat wird für die Finanzdirektorin nach drei Legislaturen Schluss sein. Das ist 2022 der Fall.

«Einfluss ist geschrumpft»

«Die Situation ist für die BDP nach dem Wahlsonntag eine ganz andere», sagt auch Jan Gnägi. Der Einfluss in der nationalen Politik sei mit nur noch drei Nationalräten massiv geschrumpft. Beatrice Simon als Einzelkämpferin im Nationalrat hätte keinen Sinn gemacht. Deshalb wolle man sich nun auf die kantonale Politik konzentrieren. «Das ist wichtiger, als auf Teufel komm raus auf die Ständeratswahl zu setzen», sagt Gnägi.

Doppelangriff von Links und Rechts

Die Ausgangslage für den zweiten Wahlgang bei den Ständeratswahlen am 17. November bleibt so oder so spannend: Sowohl das linke als auch das rechte Lager setzt auf einen Doppelangriff. Die Linke tritt mit dem Bisherigen Bieler Hans Stöckli (SP) und mit der Bernerin und Grünenpräsidentin Regula Rytz (Grüne) an. Eine frühere Rückzugsvereinbarung kommt nicht zum Zuge. Zu gut ist das Resultat von Regula Rytz. Stöckli und Rytz verpassten zwar beide das absolute Mehr, landeten aber auf den beiden ersten Plätzen. Man nutzt also die Gunst der Stunde und tritt mit beiden Gewinnern des vergangenen Wahlsonntags an.

Auch die Bürgerlichen kämpfen mit einem Doppelticket um einen Sitz im Stöckli: Sie treten mit SVP-Kantonalpräsident Werner Salzmann, er belegte am Sonntag den dritten Platz, und der FDP-Frau Christa Markwalder an. Auf dieses Duo haben sich die BDP, EDU, FDP und SVP geeinigt, hiess es gestern.

Es sei taktisch stets besser, zwei statt nur einen Namen auf der Liste zu haben, sagt Salzmann.

«Kontinuität und Wandel»

Auf diese Taktik setzt auch Rot-Grün, die mit dem Motto «Kontinuität und Wandel» in den zweiten Wahlgang steigen. Stöckli setzt auf Kontinuität, während Rytz für den politischen Wandel steht. Der Wahlsonntag habe die Schweiz und auch den Kanton Bern verändert, teilten die Grünen und die SP gestern mit. Man verstehe das Resultat des ersten Wahlgangs als Auftrag des Stimmvolkes, auch an der Stichwahl mit beiden Kandidaten anzutreten.

Bei der Medienkonferenz gestern Mittag im Bundeshaus sagte Hans Stöckli, er wolle auch den Frankophonen im Kanton Bern weiterhin eine Stimme geben. Er sprach damit auf die Abwahl des bernjurassischen Nationalrats Manfred Bühler (SVP) an, seit der es aktuell keinen Berner Romand mehr im Nationalrat.

Alle Bürgerlichen sassen zusammen

Mit dem Zweierticket wollen die Bürgerlichen nicht nur Rot-Grün etwas entgegenstellen, sie versuchen, damit auch die ganze bürgerliche Wählerschaft zu mobilisieren. Und wie fiel der Entscheid mit der BDP? Werner Salzmann (SVP) sagt, man sei am Montag mit allen bürgerlichen Parteien zusammengesessen und habe dann aufgrund «des derzeitigen politischen Klimas» Beatrice Simon nahe gelegt, sich zurückzuziehen. Ihren definitiven Entscheid habe die BDP dann gestern Morgen mitgeteilt.

Bei der BDP ist man sich der schweren Aufgabe bewusst, vor der man steht. «Es ist keine Sternstunde für uns, aber wir sind sicher auch kein Stern, der gerade verglüht», sagte Jan Gnägi dann gestern noch.

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Und wieder rutscht er nach

 Anstelle von Beatrice Simon rückt nun Heinz Siegenthaler für die BDP in den Nationalrat nach. Das hat der Landwirt aus Rüti bereits dreimal mitgemacht.

Heinz Siegenthaler aus Rüti hat in den letzten drei Tage ein Wechselbad der Gefühle erlebt. Am Sonntagabend stand fest, dass die Berner BDP einen Sitz im Nationalrat verliert und Siegenthalter somit nicht wiedergewählt wird. Der 64-jährige Landwirt war enttäuscht und hat mit seiner politischen Karriere abgeschlossen – vorerst. Am Tag darauf sprachen ihm seine Kollegen und Freunde ihr Mitgefühl aus. Doch am späten Abend vernahm Siegenthaler, dass die Regierungsrätin am Dienstag entscheiden wird, ob sie erneut für den Ständerat kandidiert – und für Siegenthaler noch wesentlicher: Ob sie die Wahl in den Nationalrat annimmt.

Zwischen Hoffnung und Trauer

Siegenthaler begann erneut zu hoffen, ist er doch aufgrund des Sitzverlustes der BDP auf den Nachrückplatz gewählt worden. «Es begann eine Zeit, in der ich mich in einem schwierigen Zustand befand. Ein Hin und Her, von Trauer zu Hoffnung.» Und nicht nur er habe gelitten, sondern auch sein Umfeld. Siegenthaler wusste zwar, dass Simon ihren Entscheid gestern Mittag bekannt geben wird, jedoch nicht den genauen Zeitpunkt. So kam es, dass er gerade auf seinem Traktor in Rüti unterwegs war, als er durch die Medien von Simons Entscheid erfuhr. Mangels Lesebrille sei er sich jedoch nicht ganz sicher gewesen, ob er die Zeilen nun richtig gedeutet habe. Zurück daheim wurde seine Annahme dann aber bestätigt: Simon nimmt die Wahl als Nationalrätin nicht an, kandidiert auch nicht erneut für den Ständerat, sondern will weiterhin als Regierungsrätin politisieren.

So hiess es für Siegenthaler wieder einmal: nachrücken. «Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen», sagt er. Für ihn ist klar, dass er die Wahl annehmen und weitere vier Jahre im Nationalrat verbringen wird. Unmittelbar nach der Entscheidung kontaktierte er seine Frau und einen seiner Söhne, der gerade den Militärdienst absolviert. Auch sie hätten sich über diesen Entscheid gefreut.

Arbeit geht nahtlos weiter

Für Siegenthaler ist es bereits das dritte Mal, dass er bei den Nationalratswahlen auf der Ersatzbank landet, vor vier Jahren ebenfalls aufgrund eines Sitzverlustes der BDP. Und jedes Mal ist er im Lauf der Legislaturperiode nachgerückt. Insgesamt war er bisher vier Jahre in der grossen Kammer. Bei den diesjährigen Wahlen kann er jedoch zum ersten Mal im Nationalrat sitzen bleiben.

Heinz Siegenthaler ist erleichtert. Nun wird er die angefangenen Vorarbeiten für das Budget in der Finanzkommission auch weiterhin verfolgen und abschliessen können. «Die letzten Sitzungen in der Kommission wären wohl schwierig für mich geworden, im Wissen, dass ich bald gehen müsste», sagt der BDP-Politiker. Zudem gebe ihm die Wiederwahl auch Sicherheit für seine berufliche Zukunft. Denn im nächsten Jahr wird Siegenthaler pensioniert. Auf seinem Hof weitermachen werde er trotzdem. Sein Projekt, sich auf den Anbau von Hanf zu spezialisieren, hat er in den vergangenen Jahren vorangetrieben und sich vor Kurzem eine eigene Öl-Presse angeschafft. Damit wird er voraussichtlich im nächsten Jahr Speise-Hanföl produzieren. Dieses nutzte er heuer bereits als Werbegeschenk im Wahlkampf, jedoch noch nicht aus seiner eigenen Presse. Im Nationalrat wird er sich auch weiterhin für die Anliegen der Landwirte einsetzen. «Und nun kann ich mich auch wieder richtig auf die nächste Kommissionssitzung freuen», sagt er. Hannah Frei

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