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Carte Blanche

Chlorothalonil und 
Red-Bull-Dosen

Was haben Chlorothalonil und Red-Bull-Dosen gemeinsam?

Daniel Weber Präsident Landwirtschaftliche Organisation Seeland

von Daniel Weber, Präsident Landwirtschaftliche Organisation Seeland

Es sind beides Produkte unserer modernen Gesellschaft. Beide haben hervorragende Eigenschaften zum Nutzen des Anwenders. Jedoch können beim unsachgemässen Umgang Spuren davon an Orte hingelangen, wo sie eigentlich nicht hingehören. Das Erstgenannte im Wasser, das zweitgenannte in der Natur. Das Pflanzenschutzmittel wird aller grösster Wahrscheinlichkeit nach verboten. Und die Getränkedose ...?

Unsere moderne Gesellschaft hinterlässt Spuren, oft visuell nicht sichtbar, jedoch mit modernsten Analysemethoden bis auf die kleinsten Mengen messbar. Oft ist nicht klar, auf welchen Wegen diese Spuren in die Umgebung gelangen, deshalb ist es auch nicht möglich zu eruieren, wer der Verursacher ist. Mit wenigen Ausnahmen, wie am Beispiel von Pflanzenschutzmitteln. Der Verursacher ist klar, der Sündenbock gefunden, Verbote sind ausgesprochen und das Problem ist gelöst. Wirklich?

Warum befinden sich Grundwasserfassungen eigentlich immer unter Landwirtschaftsflächen? Ganz einfach: weil Qualität und Quantität stimmen. Dabei wirkt das Landwirtschaftsland wie ein natürlicher Filter. Machen wir es uns nicht ein wenig einfach, wenn wir den Pfleger des Filters verurteilen, weil kleinste Spuren bei der Pflege des Filters in das ansonsten einwandfreie Produkt gelangt?

Wir könnten als neuen Grundwasserfassungsort in Worben den Bereich Petinessca in Erwägung ziehen. Aber besser doch nicht, weil dort tausende Tonnen Wohlstandsmüll deponiert sind. Mit sauberer Erde zugedeckt, lässt man Gras darüber wachsen. Oder wie wäre es mit einem Grundwasserfassungsort unter der Stadt Biel? Wasser gibt es da genug, doch wie steht es mit dem Filter?

Apropos Wasser der Stadt Biel: Die Agglomeration Biel bezieht einen Grossteil des Trinkwassers aus dem See. Die Abwässer der Gemeinde Mörigen und Teile der Gemeinde Täuffelen-Gerolfingen fliessen bei Niederschlägen über 20 Millimeter ungereinigt direkt in den See. Dabei gelangen jährlich riesige Mengen von Chemikalien, Kosmetika und Medikamenten in den See. Der See wirkt dabei wie ein natürlicher Filter. Trotzdem gelangen so immer mehr und neue Stoffe ins Trinkwasser. Stoffe, die nachgewiesen werden könnten, wenn man danach suchen würde. Und für die man auch Grenzwerte einführen könnte, wenn man wollte. Und für die man dann auch Verbote aussprechen könnte und die Anwender zu Sündenböcken stempeln könnten. Genau gleich wie beim Chlorothalonil. Das ist aber im Gegensatz zur Landwirtschaft weit schwieriger, weil es letztlich alle betrifft.

Unsere moderne Gesellschaft hinterlässt Spuren, alle von uns. Oft nicht sichtbar und trotzdem messbar. Ziel muss es sein, diese Spuren zu verringern oder zu eliminieren. Wir in der Landwirtschaft haben seit längerer Zeit damit angefangen und arbeiten täglich daran. Wann fangen Sie damit an?

kontext@bielertagblatt.ch

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