- Dossier
Patric Schindler
Es fühlte sich an, wie eine Hommage an frühere Zeiten, als ich ebenso lange am PC sass, um eines der begehrten Tickets fürs Gurtenfestival zu ergattern. Das Gefühl, es geschafft zu haben, war in beiden Fällen grossartig, auch wenn es mit meinem langersehnten Heimspiel nichts wurde und man mich statt in Aarberg in Thun impfte. Das Berner Oberland ist für mich aber immer eine Reise wert. Und sowieso: Trotz meiner Flugangst würde ich zurzeit für eine Spritze rund um die Welt fliegen.
Nie mehr möchte ich während einer Pandemie Single sein. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) macht es mir wegen des Mindestabstands von 1,5 Metern nicht einfach, mich in eine Frau zu verlieben. Immerhin wurde meine Situation durch das BAG etwas entschärft, nachdem die
2-Meter-Abstandsregel nicht das ganze letzte Jahr aufrechterhalten wurde. Ich habe nichts gegen eine platonische Liebe, aber wir Ovo-Lacto-Vegetarier sind doch auch nur Menschen.
Nie mehr möchte ich im Krafttraining nach getaner Arbeit mit einer Maske duschen. Die Dusche gehört nun einmal zum Bereich der Garderobe, in der strikte Maskenpflicht herrscht. Und in den allermeisten Fällen mache ich im Leben das, was man mir vorschreibt. Nein, ich habe mir in der Dusche selbstverständlich nicht die Haare gewaschen.
Nie mehr möchte ich im Aussenbereich eines Cafés mit Maske von der Bestellung bis zum ersten Schluck eines Espressos bei schönem Wetter eine gefühlte Viertelstunde am Tisch sitzen. Und dies notabene im Wissen, dass es im Umkreis von zehn Metern keinen Menschen hat. Das sind Momente, in denen ich mich frage, ob ich mich nicht doch in der Truman-Show befinde und ohne es zu wissen Hauptdarsteller einer Serie oder eines TV-Experiments bin. Solang keine Scheinwerfer und Kameras vom Himmel fallen, bin ich allerdings beruhigt.
Nie mehr möchte ich eine Pandemie erleben. Zumindest nicht in diesem Leben. Und im nächsten? Ich weiss, dass das letzte Hemd keine Taschen hat. Dennoch werde ich versuchen, eine Packung blaue Masken mitzunehmen.
