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Mai-Hochzeit

Beim Jawort hat es geblitzt 
und gedonnert

Die standesamtliche Trauung von Nell und Tom Dürst aus Dotzigen wurde 
von atmosphärischen Störungen begleitet. Interpretiert haben sie diese völlig gegensätzlich.

Nell und Tom Dürst in ihrem romantischen Garten, in dem sie nach dem Standesamt mit 80 Familienmitgliedern, Bekannten und Nachbarn feierten. Bild: Yann Staffelbach

Beat Kuhn

In seinem Taufbüchlein steht Thomas Dürst, im ihrigen Nelly Schori. Aber weil das «uralt» töne, nennt sich die 62-Jährige Nell und der 63-Jährige Tom. Die beiden haben sich 1994 kennengelernt, aber erst 15 Jahre später geheiratet. Eine Eheschliessung habe für sie eben nicht im Vordergrund gestanden, begründen sie diese lange Dauer. Aus erbrechtlichen Gründen hätten sie es aber schliesslich doch getan. Beide waren zuvor schon einmal verheiratet und haben Kinder aus erster Ehe: sie eine Tochter, er zwei Söhne. Alle drei sind erwachsen.

Am 8. Mai 2009 – wie üblich einem Freitag – fand auf dem Standesamt Büren die Ziviltrauung statt. Das sei wohl eine der letzten Hochzeiten im altehrwürdigen Schloss Büren gewesen, mutmasst Tom. Denn ab dem 1. Januar 2010 konnte nur noch in Biel und Aarberg geheiratet werden, wo die Regierungsstatthalterämter der zwei Verwaltungskreise je ihren Sitz haben. Am Morgen jenes Tages sei es ausgesprochen heiss gewesen, erinnert sich Nell, dann seien aber Gewitterwolken aufgezogen.

 

Für ihn Bestätigung, für sie Protest

Eine erste Besonderheit der Trauung war laut Tom, dass der Kugelschreiber der Standesbeamtin den Geist aufgab. Der Trauzeuge half aus, und mehrere Minuten fachsimpelten die beiden über Kugelschreiber. Dann wurde als Erster er gefragt, ob er heiraten wolle, anschliessend sie. Just in dem Moment, als sie «Ja, ich will!» sagte, schlug direkt neben dem Schloss ein Blitz ein, und in der gleichen Sekunde folgte ein Donnerknall. «Dieser war so enorm laut und das Licht so gleissend hell, dass der Blitz in die Aare eingeschlagen haben muss», ist Tom überzeugt. Davor und danach habe es während dieses Gewitters nur noch entfernt geblitzt und gedonnert. Die Wirkung des Naturereignisses sei enorm gewesen, «mehr, als es 100 Fanfarenstösse oder Salutschüsse vermocht hätten», so Tom. «Das Timing war magisch.»

Die Interpretation dieses Donnerschlags durch die Eheleute könnte unterschiedlicher nicht sein. So sieht Tom diesen als «himmlisch-göttliche Bestätigung» ihrer Verbindung, obwohl keine kirchliche Hochzeit folgte – juristisch zählt für eine Ehe ausschliesslich die standesamtliche Trauung. Nell empfand den Knall hingegen als schlechtes Omen: «Ich hatte das Gefühl, da protestiere irgendjemand und wolle sagen: Nein, das kommt nicht in Frage!»

 

Immer wieder die Acht

Nach dem Akt im Standesamt, bei dem nur die Trauzeugen und wenige Gäste zugegen waren, offerierten die Frischvermählten 80 Familienmitgliedern, Bekannten und Nachbarn im Garten ihres Hauses in Dotzigen ein Apéro Riche. Keine Hochzeitslocation hätte schöner sein können, denn der Garten des alten Bauernhauses ist ein wildromantischer Traum, «den alle immer bestaunen, aber keiner haben und pflegen möchte», so Nell. Das eigentliche Hochzeitsfest mit 60 Freundinnen und Freunden, das genau drei Monate später, am 8. August, stieg, ging hingegen im Schlössli Dotzigen und in ihrem Haus über die Bühne. Dazwischen, am 8. Juli, lag dann auch noch der 50. Geburtstag von Nell. Und die Wohnadresse des Paars ist Bürenstrasse 8.

Nicht kirchlich geheiratet haben die beiden übrigens nicht aus Prinzip, sondern weil der befreundete Pfarrer, den sie dafür wünschten, nicht bereit war, ihnen den Segen zuhause zu geben. «Es ist Pfarrpersonen zwar nicht verboten, Trauungen ausserhalb der Kirche vorzunehmen, aber sie machen es eher ungern», so Tom. Er kennt sich aus, denn er war rund 20 Jahre lang Katechet: In den reformierten Kirchgemeinden Diessbach, Gottstatt in Orpund sowie Rapperswil hat er Jugendliche in den christlichen Glauben eingeführt.

 

Weder kirchlich noch atheistisch

Dass er heute Ritualbegleiter ist, sei keine Abkehr von der Kirche, stellt Tom klar: «Die Bibel hat durchaus eine Bedeutung für mich.» Er habe diese Aufgabe auch nicht gesucht, sondern sei darum gebeten worden, Hochzeiten beziehungsweise primär Abdankungen zu zelebrieren. Eine grosse Rolle hat bei diesem Wunsch sicher gespielt, dass Tom nicht nur ein erfahrener Katechet ist, sondern auch «gut reden» kann, wie man so sagt. Beide Arten von Ritualen – Abdankungen wie Hochzeiten – führt Tom zumeist im Freien durch. Als kirchlich gelten solche Feiern zwar nicht, weil er nicht Pfarrer ist, in der Form lehnen sie sich aber an das jeweilige christliche Pendant an. So gehört zu seinen Hochzeiten beispielsweise «der obligate Kuss, wie man ihn aus jedem Hollywood-Film kennt, gefolgt von Applaus», so Tom. Die inhaltlich sehr absolute Formel «... bis dass der Tod euch scheidet» höre man von ihm hingegen nicht. Seine Ritualbegleitungen seien weder klassisch christlich noch atheistisch, sondern etwas dazwischen, hält er fest. Gebucht werde dieses Angebot von Menschen, die aus irgendwelchen Gründen ein Problem mit der Kirche hätten.

 

Frittierte Brennesseln

Seit 1999 wohnt das Paar im alten Bauernhaus an der Bürenstrasse 8. Bis in die 50er-Jahre wurde dieses für seinen ursprünglichen Zweck genutzt, dann lange als Schreinerei und schliesslich als Papeterie. Den bereits existierenden Laden haben die zwei umgebaut und verkaufen darin nun Wohn- und Gartenaccessoires. «Vom Lädeli allein könnten wir allerdings nicht leben», macht Nell klar. Darum haben sie noch andere Standbeine: Nell betreut nebst dem Laden ein Catering, für das sie auf Wunsch das eigene Wohnzimmer in eine Gaststube umwandelt. Eine Spezialität, die sie anbietet, sind frittierte Brennnesseln: «Da wollen dann immer alle wissen, ob sie trotzdem noch jucken.» Tom betätigt sich neben seinen Ritualbegleitungen auch als Steinbildhauer und Liedermacher. Zudem betreut er die «Büni Galerie Dotzige» auf der einstigen Heubühne, wo das Heu für die Kühe gelagert wurde.

Das gemeinsame Wohnen und Arbeiten findet das Paar ideal. Denn beide hätten ihre eigenen Bereiche, und doch gebe es Berührungspunkte: «Wenn Nell hier für Catering- Gäste kocht, fungiere ich als Chef de Service, wenn ich einen Grabstein setzen muss, hilft sie mir», so Tom. Ob die Ehe nun wegen dieser Lebensform noch so gut funktioniert oder weil Tom mit seiner Interpretation des Donnerns recht hatte, ist dann wohl Glaubenssache.

Stichwörter: Hochzeit, Mai

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