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Fahrzeugmarkt

Bei den Wohnmobilen stockt es

Wer sich ein Zuhause auf vier Rädern kaufen oder mieten will, muss Geduld haben: Wohnmobile und Zubehör sind Mangelware. Das hat auch Auswirkungen auf die Preise.

Ein Experte in Sachen Wohnmobile: Martin Antener hat sich schon früh auf die Reparaturen und den Umbau von Campern spezialisiert. Bild: Matthias Käser

Manuela Habegger

Morgens ist bereits reges Treiben bei den Mechanikern von Martin Antener in Brügg zu beobachten. Dort stehen gerade zwei typisch weisse Wohnmobile, ein Militärgeländewagen mit aufgebautem Zuhause oder ein hier weniger geläufiger langer silberner Wohnanhänger, der in den Staaten weit verbreitet ist: «Die kommen eigentlich aus dem Flugzeugbau», erklärt der Geschäftsinhaber. Er hat sich schon früh auf Arbeiten an Wohnmobilen spezialisiert – und macht auch die selbst gebauten Konstruktionen prüfbereit. «Wir montieren beispielsweise Luftfedern oder Hupstützanlagen, um die Nutzlast zu erhöhen oder den Wagen im Gelände ausnivellieren zu können, oder machen die ganzen Verkabelungen, bauen Gasanlagen ein und montieren Solaranlagen.»

Als Fiat-Vertretung kann er zudem bei rund 80 Prozent der Wohnmobil-Marken die Service- und Garantieleistungen machen: «Fiat hat vor ein paar Jahren ein Chassis entwickelt, das sich bei den Wohnmobil-Herstellern bewährt hat», sagt der Experte. Neben Nutzfahrzeugen für das Gewerbe erledigen er und sein Team heute zu 60 Prozent Arbeiten an Wohnmobilen, Wohnanhängern oder Eigenkreationen.

Und weil Camping-Ferien seit Ausbruch der Pandemie dermassen im Trend sind, haben auch bei ihm die Wohnmobilkunden stark zugenommen. Und zwar so stark, dass er von Biel in eine grössere Werkhalle nach Brügg ziehen und einen weiteren Mechaniker anstellen konnte: «Der Camper-Zuwachs ist enorm.»

Umstieg auf Wohnwagen

Einige der neuen Wohnmobile vermitteln Jan und Jasmin Jäger aus Bettlach. Sie sind mit Jäger’s Wohnmobile bereits seit 13 Jahren in der Region tätig. Der Familienbetrieb hat in diesem Pandemiejahr seinen Umsatz um etwa 30 Prozent steigern können: «Wir hätten noch mehr verkaufen können, aber die Produktion bei den Herstellern hinkt nun hinterher», erzählt Jan Jäger. Die erhöhte Nachfrage liesse sich im Moment nicht mehr bedienen. «Wir konnten noch zehn Wohnmobile unserer Marke Knaus Weinsberg bestellen, davon sind aber schon jetzt acht reserviert. Dann müssen wir zuwarten», sagt er.

Den Materialengpass bei den Herstellern spürt er auch im Zubehörladen: «Die Hersteller können auch hier die Lieferfristen nicht mehr einhalten, gerade akut bei den Fenstern. Und wenn die Ware so lange nicht kommt, dann verzichten die Kunden auf ihre Bestellung und wir zahlen das Geld zurück. Das wirkt sich natürlich auf das Geschäft aus.»

Die schleppende Fahrzeugproduktion bestätigen auch Dürrenmatts aus Grenchen: «Wir konnten noch Wohnmobile unserer italienischen Marke XGO bestellen. Aber Lieferfristen garantieren sie keine mehr. Von anderen Marken weiss ich, dass man aktuell keine mehr kriegt», sagt Astrid Dürrenmatt. Der Familienbetrieb schafft sich im Jahr rund 20 bis 30 neue Ausstellungs- und Verkaufsmobile an. «Beim Einkauf liegen wir nun schon ein halbes Jahr zurück. Wir sind deshalb ins Geschäft mit Wohnwagen eingestiegen und können diese gut absetzen», erklärt die Mitinhaberin. Im Vergleich zu Wohnmobilen, die es ab 50 000 Franken zu kaufen gibt, ist ein Wohnwagen ab 20 000 Franken preiswerter. «Für einige Kunden ist das die bessere Wahl, wenn sie etwa flexibel bleiben wollen, um mit dem Auto ohne Anhänger herumzufahren», sagt sie.

Harzt der Einkauf, läuft es dafür im Mietgeschäft rund: «Die Mietcamper sind sehr gut gebucht. Es gibt viele Leute, die noch nie mit dem Camper verreist sind und erst einmal das Reisen im Wohnmobil ausprobieren wollen», sagt Jan Jäger. Auch bei Dürrenmatts stehen die Mietwagen praktisch nie mehr in Grenchen: «Seit letztem Jahr, als die Campingplätze wieder öffneten, sind unsere fünf Mietfahrzeuge durchgebucht. Anfragen hätten wir ungefähr das Drei- bis Vierfache», sagt Astrid Dürrenmatt.

Wie sich nun zeigt, sind sich die Neucampierer das Fahren mit den grossen Vehikeln noch etwas weniger gewohnt: «Die Stellplätze sind aktuell so stark zugeparkt, dass die Fahrwege eng sind. Wir haben deshalb deutlich mehr Schäden an den Wohnmobilen als die Jahre zuvor, vor allem bei den Neulingen», sagt sie. Dass mit der Pandemie auch viele ehemalige Hotelbuchende in die Campingwelt gestossen sind, das spüren auch die Verkäufer: «Sie haben natürlich ganz andere Fragen als unsere Stammgäste. Wir müssen hier viel mehr beraten und aufklären. Zudem haben sie auch andere Vorstellungen, was die Innenausstattung anbelangt. Man möchte quasi das Hotelzimmer abbilden», sagt Jan Jäger. So habe er sich beispielsweise exklusive Tische und Stühle angeschafft.

Weniger Selbstbauten

Trotz der starken Nachfrage sind die Preise bei den Neuwagen und Mietcampern nicht stark gestiegen, sagen die Anbieter: «Man will ja auch faire Preise anbieten und nicht die Kunden verärgern», sagt Jan Jäger. Wo die Preise stark gestiegen sind, ist auf dem Occasion-Markt: «Die Anbieter von gebrauchten Campern können aktuell viel verlangen. Der Markt ist völlig ausgetrocknet», sagt Astrid Dürrenmatt. Laut Jan Jäger sind Occasion-Modelle momentan um rund 20 bis 30 Prozent überteuert.

Eine Option ist, ein Lieferwagen selbst umzubauen: «Erstaunlicherweise habe ich solche selbst umgebauten Busse und Lieferwagen jedoch viel seltener als noch vor zehn Jahren. Ich weiss nicht, ob die Leute nicht mehr so affin sind im Selberbauen – oder ob viele gemerkt haben, dass das dann auch schnell mal an die 50 000 Franken kosten kann», sagt Martin Antener. Man müsse im gesetzlichen Rahmen bleiben, das stelle Bedingungen beispielsweise an die Stabilität. Man könne nicht einfach Fenster herausschneiden oder nach Gutdünken Gasanlagen einbauen.

Bei ihm in der Garage steht gerade ein umgebauter Kastenwagen aus Basel: «Der Inhaber hat ein Problem mit dem Einbau der Solaranlage und keine Garage gefunden, die das macht», sagt Antener. Mit seiner Garage ist er weit herum die Einzige, der Camper in vollem Umfang betreuen kann: «Es braucht dazu auch genug Raumhöhe, andere Lifte und nicht zuletzt Mechaniker, die Erfahrung damit haben», sagt Martin Antener. «Und wir sind schon lange im Geschäft, konnten uns die Erfahrung aufbauen.»

Wer Fragen an den Experten hat, trifft Martin Antener am «Swiss Caravan Salon» Ende Oktober in der Bern-Expo-Halle.

 

 

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Der Camper-Boom

  • Im Jahr 2019 wurden gemäss Bundesamt für Statistik in der Schweiz 5317 Wohnmobile 
neu zugelassen und damit knapp 20 Prozent mehr als im Vorjahr.
  • Im Pandemiejahr 2020 kamen 6691 Wohnmobile dazu – bereits 26 Prozent mehr als 2019.
  • Im laufenden Jahr wurden bis August rund 6350 Wohnmobile neu eingelöst (+27,5 Prozent gegenüber der Vergleichsperiode 2020).
  • Der Bestand an Wohnmobilen in der Schweiz ist damit seit 2010 bis heute von rund 22 500 auf mehr als 77 500 Wohnmobile angewachsen.
  • Dass der Trend im nächsten Jahr anhalten wird, dürfte gemäss der Vereinigung Auto-schweiz schon wegen der Produktionsengpässe bezweifelt werden. mha

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