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Meinisberg

Der Fahrer hatte über zwei Promille Alkohol im Blut

Der Lenker, der im Dezember 2019 in Meinisberg einen fatalen Autounfall verursacht hat, muss ein halbes Jahr hinter Gitter. Für sein Verhalten hat er vor Gericht keine Erklärung gefunden.

Auf der Bürenstrasse in Richtung Meinisberg hat sich der tödliche Zusammenstoss ereignet. Symbolbild: Peter Samuel Jaggi
von Carmen Stalder
 
Stellen Sie sich vor, es ist Sonntagnachmittag und Sie fahren mit Ihrem Auto übers Land. Links und rechts von Ihnen ziehen Felder vorbei, vielleicht plaudern Sie ein wenig mit Ihrer Beifahrerin. Plötzlich sehen Sie einen dunklen Schatten auf sich zurasen. Sie können nicht mehr ausweichen, ein Auto prallt in Ihres – und dann wird alles schwarz.
 
Als «Horrorvorstellung» bezeichnet Staatsanwalt Manus Widmer jenen Unfall, der sich am 29. Dezember 2019 in Meinisberg abgespielt hat. Die beiden Frauen seien in ihrem Auto «abgeschossen» worden, ohne etwas dagegen tun zu können. Die damals 51-jährige Fahrerin wurde beim Unfall schwer verletzt, sie musste durch die Feuerwehr aus dem Auto befreit und mit einem Rettungshelikopter ins Spital geflogen werden. Ihre 83-jährige Mutter überlebte den Zusammenstoss nicht. Sie verstarb noch auf der Unfallstelle.
 
Er war total betrunken
 
Gestern stand der heute 33-jährige Unfallfahrer vor dem Regionalgericht Berner Jura-Seeland. Ihm werden fahrlässige Tötung, fahrlässige Körperverletzung und Widerhandlungen gegen das Strassenverkehrsgesetz vorgeworfen. Gemäss Ermittlungen hatte der Beschuldigte zum Unfallzeitpunkt mindestens 2,24 Promille Alkohol im Blut – eine Menge, die zu starken Konzentrationsstörungen, Verwirrtheit und fehlendem Reaktionsvermögen führen kann.
 
Die Polizei fand in seinem Wagen eine angebrochene Bierdose zwischen den Beinen sowie weitere angefangene, leere und volle Dosen. Dies legt den Schluss nahe, dass der Lenker nicht nur in betrunkenem Zustand unterwegs war, sondern auch während der Fahrt getrunken hat. Wieso er das getan hat, kann der Beschuldigte vor Gericht nicht erklären. Er könne sich an nichts erinnern: nicht an den Grund, weshalb er unterwegs war, nicht daran, weshalb er mitten am Tag getrunken hat und auch nicht an den Unfall selbst. Die Fahrerin, die als Privatklägerin vor Gericht erscheint, hat ebenfalls keine Erinnerung an die Kollision. Aufgrund ihrer Verletzungen musste sie einen Monat im Spital verbringen, fünf Operationen über sich ergehen lassen und danach wochenlang in einer Reha-Klinik zu Kräften kommen.
 
Es gibt jedoch mehrere Zeugen, die das Geschehen auf der Bürenstrasse mitverfolgt haben. Da wäre eine Velofahrerin, die der Beschuldigte überholt hat. Dabei sei er so weit auf die Gegenfahrbahn ausgewichen, dass ein entgegenkommendes Fahrzeug stark abbremsen und hupend nach rechts ausweichen musste. Dann gibt es ein Paar, das über eine längere Strecke hinter dem Beschuldigten hergefahren ist. Er sei in Schlangenlinien unterwegs gewesen und habe einen Begrenzungspfosten touchiert, schildert der Zeuge seine Beobachtungen. Das Paar konnte verfolgen, wie der Unfallfahrer rechts auf den Grünstreifen fuhr, ins Schlingern kam, erneut auf die Gegenfahrbahn geriet – und schliesslich mit dem korrekt fahrenden Auto der beiden Frauen kollidierte.
 
«Krasses Fehlverhalten»
 
Laut Staatsanwalt war es aufgrund der Fahrweise nur eine Frage der Zeit, bis es knallt. «Ein viel krasseres Fehlverhalten ist nicht vorstellbar», sagt Widmer. Seine Forderung: eine teilbedingte Strafe von 32 Monaten, wovon der Beschuldigte zehn Monate absitzen muss. Der Verteidiger des Fahrers räumt zwar dessen Schuld vollumfänglich ein. Sein Mandant solle jedoch nur eine bedingte Strafe von 24 Monaten erhalten. «Wenn er ins Gefängnis muss, bricht vieles zusammen in seinem Leben.»
 
Gerichtspräsident Markus Gross verkündet schliesslich ein Urteil, das nahe an der Forderung der Staatsanwaltschaft ist. Er spricht den Beschuldigten in allen Anklagepunkten für schuldig. Zwar sei der Unfallfahrer durch seine eigenen schweren Verletzungen und den Schuldenberg, der sich nach dem Unfall angehäuft hat, bereits gestraft. Doch: «Bei einem so schweren Verschulden geht es nicht anders, als dass er einen Teil seiner Strafe verbüssen muss.» Gross verhängt eine Freiheitsstrafe von 30 Monaten, wovon der Beschuldigte sechs Monate absitzen muss. Für den Rest der Strafe erhält er eine Probezeit von drei Jahren. Und auch der Schuldenberg wird weiter anwachsen: Der Fahrer muss die gesamten Verfahrenskosten übernehmen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und kann an die nächste Instanz weitergezogen werden.
 
 
 

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