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Jäissberg

Chnebelburg liegt brach

Die Chnebelburg ist kaum wiederzuerkennen. Vor kurzem wurden dort zahlreiche Bäume gefällt. Solche Forstarbeiten erhitzen die Gemüter, auch wenn vorab informiert wird.

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Zwei Passanten tauschen sich aus: «Wolltest du auch sehen, ob es wirklich so schlimm ist, wie man erzählt?», fragt der eine. Der andere, etwas ältere Mann ist mit einem Wanderstock ausgerüstet. Er antwortet: «Es ist klar, dass es einmal gemacht werden musste.» Beide sind sie mehrmals in der Woche in diesem Wald unterwegs. Die Bäume seien schliesslich schon alt gewesen, zeigen sich die beiden verständnisvoll.

Sie stammt aus dem Hochmittelalter. Nun liegt sie frei und ist kahl, die Chnebelburg. Die gefällten Baumstämme sind gestapelt. Die Äste liegen quer über die Böschung verstreut. Auf der Kuppe, an der höchsten Stelle auf dem Jäissberg, bietet sich den Waldbesuchern kein schönes Bild.

 

Als Aussichtsobjekt erhalten

Der Wald am Jäissberg liegt in den Gemeinden Aegerten, Bellmund, Jens, Studen, Port und Worben und ist auf verschiedene Eigentümer aufgeteilt. Das Prunkstück, die Chnebelburg, befindet sich aber im Eigentum des Kantons. Der Wald ist teilweise ein Schutzwald für die umliegenden Gemeinden (siehe Infobox).

Dass die zahlreichen Bäume mitten im Wald gefällt wurden, hat neben der Alterung der Bäume einen weiteren Grund: Die Chnebelburg soll unseren Nachfahren als Aussichtsobjekt erhalten bleiben. Deshalb wurde der Holzschlag im Auftrag und in Absprache mit dem Archäologischen Dienst durchgeführt. Die grösseren alten Bäume können somit nicht mehr umfallen und Erosionen verursachen.

Die Chnebelburg litt auch unter dem Missbrauch als Rutschbahn, was zu Abtragungen des Hangs führte. Kinder, die neben der Treppe hinunterglitten, setzten der Chnebelburg zu. Auf der geräumten Seite soll der Hang mit Naturverjüngung nun stabilisiert werden. Das bedeutet, dass die Begrünung des Hügels ohne künstliche Eingriffe der Förster vorangehen soll. Bereits jetzt ist eine grosse Fläche des Burghangs mit Naturverjüngung bedeckt.

 

Warten auf Trockenperiode

Auf die Frage, weshalb die Forstarbeiten bei der Chnebelburg erst im April durchgeführt wurden, gibt es zwei Antworten. Zum einen hatten die Förster und ihr Personal diesen Winter viele weitere Arbeiten zu erledigen, weshalb sie erst später bei der Chnebelburg loslegen konnten. Zum anderen hatten die Bäume im April dieses Jahr noch nicht ausgetrieben. Sprich: Im April wachsen die Bäume noch nicht. Der verspätete Zeitpunkt des Abholzens hat somit keine relevanten Konsequenzen.

Doch während ringsherum mittlerweile immer mehr Pflanzen aufblühen, wirken die gelegten Baumstämme und die herumliegenden Äste wie Fremdkörper.

Der Abtransport des Holzes konnte noch nicht erfolgen, zu feucht ist der Boden im Wald. Hanspeter Luginbühl ist der zuständige Förster im Mittelland für den Staatsforstbetrieb. Er leitet die Arbeiten auf der Chnebelburg und erklärt: «Wir warten auf eine Trockenperiode, damit wir mit den ‹Forwarder› hinauffahren können.» Diese Fahrzeuge sind mit einem Kran und mit einer Ladefläche ausgestattet. Bei den momentanen Wetterverhältnissen würde dieses Gefährt mit seinen traktorähnlichen Reifen tiefe Furchen am Hang der Chnebelburg hinterlassen. Die Holztransporte vom Wald an die Waldstrasse lassen also vorerst auf sich warten. Das vor Ort gelagerte Holz wird für Spanplatten, als Sägeholz und als Energieholz weiterverwendet.

Dass das Abholzen von Bäumen bei den Menschen negative Emotionen auslöst, ist nicht selten der Fall. Ob der Klimaschutz im Hinterkopf ist oder die Abholzung der Regenwälder die Leute sensibilisiert hat? Wohl eher nicht. Vielmehr sei es die Gewohnheit an das bekannte Landschaftsbild. Jürg Schneider, Leiter der Waldabteilung Seeland, erklärt: «Ist die Distanz des Waldes zur Stadt gross, fallen die Reaktionen weniger heftig aus.» Ist der Wald das Naherholungsgebiet der Gemeindebewohner, fühlen sich diese Leute viel eher dem Wald verbunden.

 

Waldbild auf einen Schlag anders

Dazu kommt, dass mit den heutigen Werkzeugen sehr schnell gearbeitet werden kann. Vor noch nicht allzu langer Zeit rechneten die Förster beim Entwalden mit einem Kubikmeter pro Stunde. Heute können die Waldarbeiter pro Tag ein Volumen von 100 bis 200 Kubikmeter abholzen. Mehr als das Zehnfache als früher. «Das Waldbild verändert sich heute auf einen Schlag», sagt Schneider. Konnten die Spaziergänger in der Vergangenheit die langsame Entwicklung des Holzschlags beobachten, kommen sie heute an einer bekannten Stelle vorbei und erkennen die Gegend kaum wieder.

 

Die Reaktionen richtig kalkulieren

Betreffend Nachhaltigkeit gibt es folgende Faustregel: Bei 100 Hektaren Wald und einem Durchschnittsalter von 100 Jahren pro Baum darf im Jahr eine Hektare genutzt werden, damit es im Wald eine nachhaltige Altersverteilung gibt. «Wie die Reaktionen zu einem Holzschlag ausfallen werden, ist schwierig zu kalkulieren», so Schneider. Mit der Publikation von bevorstehenden Abholzungen können die negativen Reaktionen manchmal abgefangen werden. Damit alle Interessenten Bescheid wissen, gilt es, das richtige Medium zu wählen. Allerdings können selten alle möglichen Betroffenen erreicht werden.

Fallen die Proteste dennoch heftig aus, kann der Waldeigentümer ein Ultimatum stellen: Sind die Klagenden bereit, für Unfälle und Schäden zu haften, wird der Baum auf ihre Verantwortung nicht gefällt. «Damit ist das Thema meistens sofort vom Tisch und der Baum kann gefällt werden», erklärt Schneider. Vor allem bei Einzelbäumen, welche aus Sicherheitsgründen entfernt werden müssen, kommt es zu diesem Vorgehen.

«Früher hatte man hier noch Aussicht auf die ganze Alpenkette», schwärmt der Mann mit dem Wanderstock. Die gefällten Bäume auf der Chnebelburg waren nicht der Grund, weshalb dies nicht mehr möglich ist. Stattdessen ist der Südhang des Waldes weiter in die Höhe gewachsen und versperrt somit die Weitsicht. Durch das Entwalden des Archäologischen Dienstes wird die Chnebelburg den Waldbesuchern aber weiterhin als historischer Begegnungsplatz zugänglich sein.

NILS KARL

 

Link: www.bielertagblatt.ch

 

Weitere Bilder der Abholzung finden Sie in der Galerie unter «Chnebelburg»

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