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Ausgewandert

Die Geschichte mit dem Bike

Das ist eine wahre Geschichte, sie erzählt von einem jungen Mann, der sich ein Motorrad «auf Pump» gekauft hat.

Daniel Monnin, Sportjournalist auf den Philippinen
  • Dossier

Ich muss jedes Mal schmunzeln, wenn ich daran denke, und die Freunde, die sie mir erzählt haben, krümmen sich vor Lachen, wenn die Rede wieder einmal auf Sherwin (was für ein Name!) kommt. Sherwin ist der junge Mann, der sich ein ultramodernes, neues Bike anschaffen will. Geld hat er keines, aber die netten Verkäufer unterzeichnen mit ihm einen Abzahlungsvertrag über vier Jahre, in dem eine monatliche Zahlung festgeschrieben ist. Sherwin lächelt, unterzeichnet, zahlt die erste Rate, nimmt das Motorrad, bedankt sich artig für die paar Liter Benzin, die sich bereits im Tank befinden und fährt davon.

Von nun an ist das Bike sein ständiger Begleiter. Er bringt mit seinem Job gerade mal genügend Geld zusammen, um das Benzin, das er täglich verbraucht – plus ein paar andere «lebenswichtige» Ausgaben wie Handy, Internet, Essen und Unterhalt an die Familie – zu bezahlen. Schon bald wird die zweite Rate fällig, er bezahlt sie nicht, denn er hat kein Geld übrig. Auch die dritte nicht, die vierte, fünfte und sechste nicht. Aber er fährt tagtäglich mit dem Bike umher, zur Arbeit, zum Einkaufen, zum Bier holen, um mit der Freundin auszufahren.

Das geht Monate so. Er erzählt – ausser seinen Eltern und seiner Schwester – nichts von seinem Glück und er erwartet jeden Tag jemanden, der kommen und ihm sein Bike wegnehmen wird, da es ja nicht bezahlt wird.

Und der Tag kommt – nach fast anderthalb Jahren sprechen ihn auf dem Markt zwei «Eintreiber» an. Sie fragen ihn nach seinem Namen, wollen sein Motorrad sehen. Aus und vorbei, denkt er sich, zeigt sein Bike, lässt die beiden «Herren» die Stammnummer mit ihren Listen vergleichen und zum Schluss kommen, dass es sich wirklich um ein Bike handelt, das eingezogen werden muss. Man werde ihn in den nächsten Tagen an seiner Heimadresse kontaktieren und das Bike abholen, liess man ihn wissen.

Aus und vorbei. Beileibe nicht, denn Sherwin wartet in den nächsten Wochen vergebens auf die «Eintreiber», bis er sie eines Tages – rund drei Monate später – wieder auf dem Markt trifft. Man werde sein Bike bald einziehen, man habe zurzeit einfach nicht genug Platz, um all die Bikes zu lagern, man müsse abwarten, bis einige verkauft worden seien. Sherwin lacht innerlich und denkt, das kann ja noch einmal zwei Jahre dauern. Dauert es nicht, denn zwei Monate später stehen die Herren Eintreiber wirklich vor seiner Haustüre und warten einen ganzen Tag lang, bis er gegen Abend von der Arbeit kommt. Seither geht Sherwin zu Fuss, respektive er lässt sich chauffieren.

Die Erkenntnis aus dieser Geschichte: Wohl kaum viele der unzähligen neuen Bikes (und auch Autos), die hier vor den ärmlichen und baufälligen Hütten stehen, sind auch wirklich bezahlt…

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