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Renaturierung

Das Naturparadies liegt gleich vor der Haustür

Die Leugene und das Gebiet zwischen Grenchen und Biel haben sich innerhalb von zwölf Jahren zu einem Naturparadies gemausert. Ideal für einen Spaziergang vor oder nach der Arbeit. Letzter Teil der Outdoor-Serie.

Fleissige Biber haben zwischen Lengnau und Pieterlen einen stattlichen Damm in die Leugene gebaut. Bild: Brigitte Jeckelmann
  • Dossier

Brigitte Jeckelmann

Am Montag, dem 23. April letzten Jahres, erschien mit einer Wanderung auf der weglosen Krete des Chasserals der erste Teil der Outdoor-Serie. Seither streiften BT-Redaktorinnen und Redaktoren kreuz und quer durch die Region auf der Suche nach originellen Ausflugstipps, zu Fuss, zu Wasser und mit dem Velo. In 69 Folgen hat sich gezeigt: Für tolle Naturerlebnisse muss man nicht weit reisen. Mehr noch. In der 70. und letzten Folge stellt sich heraus: Das Abenteuer beginnt gleich vor der eigenen Haustür. Denn warum sollte man den Arbeitsweg, statt ihn per Bahn zurückzulegen, nicht einfach mal unter die Füsse nehmen?

Ich beschliesse, der Leugene entlang Richtung Biel zu wandern. Das Flüsschen fliesst durch die Ebene zwischen Biel und Grenchen. In den 20er-Jahren hatte man es in Rohre gezwängt und eingedohlt, um mehr Land zu gewinnen. Jahrzehnte später trat das Gewässer dann immer mal wieder über die Ufer, es kam zu Überflutungen, da die Abflusskapazität für das anfallende Wasser nicht mehr ausreichte. Eine Renaturierung sollte Abhilfe schaffen.

 

Reiche Artenvielfalt
Vor rund zwölf Jahren haben die angrenzenden Gemeinden, vereint als Gemeindeverband Leugene, das Flüsschen aus seinem Betonkorsett befreit. Die Renaturierung war ein Erfolg: Wo einst totes Wasser und kahle Böschungen kaum Lebewesen beherbergten, herrscht heute das pralle Leben.

Wie eine Erfolgskontrolle von 2013 zeigt, haben Fische wieder gute Laichmöglichkeiten und die Artenzahl der Insekten, Schnecken und Spinnentiere hat um einen Drittel zugenommen. So kann man heute mehrere Libellenarten an den Ufern der Leugene beobachten, wie zum Beispiel die Gebänderte Prachtlibelle, die Grosse Pechlibelle oder den Südlichen Blaupfeil. Auch die Pflanzenwelt im Wasser, am Ufer und den angrenzenden Wiesen hat stark zugelegt.

Doch eins nach dem andern. Mein letzter Besuch an der Leugene liegt etliche Jahre zurück. Die Route hatte ich nur noch ungefähr im Kopf: Vom Nordbahnhof Grenchen geht man in Richtung Lengnau, durch die Industriezone und ans Bahngleis. Die Leugene fliesst gleich daneben.

Doch inzwischen liegt da der Bauplatz der CSL Behring. Vor einem hohen Zaun steht eine Wachfrau in einem grell orangefarbenen Anzug und begehrt zu wissen, was man hier suche. Die Leugene? Da könne sie leider nicht helfen, in das Gelände dürfe sie mich ohne Batch nicht hineinlassen.

Dann suche ich den Weg halt weiter südlich, finde gelbe Wanderwegweiser, gelange zum Autobahnkreisel zwischen Lengnau und Meinisberg und an die Leugene. Gebüsch und Bäume schirmen den Autolärm fast vollständig ab. Grün so weit das Auge reicht, Bäume prangen in herbstlichen Farben, Vogelgezwitscher erfüllt die Luft. Morgens um halb neun liegt noch eine Nebeldecke über dem Seeland, die Leugene plätschert leise vor sich hin. Idylle pur.

 

Abseits der Wege
Ich atme durch, gehe weiter in Richtung Biel, diesmal der Autobahn entlang auf einem Weg – der sich zehn Minuten später als der falsche erweist. Er führt durch einen immer dichter werdenden Wald. Ein Haufen Rossbollen hat mich in die Irre geführt. Ich dachte, wenn ein Reiter hier durchreitet, muss man doch irgendwohin kommen. Dann versperrt dichtes Gebüsch den Weg vollends. Der Reiter muss sich demnach auch verirrt haben. Also kehre ich um.

Dennoch macht es Spass, einmal abseits der ausgetretenen Pfade zu wandern, in Ecken zu blicken, von denen man sich sonst kaum eine Vorstellung macht. Direkt neben der Autobahn findet sich nämlich erstaunlich viel Natur. Südlich der Behring-Baustelle führt dann ein weiterer Weg in westliche Richtung, von dem ich glaube, dass er der richtige ist. Doch auch dieser hört plötzlich auf. Aber immerhin bin ich wieder an der Leugene, deren Ufer hier dicht mit Schilfröhricht bewachsen ist. Ein Schild informiert den Wanderer über die «vielfältige Lebensgemeinschaft», die sich darin tummelt. Das Wurzelgeflecht stabilisiert das Ufer und bietet zugleich Fischen und Wasservögeln Unterschlupf und Brutmöglichkeiten. Zudem wirkt das Röhricht wie eine Kläranlage, indem es dem Wasser Giftstoffe entzieht und schädliche Bakterien abtötet.

 

Magische Stimmung
Obwohl kein Weg sichtbar ist, gehe ich weiter dem Wasser entlang. Das knöchelhohe Gras ist feucht von Tau und Nebel, die Stimmung magisch: Fahl drückt die Sonne am Himmel durch. Abgenagte Baumstrünke und Dämme zeugen von fleissigen Bibern. Wie aus dem Nichts fliegt ein Graureiher auf. Dann bin ich am Bahngleis angelangt, wo ich den Kiesweg wieder finde.

Inzwischen ist es schon nach zehn Uhr, Lengnau liegt gleich hinter mir, Biel ist noch weit. Die Ufervegetation konnte sich nach der Renaturierung ungestört entwickeln und wächst hier besonders dicht. Ein prächtiger Biberdamm staut das Wasser zu einem Teich, der sogar angrenzende Felder teilweise überflutet – wohl nicht zur Freude des Bauern. Aber das ist der Preis für die zurückgekehrte Natur. Dafür bietet sich dem Wanderer ein Bild, das dem Auge Freude macht: Schilf und Gräser wachsen wie kleine Inseln im Gewässer, das mal breiter, mal schmaler ist. Geäst von Bäumen hängt darüber, ein Schwarm Enten fliegt mit lautem Gequake davon. An dornigen Sträuchern hängen leuchtend rote Hagebutten. Die Früchte sind butterweich und schmecken süss-sauer.

Die Leugene ist ein Auengewässer und somit wertvoller Lebensraum für Amphibien wie Frösche, Kröten, Molche und Salamander. Ich bleibe immer wieder stehen, kann mich nicht sattsehen an der Landschaft. So komme ich zwar nicht sehr zügig voran. Doch das Zauberwort im hektischen Alltag heisst sowieso Entschleunigung. Warum soll man immer irgendwohin hetzen? Deshalb steige ich in Pieterlen für den restlichen Arbeitsweg in den Zug.

Den Abschnitt an der Leugene zwischen Biel und Pieterlen nehme ich dann morgen unter die Füsse – auf dem Heimweg.

Link: www.leugene.ch

ta/Quelle map.geo.admin

 

Tipps zur Tour

- Die Leugene entspringt der Quelle bei der Pumpstation in Bözingen.

- Von da an führt ein befestigter Weg bis zum Weiler Staad bei Grenchen, wo die Leugene in die Aare fliesst.

- Schilder entlang des Ufers informieren über die Geschichte der Leugene.

- Die Route ist völlig flach und auch für Familien mit Kinderwagen geeignet. bjg

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