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Tourismus

Das riecht nach Jungsein

Das erste Mal Freiheit spüren, der erste Unfall, der erste Polizeikontakt: Beim Wort «Töfflifahren» kehren viele Erinnerungen zurück. Genau dieses Gefühl will «Töfflibuebe» wecken. Zum Beispiel bei einer Tour um den Murtensee.

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Text: Andrea Butorin
Bilder: Peter Samuel Jaggi


Gas geben – hoppla! – abbremsen. Ein Lastwagen braust an mir vorbei, der Puls steigt. Was mache ich da eigentlich? Erst als wir aus dem Verkehr raus- und auf Feldwegen ins Grosse Moos reinfahren, entspanne ich mich. Auch die anderen lachen, ziehen Kurven. Und jede Wolke, die aus dem Auspuff entsteigt, katapultiert uns tiefer in unsere Jugend.

Töfflifahren. Für viele ist es 20, 30 oder 40 Jahre her, seit sie das letzte Mal auf einem Pony Sachs, einem Piaggio Si oder einem Puch Maxi gesessen sind. Töfflifahren, das war Freiheit, dem Schulschatz imponieren, der erste Ausgang, die ersten Ferien ohne Eltern, Brandwunden an der rechten Wade, leere Tanks mitten in der Pampa und für manche auch der erste Kontakt mit der Polizei.

Diese Erinnerungen wecken will der gebürtige Täuffeler Felix Berger. Seine Firma Berger Events GmbH ist auf Gruppenanlässe aller Art spezialisiert, und vor sechs Jahren rief er den Betriebszweig «Töfflibuebe» ins Leben (siehe Zweittext). Vor fünf Jahren nahm Murten Tourismus Bergers Angebot ins Programm und ergänzte die Töfflitour rund um den Murtensee mit kulinarischen Angeboten wie einem Stück Nidlechueche im Murtener Stedtli, einer Weindegustation oder einem Mittag- oder Abendessen.

Ohne Töffliprüfung unterwegs
Davon verführen liess sich die Gruppe, die wir begleiten:das Team des Berner Sitzes der Zertifizierungsfirma ProCert AG. «Wir haben demokratisch darüber abgestimmt, wie wir den diesjährigen Teamevent verbringen wollen», sagt Dominique Zinniker, die die Reise für sich und ihre 15 Kolleginnen und Kollegen organisierte und bei ProCert in den Bereichen Administration und Human Ressources arbeitet.

Zinniker gehört übrigens nicht zu denen, die in ihrer Jugend ins Visier der Polizei gerieten; und das, obwohl sie sich wann immer möglich das Mofa ihres Bruders schnappte, ohne je die Töffliprüfung gemacht zu haben. «Ich war immer vorsichtig und fuhr vor allem auf Feldwegen», sagt sie lachend. Weniger Glück hatten ihre Schulkollegen, die ihre fahrbaren Unterlagen so stark frisierten, dass sie gegen 80 Kilometer pro Stunde erreichten. «Weil sie auch noch auffällige orangene und grüne Töfflis fuhren, hatte die Polizei auf dem Schulhausparkplatz leichtes Spiel.»

Füsse gehören auf die Pedale!
Nachdem sich die Berufszertifizierer von Felix Berger die Töfflis erklären liessen – Hebel ziehen, kraftvoll das Pedal runtertreten und dann Gas geben: «Den Jock müsst ihr nur ziehen, wenn der Motor kalt ist, sonst dauert Eure Pause eine halbe Stunde länger», so Berger – tuckern wir auch schon von Sugiez über Galmiz in Richtung Murten.

Es geht vorbei an Weizen-, Sonnenblumen- oder Kartoffelfeldern. Immer wieder weichen wir einer Sprinkleranlage aus.

Rückblende: Mehr als einmal erhielt ich auf einer nächtlichen Heimfahrt durchs Moos eine unfreiwillige Dusche, weil ich im schwachen Töfflilicht die Bewässerungsanlage zu spät erblickte.

BT-Fotograf Peter Samuel Jaggi zeigt lachend auf jene Fahrer vor uns, die die Füsse wie einst cool auf die Karosserie statt auf die Pedale stellen: So fuhr auch er in jüngeren Jahren seines Wegs und bemerkte dummerweise nicht, dass neben ihm ein Polizeiauto fuhr - bis ihn die Polizisten mittels Megafon freundlich darauf hinwiesen, dass die Füsse auf die Pedale gehören.

Adrian Blank, Finanzverantwortlicher bei ProCert AG, lebt in Faoug am Südufer des Murtensees und amtet deshalb als inoffizieller Reiseführer der Gruppe. Auch er hat eine Töfflivergangenheit: Mit 14 den Ausweis gemacht und 16-jährig mit dem Konfirmationsgeld ein Puch gekauft, das er selbst gepflegt und auch frisiert hatte, bis es «so 50 oder 55 km/h» erreichte. «Töffli – das bedeutete Freiheit!» Schliesslich sei man damals noch nicht ständig von den Eltern herumchauffiert worden. Ein Fehler sei gewesen, die Ciao-Mofas als Mädchenfahrzeug abzutun. «Die wären nämlich viel einfacher zu frisieren gewesen; die nötigen Teile hätte man sich in Como beschaffen können»; Internet war da noch lange kein Thema.

Ein analoges Navigationsgerät
Bei der Einfahrt in Murten erntet die Töfflitruppe einige erstaunte und auch amüsierte Blicke. Nach dem Kaffeehalt und dem Austausch der ersten Erfahrungen geht es aus dem Stedtli hinaus auf eine breite Hauptstrasse. Hier zeigt sich: Sobald man ausserorts auf stark befahrenen Strassen unterwegs ist, macht Töfflifahren überhaupt keinen Spass mehr. Man trägt zwar einen stabileren Helm, ist ansonsten genauso wenig geschützt wie auf dem Velo.
Zum Glück biegt Lotsin Dominique bereits wieder in einen Feldweg ab. Als Orientierungshilfe hat sich Felix Berger ein 80er-Jahre-Navigationsgerät ausgedacht: umblätterbare Fotokarten mit der jeweiligen Verkehrssituation, ergänzt mit Richtungspfeilen und der Angabe, wie lange man auf diesem Teilstück unterwegs ist, ehe man weiterblättern muss.

Und so kurven wir durch die idyllischen Dörfer Greng und Faoug, zwischen denen die Kantonsgrenze von Freiburg und Waadt liegt. Das Städtchen Avenches im Blick biegen wir in Richtung Nordwesten ab, da das Seeende bereits erreicht ist. Eine Brücke führt über die grün umsäumte Broye, auf der gerade ein Stand-up-Paddler dahingleitet.

Ab Bellerive geht es leicht aufwärts, schliesslich wollen wir auf der flachen Seite den Mont Vully erklimmen – die steile Strecke von Sugiez aus würde den Zweitakt-Motor leicht überfordern.

Der Bauer holt den Rechen
In Vallamand halten wir auf der Höhe eines Bauernhofs und geniessen die Aussicht auf See und Alpen. Dass einige den Kiesplatz vor dem Hof dazu missbrauchen, wie echte Töfflibuben Spuren zu ziehen, gefällt dem Bauern nicht: Ohne ein Wort zu sagen, tritt er auf einen der Verursacher zu und drückt ihm einen Rechen in die Hand.

Bevor er mit weiterem Werkzeug daherkommt, ziehen wir lieber weiter. Mit jedem absolvierten Höhenmeter wird das Panorama spektakulärer. Manche beginnen zu pedalen, aber eigentlich geht es ganz flott den Berg hinauf. Irritierend dagegen sind die Abwärtspassagen - da würde man fast lieber mit den Velofahrern tauschen, die schneller unterwegs sind.

Und natürlich ökologischer. Schon damals, als die Klimaerwärmung bloss ein gar nicht mal so übel klingendes Zukunftsszenario war, warnte mich ein motorenkundiger Kollege, wie viel schlimmer Geräte, die mit Zweitakt-Motoren laufen, gegenüber Autos seien. «Mit einer Stunde Rasenmähen erzeugen Sie so viele gesundheitsschädliche polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) wie mit einer 150 Kilometer weiten Autofahrt», und der Mäher produziere «so viel Kohlenwasserstoffe wie 200 Autos mit Katalysator», schreibt Andreas Schlumberger in seinem Buch «50 einfache Dinge, die sie tun können, um die Welt zu retten, und wie sie dabei Geld sparen».

«Ja, auch bei uns wurde der Umweltaspekt diskutiert», sagt Dominique Zinniker. Aber eben, der Entscheid fiel demokratisch aus. Und auch Felix Berger ist sich der Umweltbelastung seiner Fahrzeuge bewusst (siehe Zweittext). Er sagt aber auch: «Ohne die spezifischen Motorengeräusche und Gerüche würden keine Jugenderinnerungen geweckt.»

Er kriegt den Motor nicht mehr an
Die Velofahrer sind zwar ökologischer unterwegs, dafür keuchen sie, wenn sie endlich auf dem Wistenlacherberg angekommen sind, während wir lässig den Aussichtspunkt avisieren. Da es deutlich weniger Leute hat als an den Wochenenden, nutzen wir die Gelegenheit für weitere Erinnerungsfotos.

Nach der kurzen Seeland-Anguck-Pause starten die Firmenausflügler ein letztes Mal ihre Motoren, um nach Sugiez zurückzufahren. Und da passierts: Ein Teilnehmer macht etwas gar wilde Kapriolen auf seinem Pony und stürzt. Zwei kleine Wunden werden ihn noch ein paar Tage an seinen Übermut erinnern, doch das Mofa ist noch ganz. Ein anderer hat da mehr Pech: Er kriegt den Motor nicht mehr an. Die einstigen Töfflischrauber versuchen zu helfen, aber es ist nichts zu machen. Zum Glück geht es von nun an fast nur noch bergab.

Rückblende: Was gab es nicht alles für Sabotagemöglichkeiten: Angefangen vom harmlosen (sofern man es denn gemerkt hat) Schliessen des Benzinhahns oder Entfernen des Zündsteckers von der Zündkerze bis zu richtig fiesen Sachen wie Kabel durchschneiden, Zucker in den Tank oder Sand in den Öltank leeren.                                            

«Hopp, hopp», spornen uns beim Abwärtsfahren zwei hochradelnde Biker an – verkehrte Welt. In Sugiez lässt sich der Mann ohne funktionierenden Motor von Kollegen bis zum Bahnhof ziehen.

Rückblende: Wie viele solch waghalsiger Fahrten haben wir früher unternommen: Sich auf dem Velo von Töfflis ziehen lassen, auf dem Gepäckträger sitzen, in Shorts und Flipflops und selbstverständlich alles ohne Helm. «Wie konnten wir das alles bloss überleben», sagt Adrian Blank lachend.

Beim Bahnhof wartet schon Felix Berger mit seinem Anhänger, um die Ponys erst zu betanken, wenn nötig zu warten und dann einzuladen. Beim «abgelegenen» Töffli hat er schon ein defektes Gaskabel diagnostiziert. Berger sagt: «Für mich ist es das schönste, wenn ich in die strahlenden Gesichter der zurückkehrenden Gruppe blicke.»

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Infos zur Murtensee-Tour
Die Murtensee-Tour startet entweder in Sugiez oder in Salavaux. Je nach Angebot ist ein Kaffehalt mit Nidlechueche, ein Mittagessen oder eine Bier- oder Weindegustation inbegriffen. Die Preise betragen zwischen 105 (ohne Konsumation) und 139 Franken.

Weitere Infos unter www.regionmurtensee.ch oder berger-events.ch/toefflibuebe.html ab

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Wie Felix Berger auf die Töfflis kam
Einst beeindruckte Felix Berger mit seinem Töffli die Mädchen in der Aarberger Badi. Heute weckt er mit seinem Geschäftszweig «Töfflibuebe» die Jugenderinnerungen seiner Kunden.

Seit 30 Jahren ist Felix Berger, der in Täuffelen aufgewachsen ist und heute in Herrenschwanden lebt, im Eventbereich tätig. Angefangen hatte er mit Riverrafting, das er aus Neuseeland in die Schweiz importierte. Seine Firma organisiert Gruppenanlässe aller Art – im Seeland etwa die Trottinett-Abfahrten auf der Vinifuni-Strecke oder in Zusammenarbeit mit Tourismus Biel-Seeland die Elektro-Trottinett-Touren «urbanes Biel».

«E-Bike macht jeder»
Auf das Töffli kam Berger, der als Vorstandsmitglied von Frienisberg Tourismus amtet, als er sich fragte, wie man die Frienisberg-Region besser promoten könnte. «E-Bike macht jeder, da blieb nur das Töffli», sagt er. Wer die 40 Kilometer rund um den Frienisberg unter die Räder nehmen will, kann das bei Bergers Basis in Herrenschwanden auch als Einzelperson tun. Weiter hat Felix Berger für Gruppen diverse Touren zusammengestellt, die er entweder in Eigenregie oder aber wie im Fall der Murtensee-Tour in Zusammenarbeit mit lokalen Tourismusorganisationen anbietet. Es besteht auch die Möglichkeit, selber eine Route zu definieren - jüngst fuhr etwa eine Gruppe von Biel mit den von Berger bereitgestellten Töfflis nach Erlach.

Während unter der Woche meist Firmen die Töfflis buchen, boomt das Angebot samstags bei Polter-Gruppen. Am Sonntag buchen dagegen meist Familien. Felix Berger ist zufrieden mit der Nachfrage. Er erhielt auch schon Anfragen aus weiteren Regionen, die «Töfflibuebe» anbieten möchten, aber er möchte es beim aktuellen Angebot und seinen 45 Töfflis belassen – schliesslich mache dieser Betriebszweig bloss rund einen Drittel vom gesamten Geschäft aus.

Bergers Fuhrpark besteht aus Mofas der Marke Pony GTX – die einzigen Töfflis, die noch in der Schweiz von der Firma Amsler und Co. AG in Feuerthalen hergestellt werden. Weiter im Angebot hat er in Slowenien produzierte Tomos-Mofas.

Zweitakt-Motoren, wie Mofas sie besitzen, gelten zu Recht als Dreckschleudern. So fanden Forscher des Paul Scherrer Instituts 2014 heraus, dass etwa in Bangkok der Anteil der Zweitakt-Mopeds an den Emissionen primärer organischer Aerosole ganze 60 Prozent beträgt. Dabei entfallen auf diese Zweiräder nur 10 Prozent des Brennstoffverbrauchs aus dem Verkehr in der Stadt.

Die neuen Mofas weisen inzwischen einen Katalysator auf. «Aber es ‹gäselet› natürlich trotzdem», sagt Berger. Eine Elektro-Variante würde aber nicht funktionieren: «Der Spass ginge verloren, denn beim Töfflifahren muss es vibrieren und riechen wie früher, sonst ist es keine Jugenderinnerung mehr.» Als Ausgleich sind Berger Events seit Januar 2018 Mitglied bei der Stiftung Myclimate und kompensieren jedes Jahr eine Tonne CO2-Emissionen.

Über den Gotthard gefahren
Selbstverständlich war auch Felix Berger einst ein Töfflibueb. Ab 14 fuhr er ein goldenes und natürlich frisiertes Zweigang-Sachs und beeindruckte damit die Mädchen in der Badi Aarberg. Mit dem Töffli fuhr er in die ersten Ferien ohne Eltern nach Yvonand am Neuenburgersee. Dass er sein Sachs später verrosten liess und dann entsorgte, bereut er heute, denn es genösse Sammlerwert. Dafür macht er mit seinen neuen Ponys ab und zu eine Ausfahrt: «Ich bin schon über den Gotthard gefahren» – auch das ein Klassiker für echte Töfflibuebe.

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