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Ipsach

Die Ampeln können die Stosszeiten nicht bewältigen

Lange Rückstaus und Schleichverkehr: Die Sanierung der Hauptstrasse kostet Autofahrerinnen und Anwohner Nerven. Der Kanton und die Gemeinde Ipsach versuchen, die Situation zu entschärfen.

Und täglich grüsst der Stau: Wegen der Bauarbeiten wird derVerkehr auf der Hauptstrasse wechselseitig geführt. Mattia Coda

von Carmen Stalder

Die Ampel schaltet auf Rot. Die Autos kommen ins Stocken, sie bremsen ab und dann geht gar nichts mehr. Minutenlang stehen sie vor der Baustelle, die Kolonne wird stetig länger. Mit laufendem Motor und nervös tippenden Fingern am Lenkrad warten die Autofahrerinnen und -fahrer auf grünes Licht. Es ist ein Bild, das sich in Ipsach seit Wochen täglich zeigt – und es ist ein Bild, an das man sich längerfristig gewöhnen sollte. Die einzige Direktverbindung am rechten Bielerseeufer ist zum Nadelöhr geworden.

Seit Anfang Jahr saniert der Kanton Bern die Ortsdurchfahrt Ipsach (das BT berichtete). Fast 13'000 Fahrzeuge fahren täglich durch die Gemeinde, davon sind zirka 500 Lastwagen. Diesen Verkehr möglichst verträglich und sicher durch das Dorf zu leiten, ist ein Hauptziel der laufenden Sanierung. Gleichzeitig soll das Nebeneinander sämtlicher Verkehrsteilnehmenden gefördert und der öffentliche Raum aufgewertet werden.

Die Sanierung der 850 Meter langen Fahrbahn erfolgt in mehreren Etappen und soll im Sommer 2021 abgeschlossen werden. Das Herzstück des Vier-Millionen-Projekts und zugleich die grösste Veränderung ist der Bau eines neuen Kreisels zwischen Römerstrasse und Blumenrain. In den letzten Monaten haben in diesem Bereich verschiedene Anbieter die Werkleitungen für Wasser, Strom, Internet und Telefonie ersetzt. Aktuell laufen die Arbeiten am Kreisel.


Corona beschleunigt Projekt

Man sei gut im Zeitplan, sagt Thomas Varrin, Projektleiter beim kantonalen Tiefbauamt. In gewissen Bereichen seien die Bauarbeiten sogar schneller vorangekommen, als geplant. «Das lag sowohl am guten Wetter als auch am Coronavirus», so Varrin. Während des Lockdown sei nämlich der Verkehr deutlich zurückgegangen, weswegen die Arbeiten innerhalb der Bauetappen optimiert werden konnten. Der Kreisel wird nun bereits Mitte Juli für den Verkehr freigegeben, statt wie ursprünglich geplant Ende Jahr.

Auch Hans Klöti, Leiter der Bauabteilung in Ipsach, hebt hervor, wie angenehm die Verkehrslage während des Lockdown gewesen sei. Nun, da die meisten Menschen an ihre Arbeitsplätze zurückgekehrt sind, seien allerdings durch den Verkehr Probleme aufgetaucht. Gemäss Varrin hat es auf der Hauptstrasse aktuell sogar mehr Verkehr als vor der Coronakrise. Dies, weil vermutlich noch immer viele Personen den ÖV meiden und stattdessen im Auto zur Arbeit fahren.

Besonders zu Stosszeiten müssen die Verkehrsteilnehmenden viel Geduld mitbringen. An beiden Seiten der Baustelle hat es Ampeln. Der Verkehr läuft wechselseitig einspurig. Die Kolonne staut sich teils bis zum Portkreisel nach Nidau. «Den Mehrverkehr haben wir im Voraus unterschätzt», sagt Varrin. Neuerdings setzt der Kanton deshalb einen Verkehrsdienst ein, der jeweils morgens und abends die Arbeit der Ampeln übernimmt. Dieser könne flexibler auf den Verkehr reagieren, sodass die Wartezeiten verringert werden, erklärt Varrin.


In Quartiere ausweichen

Die langen Rückstaus sind jedoch nicht das einzige Ärgernis. Um die Baustelle zu umfahren, sind in den letzten Wochen immer mehr Autofahrerinnen und -fahrer auf Quartierstrassen ausgewichen. Besonders betroffen ist gemäss Klöti die Kleinfeldstrasse, die parallel zur Hauptstrasse verläuft. Teilweise wird sogar ein Umweg via Bellmund und Sutz in Kauf genommen – um nicht vor der Ampel stehen zu müssen.

«Der Schleichverkehr ist problematisch», sagt Klöti. In der 30er-Zone will die Gemeinde nun ein einseitiges temporäres Fahrverbot mit Zubringerdienst einrichten. Auch soll die Kantonspolizei vermehrt Kontrollen durchführen. Anschliessend hat die Gemeinde Verkehrsmessungen geplant, um zu eruieren, ob das Fahrverbot Wirkung zeigt. Sollte dies nicht der Fall sein, würde Ipsach weitere Massnahmen in die Wege leiten.


Hilfreiche Rückmeldungen

Bei der Gemeinde trudeln ab und zu Beschwerden von genervten Anwohnern ein. Die Menge halte sich jedoch in Grenzen und im Gespräch könne er die Situation meist gut erklären, sagt Klöti. Manche Reklamationen landen auch beim Kanton. Da gehe es etwa darum, dass jemand kaum mehr aus seinem Quartier hinausfahren könne, dass die Signalisation ungenügend sei oder dass die Autos in der Kolonne genau vor dem eigenen Haus anhalten – mit lauter Musik und laufendem Motor.

«Ich habe Verständnis für solche Rückmeldungen. Manche Dinge können wir dank ihnen anpassen», sagt Varrin. So habe man morgens und mittags einen Verkehrsdienst für Schülerinnen und Schüler eingeführt, um deren Sicherheit zu verbessern. Und einem Geschäft helfe es manchmal schon nur, ein zusätzliches Schild anzubringen, das die einfachste Zufahrt aufzeigt. Gleichzeitig könne man die Autofahrer aber nicht erziehen. Wenn jemand beim Wechsel von Orange zu Rot trotzdem noch losfährt und sich dann inmitten der einspurigen Fahrbahn dem Verkehr aus der Gegenrichtung ausgesetzt sieht – dann hört das Verständnis von Varrin auf.

Ein Anwohner der Hauptstrasse sagt, dass er den Baulärm und den Stau gerne in Kauf nehme, wenn dafür künftig der Verkehr beruhigt sei. «Ab den Rasern nerve ich mich mehr als ab der Baustelle», sagt er. Zu beklagen habe er einzig, dass sich kaum ein Lenker an das Tempo 30 innerhalb der Baustelle halte. Dadurch entstünden gefährliche Situationen – genauso wie durch die Velofahrerinnen, die auf das Trottoir ausweichen. «Meine Nachbarin ist angefahren worden», sagt der Anwohner. Glücklicherweise sei der Vorfall glimpflich ausgegangen.

Info: Während den Betriebsferien des Bauunternehmens, vom 27. Juli bis am 9. August, werden die Bauarbeiten für zwei Wochen unterbrochen. Die Ortsdurchfahrt wird während dieser Zeit in beiden Richtungen voraussichtlich ohne Behinderungen möglich sein. Die aktualisierten Bauphasentermine stehen auf der Website der Gemeinde unter www.ipsach.ch.

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