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Brügg

«Die Höhe und die Freiheit da oben…!»

Ernst Oberli plant einen 12-Stunden-Hochrad-Marathon in der Bieler Seevorstadt. Bis es so weit war, musste sich der 71-Jährige von ganz unten hochkämpfen.

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Donat Blum

Ernst Oberli mag es herauszuragen. Vor zwei Jahren radelte er in luftiger Höhe quer durch die Schweiz. In 13 Tagen legte er 696 Kilometer zurück. Im letzten Jahr fuhr er für die Siky-Ranch von La Chaux-de-Fonds nach Zürich Oerlikon. Und Ende August will er für die StiftungDammweg zwölf Stunden durch die Bieler Seevorstadt kreisen. Wie immer auf dem Hochrad. Wie immer für einen guten Zweck.
Oberli mag es herauszuragen. «Der verrückte Hochradfahrer», nennt er sich in einemWerbeaufruf. Er mag es, wenn sich die Leute staunend nach ihm und seinem Hochrad umdrehen und er freut sich, wenn davon berichtet wird: «Von etwas Positivem», wie er sagt. Denn seine Aktionen will er auch als «Denkzettel an die Jugend» verstanden wissen. Sie soll sehen, «dass man nicht nur mit Negativem Schlagzeile machen kann».

Ein Leben lang hochgeklettert
Man muss dem Mann mit dem Fahrrad-Ohrstecker aber nicht lange zuhören, um zu verstehen, was ihn am meisten am Hochradfahren fasziniert: «Die Höhe, die Freiheit da oben ...!» Ernst Oberli schwärmt. Er sei schon als Kind gerne auf Bäume geklettert. Und er zupft an seinem Velodress wie an einem schicken Hemd: «Hochräder waren früher etwas für die mehrbesseren Leute.»
Ernst Oberli sitzt auf der Treppe vor seinem Brügger Mietshaus und berichtet aus seinem Leben. Er sei zwar 71 Jahre alt, aber er würde jederzeit nochmals quer durch die Schweiz fahren. Für sich. Für einen guten Zweck. Vielleicht mit ein paar zusätzlichen Pausen, aber fit fühle er sich wie eh und je. Eine Rückenverletzung, ausgekugelte Schultern und zwei Hirnschädeltrauma wischt er zur Seite.
Ohne Ausbildung und Schule
Oberli ist es gewohnt auszuhalten. Seien es die beim 12-Stunden-Marathon zu erwartenden Krämpfe, sei es das Leben. 1946 im Elsass geboren, wächst Oberli bei den Grosseltern auf.Schweizer Auswanderer, Bauern. Als er zehn Jahre alt ist, kehren sie in den Jura zurück. Wie ein Verdingkind sei er aufgewachsen, sagt er. Der Grossvater war gewalttätig. Einen Beruf erlernen konnte Oberli nicht. «Aber das ist das Negative. Das ist die Vergangenheit.» Oberli spannt die Arme an und zeigt lachend auf die runden Muskeln, die über dem Ellbogen hervortreten: «Die Melkermuskeln, die haben nur Melker.»
Oberli hat Kühe gemolken und in Schreinereien gearbeitet. Er war Heizungsmonteur, Sanitärinstallateur, und bis zur Rente hat er Werbung und Zeitungen ausgefahren. «Ich habe zwar nichts gelernt. Aber gearbeitet habe ich immer.»

Er sei ein Showman
Und dann, vor rund zwanzig Jahren, hört er, dass Frau Tièche ein Hochrad gekauft hat. Frau Tièche ist die Besitzerin eines Antiquariats an der Mattenstrasse. «Ich bin einer von denen, die sofort sehen, wenn man aus irgendetwas eine Show machen kann», sagt Oberli. Und diese musste er auch damals gesehen haben. Tièche erlaubt ihm, auf dem Geschäftsparkplatz ihr Hochrad zu fahren. Er pflegt im Gegenzug die Antiquität und hält den Vorplatz sauber. Das sei so lange gut gegangen, wie er ihr die Show nicht gestohlen habe, sagt Oberli. Von einem Tag auf den anderen verbietet ihm die alte Dame die Lernfahrstunden.

«Ein englisches Original!»
Doch die Leidenschaft ist entfacht. Der Brügger ist Mitglied des Veloveteranen-Clubs, der Liebhaber von historischen Fahrrädern vereint, geworden. Und ein Kollege aus dem Club springt in die Bresche. Oberli kann von ihm ein Hochrad ausleihen, bis ein anderer Kollege vier Hochräder in England kauft und ein fünftes obendrauf geschenkt bekommt. Er vermacht es Oberli.
Ein Rennrad der Marke British Small Army. «Ein original englisches Hochrad!», schwärmt Oberli. Etwas, was er sich schon immer gewünscht hatte. Bis zu 28 Stundenkilometer schnell kann er damit fahren. «Bereits 1880 verfügte es über aerodynamische Elemente», sagt Oberli und zeigt auf die Gabel mit abgerundeten Kanten. Mit dem Oldtimer reist er seither an alle Hochrad-Weltmeisterschaften, die für ihn örtlich erreichbar sind. Dieses Jahr war das Karlsruhe: Der Geburtsort von Karl Freiherr von Drais, der mit der «Laufmaschine» das erste Fahrrad erfunden hat – vor 200 Jahren, rund 30 Jahre vor dem ersten Hochrad.

Mit Liebe aufpoliert
Während eineinhalb Jahren restauriert Oberli sein englisches Hochrad. Zum Abschluss streicht er es der Herkunft entsprechend in «Irish Moss Green» an.
Für die Schaufahrten an Festen und Veranstaltungen legt er sich passende Kleidung zu. Die Leute würden sagen, dass das etwas sei, was er besonders gut könne: Sich richtig anziehen, sagt Oberli. Nicht mit Zylinder, sondern mit Knickerbockerhosen, Weste und einer englischen Mütze. In dieser Garderobe macht er auf seinem zweiten Hochrad, einem amerikanischen Zirkusrad mit dem Namen «Boneshaker», Akrobatik. In luftiger Höhe, und auch heute noch mit 71 Jahren, und trotz Rückenverletzung. «Ich bin der einzige Hochradfahrer der Schweiz, der das macht», betont er stolz.

 

Der Marathon
- Der Marathon findet bei schönem Wetter am 31. August zwischen den Restaurants Ecluse und Pasquart statt (Verschiebedatum: 7. September)
- Start 8 Uhr, Ende 20 Uhr
- Gesucht werden noch Freiwillige, die als Streckenposten mithelfen, die Kreuzungen abzusichern. Interessierte schreiben an: ernsthochradbsa2@gmail.com
- Spenden zugunsten der Stiftung Dammweg können in den Restaurants gemacht werden
- Ernst Oberli freut sich über alle, die ihn in seinem Vorhaben lautstark unterstützen. db

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