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Täuffelen-Gerolfingen

«Beim Gemeindepräsidenten muss man sich Luft machen können»

Der bisherige Finanzvorsteher Adrian Hutzli steht seit 100 Tagen an der Spitze der Gemeinde Täuffelen-Gerolfingen. Im neuen Gemeinderat fehlt ihm «Stoub uf dr Lunge».

Einst kam er als Tennisspieler in die Zeitung, heute als Politiker: Adrian Hutzli ist der neue Hausherr im Gemeindehaus von Täuffelen-Gerolfingen. Peter Samuel Jaggi

Beat Kuhn

Wenn Adrian Hutzli in jungen Jahren für die Lokalpresse fotografiert wurde, war es für den Sportteil. Denn er war ein guter Tennisspieler, einer von lediglich ein paar hundert auf dem Niveau R2 in der Schweiz. Jetzt hingegen wird ein Foto für den Regionalteil gemacht: Der FDP-Politiker ist seit 100 Tagen Gemeindepräsident von Täuffelen-Gerolfingen. Als es vom Fototermin draussen zum Interview im Gemeindehaus gehen soll, merkt Hutzli, dass er den Schlüssel drinnen vergessen hat, und muss läuten, weil die Verwaltung an diesem Morgen eigentlich nicht geöffnet hat. Das passiere ihm nicht zum ersten Mal, gibt er zu. Denn seine Amtsschlüssel hängen nicht an seinem privaten Schlüsselbund in der Hosentasche – für den Fall, dass er diesen mal verliere, wie er sagt, also nicht um das Privatleben vom Amt zu trennen. Im Gegensatz zum Gemeindehaus als Ganzem ist das Büro für den jeweiligen Gemeindepräsidenten ziemlich klein – vielleicht damit dieser auf keinen Fall in Versuchung kommt, sich grösser zu fühlen, als es der Bevölkerung lieb ist.

«Man kennt mich gar nicht im Dorf»
Als Mitglied des Gemeinderates ist Hutzli alles andere als ein Neuling, denn er war sechs Jahre lang Finanzvorsteher, bevor er nun Andreas Stauffer (SP plus) an der Spitze abgelöst hat, der nach drei Legislaturperioden nicht wieder antreten durfte. Doch: «Als Gemeindepräsident habe ich eine völlig andere Rolle.» Vorher habe er dafür sorgen müssen, «dass die Kasse stimmt», jetzt habe er eine übergeordnete Funktion, die quasi «noch etwas mehr strategisch» sei als die einzelnen Gemeinderatsressorts. Neben den Sitzungen des Gemeinderates leite er auch jene der Bootshafenkommission. Zudem sei er Personalchef des Gemeindeverwaltungskaders. Öffentlich tritt er aber natürlich am meisten in Erscheinung, wenn er eine repräsentative Aufgabe wahrnimmt.

Bei den Wahlen im September erzielte Hutzli ein Glanzresultat und stand schon nach dem ersten Wahlgang als Gemeindepräsident fest, obwohl er mit Emanuela Schneeberger (SVP, bisher) und Lukas Weiss (SP plus, neu) gleich zweifache Konkurrenz hatte. Dies habe er den vielen Leuten zu verdanken, die ihn «massiv unterstützt» hätten, meint er bescheiden. Sein Bekanntheitsgrad sei nämlich gering: «Ich würde sogar sagen, man kennt mich gar nicht im Dorf.» Erst 2006 zugezogen, sei er weder in ortsansässigen Vereinen aktiv noch arbeite er im Ort. Geholfen habe ihm vielleicht, dass er das trockene Thema Finanzen an den Gemeindeversammlungen jeweils verständlich und interessant präsentiert habe, wie er in Rückmeldungen gehört habe. Und nicht zuletzt traue man ihm das Amt offenbar zu, weil er Geschäftsführer ist, konkret der Informatikfirma Intersys in Solothurn, deren Verwaltungsrat und Mitbesitzer er auch ist. «Ich war aber schon erstaunt über die Klarheit des Wahlausgangs.»

Kommunikation als Schwerpunkt
«Extrem wichtig» sei ihm die Kommunikation, betont Hutzli. So hat er zum Beispiel bereits Amtskollegen aus den umliegenden Gemeinden zu einem Austausch eingeladen. Auch wollte er von der Redaktion des «Bieler Tagblatt» wissen, was sie von der Gemeinde erwarte. An den bis jetzt acht wöchentlichen Sprechstunden seit Anfang Februar seien sieben Personen vorbeigekommen, bilanziert er. Weit öfter werde er allerdings auf der Strasse angesprochen oder telefonisch kontaktiert. Im Übrigen sei für einen grossen Teil des operativen Geschäftes gar nicht er zuständig, sondern die Gemeindeverwaltung.

Es sei auch schon vorgekommen, dass er Bürger, die sich bei der Verwaltung schriftlich über etwas beschwert hätten, zu einem Gespräch eingeladen habe. Denn so könne er diesen gegenüber wenigstens zum Ausdruck bringen, dass er ihren Unmut verstehe, etwa über eine von einem Nachbarn verbaute Aussicht. Ihnen zu sagen, dass etwas doch gar nicht so schlimm sei, bringe hingegen nichts. «Beim Gemeindepräsidenten muss man sich Luft machen können», sagt Hutzli, «denn wohin sollen die Leute sonst gehen?» Sich abgrenzen sowie zuhause abschalten zu können, habe er in seiner beruflichen Tätigkeit gelernt.

Etwas nach links gerückt
Sowohl in seinem Job als auch in der Politik ist Hutzli ein überzeugter Teamplayer. Denn: «Es braucht immer ein Team, um etwas zu bewegen.» Auch in seiner neuen politischen Funktion sieht er sich als «Teammitglied des Gemeinderates». Allerdings könne er durchaus entscheiden, wie er betont. Ihm sei in der Vergangenheit gelegentlich der Vorwurf gemacht worden, er sei entscheidungsschwach. Wenn er den betreffenden Kritiker dann aber nach konkreten Beispielen gefragt habe, sei nur Unwesentliches genannt worden. «Ich habe auch schon zu schnell entschieden», meint er.

Drei der sieben Gemeinderatsmitglieder sind neu: Lena Willi-Tobler von der sogenannten Frauenliste, Lukas Lüscher (FDP) und Lukas Weiss (SP plus). Das Kräfteverhältnis hat sich zwar nicht geändert, weil sich weiter vier Bürgerliche und drei Linke gegenüberstehen. Nach Hutzlis Einschätzung hat sich die Exekutive aber etwas nach links verschoben. Allerdings glaubt er nicht, dass sich das auf Beschlüsse spürbar auswirken wird. Er selbst sieht sich «politisch in der Mitte», sagt der Freisinnige, auch wenn er «durchaus wertkonservativ» sei. Die Parteipolitik spielt im Gemeinderat allerdings eine minime Rolle. So hat er in seinen bislang sechs Jahren in dem Gremium kaum je Abstimmungen erlebt, bei denen er den Eindruck hatte, es werde parteipolitisch abgestimmt. Grundsätzlich stehe eben anderes im Vordergrund: «Wir müssen ganz konkrete Aufgaben lösen, die sich stellen.»

«Zu gut ausgebildet»
Eine gute Ausbildung gilt in unserer Gesellschaft gemeinhin als erstrebenswertes Ziel. Diesbezüglich sieht Hutzli bei der neuen Exekutive allerdings ein Problem: «Jetzt sitzen fast zu viele gut ausgebildete Leute im Gemeinderat», meint er. Dessen Durchmischung entspreche nicht dem Durchschnitt der Bevölkerung, «die meisten von uns haben gewisse Probleme nicht, die andere haben». Darum bestehe die Gefahr, «dass wir am Volk vorbei regieren». Es würden Berufe mit «Stoub uf dr Lunge» fehlen, wie Gölä in einem seiner Lieder singe, zum Beispiel ein Arbeiter. Im vormaligen Gremium war mit Ulrich Rohrbach ein SBB-Angestellter von der Front vertreten gewesen. Lukas Weiss hingegen ist Kulturschaffender mit einem akademischen Hintergrund, und Lena Willi-Tobler ist Umweltwissenschaftlerin. Lukas Lüscher ist wie Hutzli Geschäftsführer.

Ein weiteres Manko sieht der neue Gemeindepräsident darin, dass jetzt alle in den 40ern und 50ern seien, dass unter 35-Jährige und Rentner fehlen. Hutzli selbst ist 56 und findet, es sei «ein Vorteil des Alters», dass man immer ruhiger werde. «Wenn mir früher jemand etwas sagte, das mir nicht passte, habe ich gleich Paroli geboten – inzwischen habe ich wesentlich mehr Gelassenheit entwickelt.»

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