Sie sind hier

Abo

Treiten

Der Marathonläufer
tritt von der grossen Politbühne ab

15 Jahre lang ist Jakob Etter im Grossen Rat gesessen. Gewählt wurde er für die SVP – die Partei, für die er später mit anderen BDP-Grossräten als Abtrünniger galt. Heute bedauert er höchstens, dass er nicht zum Grossratspräsidenten wurde.

Abschied aus Distanz: Der BDP-Grossrat Jakob Etter aus Treiten nach der Wintersession in Bern. Wegen Corona konnte er sich von langjährigen Politgefährten nur mit Abstand verabschieden. Ein Handschlag oder eine Umarmung waren nicht erlaubt. Bild: Lee Knip

Deborah Balmer

Genau an seinem 52. Geburtstag – am 9. April 2006 – wurde er von den Wählerinnen und Wähler für die SVP in den Grossen Rat gewählt. 15 Jahre sind seither vergangen, in denen Jakob Etter aus Treiten 72 Sessionen als Grossrat hinter sich brachte. Seit Mitte 2008 für die BDP. «Höre zuerst zu, bevor du sprichst, sonst hört dir niemand mehr zu, wenn du sprichst.» Dies war während all der Jahre auf dem kantonalen Politparkett der Leitspruch des Kantonalpolitikers. Ein Satz, den ihm damals sein Vorgänger mit auf den Weg gab. Und Etter versuchte sich daran zu halten und nur wirklich dann zu reden, wenn er etwas zu sagen hatte. Unter Politikern eine eher seltene Eigenschaft.

Die allerletzte Grossratssession hat der Seeländer bereits im November hinter sich gebracht, beim Grossratspräsidenten sein Demissionsschreiben eingereicht – und ist dann von diesem würdig verabschiedet worden. Offiziell tritt er allerdings erst Ende diesen Monats zurück, weil er für die BDP-Fraktion noch die Finanzgeschäfte für die Frühlingssession mitgestalten wollte. Demnächst übergibt er an seine Nachfolgerin Christine Bühler (BDP, Tavannes), die im März im Grossen Rat vereidigt wird.

 

Einer der Abtrünnigen

Ein besonders markantes Ereignis war für Jakob Etter natürlich die Gründung der BDP im Juni 2008 durch die Gruppe Bubenberg. Neben der Nationalrätin Ursula Haller, Ständerat Werner Luginbühl und Regierungsrat Urs Gasche gehörten 17 Mitglieder der SVP-Fraktion des bernischen Grossen Rates zu den Gründungsmitgliedern der Partei. Unter anderen Seeländerinnen und Seeländern auch Jakob Etter aus Treiten.

Was der BDP-Gründung vorausging: Mit der Forderung der Exponenten der SVP Bern, geschlossen aus der SVP Schweiz auszutreten, fand man damals keine Mehrheit. «Diese Tatsache sollten wir BDP-Vertreter im Grossen Rat noch lange zu spüren bekommen. Wir galten als Abtrünnige», sagt Etter rückblickend. Nicht ohne Folgen: Bei späteren Abstimmungen etwa hat die SVP laut Etter im Kantonsparlament die BDP mit Absicht nicht mehr unterstützt und aus Prinzip anders gestimmt. Und es ging noch weiter: «Langjährige Politkollegen aus dem Berner Rathaus grüssten plötzlich nicht mehr, ja, mieden uns BDPler sogar», so Jakob Etter, der von sich sagt, er habe sein Amt stets ernst genommen und als Privileg betrachtet. «Es war eine Verantwortung, einer von 160 Grossrätinnen und Grossräten zu sein.»

Die politischen Themen des 67-Jährigen: Als einziger Vertreter der BDP in der Finanzkommission waren es die Kantonsfinanzen. Hier profitierte er von seinem guten Draht zur BDP-Frau Beatrice Simon aus Seedorf, der kantonalen Finanzdirektorin, mit der er sich, wenn nötig, austauschte.

Am Herzen lagen ihm zudem stets das westliche Seeland, sprich die Region rund um Erlach und Gampelen, «der Blinddarm des Kantons», wie er es nennt, weil die Gegend gerne vergessen gehe. Der Campingplatz Gampelen, die Strafanstalt Witzwil und die Landwirtschaft waren seine Steckenpferde. Das Gesundheitswesen und die Bildung hingegen überliess Jakob Etter gerne anderen Fraktionsmitgliedern, die mehr Ahnung davon haben, wie er sagt.

Gerne wäre der studierte Gemüsebautechniker zum Abschluss seiner grossrätlichen Karriere Grossratspräsident geworden, «das hätte ich spannend gefunden»: Dass es 2018 ganz knapp nicht reichte zur Wahl des zweiten Vizepräsidenten bedauert er entsprechend. Man habe einen Bürgerlichen gewählt, ist ihm danach erneut vonseiten der SVP gesagt worden. Die Partei, hinter deren Politik er je länger je mehr nicht mehr hätte stehen können. Aber auch die eigene Partei machte schwere Zeiten durch und verlor in den letzten Jahren stetig an Wählerinnen und Wählern – zuletzt vor allem auf nationaler Ebene.

Etter sieht sich selber als liberal und weltoffen. Als einer, der sich auch über die Parteigrenze hinweg mit den Menschen verstand. So hatte er stets einen guten Austausch mit der SP-Politikerin Andrea Zryd oder den Grünen Christoph Grupp und Bruno Martin – alle drei ebenfalls aus dem Seeland. Umso mehr bedauert Etter, dass er nach der Wintersession wegen der Pandemie nur aus Distanz von den zahlreichen Weggefährten Abschied nehmen konnte. Nicht einmal ein Handschlag oder eine Umarmung ist drin gelegen.

 

Der Marathonmeister

Auch wenn zum Ende hin etwas Wehmut aufkommt, Etter hat nun viele neue Pläne: Der passionierte Läufer erzielte vor zwei Jahren in Lindau in seiner Kategorie den Marathonschweizermeistertitel. Seine respektable Zeit: 3 Stunden 19 Minuten. Diesen Rekord möchte er im Oktober am Chicago-Marathon verteidigen.

Und auch ein politischen Amt hat der Seeländer bereits wieder gefasst, wenn auch in bescheidenerer Form: Seit Anfang Jahr ist er im kleinen Dorf Treiten Gemeindepräsident. Etter sieht klare Vorteile darin, an der Spitze einer so kleinen Gemeinde zu stehen: «Hier kann man noch etwas bewegen und muss nicht für jede Entscheidung vorher drei Juristen fragen, was möglich ist.» Unterstützung erhält er dabei von ebenfalls mehrheitlich neu gewählten Gemeinderatsmitgliedern.

Nachrichten zu Seeland »