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Insekten

Die unterschätzten Nützlinge

Wespen, Bienen oder Hornissen lösen bei vielen Menschen Ängste aus. Die meisten Sorgen sind jedoch unbegründet. Wie das friedliche Zusammenleben klappt, erklären Fachleute aus der Region.

Umsiedeln ist viel besser als bekämpfen: Deutsche Wespen. Bild: zvg/Andi Roost

Theresia Mühlemann

Sie sind nicht selten ungern gesehene Gäste im Garten, zumindest dann, wenn sie sich häuslich einrichten. Die Rede ist vor allem von Wespen, die im allgemeinen Verständnis nur lästig sind und wenig Nutzen bringen. Aber auch Hornissen, Bienen und Hummeln lösen bei vielen Leuten Panik aus, wenn sie zuhauf auftreten.

Tiere leiden unter Giften

Vor allem Bienen und Hummeln sind wichtige Bestäuber auf Obstbäumen und Gemüsepflanzen. Wespen und Hornissen bejagen zahlreiche Schädlinge, darunter auch Obstbaumschädlinge und Wachsmotten, die den Hummeln gefährlich werden könnten. Auf Bundesebene stehen diese Insekten noch nicht unter Artenschutz, umso wichtiger sind Initiativen zur Erhaltung und die Weitergabe von Wissen über die Lebensweise und den Nutzen all dieser Arten, deren Zahl und Vielfalt in den letzten Jahrzehnten unter widrigen Bedingungen wie Pestizideinsatz, Lichtverschmutzung und der Zerstörung von Lebensräumen abgenommen hat.

Im Juli hat die Regio Feuerwehr Aarberg ein Merkblatt veröffentlicht, in dem sie die Bewohnerinnen und Bewohner der Region informiert, dass nicht mehr die Feuerwehr zuständig ist für das Entfernen oder Vergiften der Nester, sondern wann immer möglich eine professionelle Umsiedelung oder Beratung in Erwägung gezogen werden sollte, und nur im Ausnahmefall das Vergiften durch einen Schädlingsbekämpfer.

Die schonendste Lösung ist das Tolerieren der Tiere und Absichern der Nester. Die Beratungsstellen vom Hornissenschutz, Hummelschutz oder lokale Imker beraten auch, welche Vorkehrungen getroffen werden können, um das temporäre Zusammenleben mit einem Wespen-, Hornissen- oder Wildbienenstaat so gefahrlos als möglich zu gestalten. Das Problem erübrigt sich im Spätsommer oder frühen Herbst von alleine. Ausser bei den Bienenvölkern, die mehrjährige Staaten haben und fast ausschliesslich domestiziert im Bienenhaus in ihren Behausungen überwintern, werden die Nester nach den Sommermonaten verlassen und das Volk stirbt. Einzig die Königinnen überleben den Winter und bilden im Frühling einen neuen Staat.

Doch nicht immer ist dieses Zusammenleben gefahrlos möglich. Wo Menschen leben, die stark allergisch auf Wespengift reagieren, oder wo kleine Kinder spielen, die vergessen, Abstand zu halten, sollte ein Nest dennoch nicht verbleiben.

So klappt das Umsiedeln

Wenn entschieden wurde, ein Wespen- oder Hornissenvolk umzusiedeln, kommt in der Region die Biologin und Naturschützerin Renate Grimm zum Einsatz. Sie selbst kam zum ersten Mal mit dem Thema in Berührung, als sie, damals Bewohnerin einer Genossenschaftssiedlung in Bern und zuständig für das Gartenressort, mit einem Hornissennest im Gartenhaus konfrontiert wurde. Sie suchte nach einer schonenden Lösung und landete auf der Website von Andi Roost, Begründer der Hornissenschutzbewegung in der Schweiz, und als dieser Kurse ausschrieb, zögerte Grimm nicht lange und liess sich selbst dort ausbilden. Heute ist sie für ein Einzugsgebiet, das über die Kantonsgrenzen hinaus reicht, verantwortlich.

In Beratungsgesprächen evaluiert Grimm genau die Situation und gibt Empfehlungen zum weiteren Vorgehen ab. Voraussetzung für eine Umsiedelung sei es, dass das Nest möglichst frei zugänglich und unbeschadet zu versetzen sei. Die so geborgenen Nester können mitsamt der Tiere in einer Transportbox an einen neuen Ort, seien es schöne Naturgärten von Privatpersonen oder in Absprache mit dem Förster an eine geeignete Stelle im Wald, gebracht und dort ausgewildert werden. Freilich müsse sich Grimm für diese Aktionen in Schutzkleidung hüllen, wie sie etwa von Imkern bekannt sind. «Wird ein Nest bewegt oder erschüttert, verteidigen die Tiere es sofort.»

Treue Hummeln

Nester von Erdhummeln seien schwer zu bergen, doch auch da könne man sich beraten lassen, so Grimm. Ausserdem würden sich viele Leute dagegen entscheiden, ihr Hummelnest zügeln zu lassen, wenn sie erfahren würden, dass sie dann ihre Hummeln auf Dauer verlieren würden. Hummeln kämen nämlich jedes Jahr in ihre alte Heimat zurück.

Von den neun in der Schweiz lebenden staatenbildenden Wespenarten, gibt es zwei, die dem Menschen besonders «lästig» werden. Die deutsche und die gemeine Wespe bauen häufig ihre Behausungen im Garten, beispielsweise in alten Mäusegängen im Erdreich, oder ums Haus. Und diese beiden sind es auch, die einem in den Augen vieler alljährlich im Spätsommer die Grillabende vermiesen und die Glacé streitig machen wollen. Sie suchen Proteine für die Aufzucht der Brut, den Zucker brauchen sie als Energielieferant für sich selber, und mit Wasser, das sie ins Nest transportieren, kühlen sie ihre Behausung. Dies erklärt Andi Roost in einem seiner Artikel. In diesen Wochen allerdings fliegen nicht nur scheinbar sehr wenige dieser Tiere um den gedeckten Tisch.

Nasser Sommer

«Dieses Jahr ist die Situation für die meisten dieser Insekten sehr schlecht», berichtet Grimm. Zu lange sei es nass und kühl gewesen. Bei der Kontrolle der gemeldeten Nester, vor allem der Hornissen, seien auffällig viele Völker eingegangen, von den wenigen verbliebenen Nestern sei eines auch noch vergiftet worden. «Jetzt müssen alle zusammenarbeiten», so Grimms Appell. Die Auswirkungen dieses extremen Sommers würden eventuell noch auf ein paar Jahre hin spürbar sein.

Auch bei den Wespen gibt es bereits Unterarten, die selten geworden sind. Einige der hiesigen Wespenarten sind im Übrigen nicht einmal in der Lage, durch menschliche Haut zu stechen, und sind vom Verhalten her friedliche Zeitgenossen.

Wer verhindern will, dass Hornissen oder Wespen sich im neuen Jahr wieder an den neuralgischen Stellen einnisten, sollte im Winter die verlassenen Bauten sauber entfernen und Zugänge verschliessen. «Im Frühling riecht die neue Generation über die Resten in beispielsweise Vogelhäuschen oder Rollladenkästen, wo ein günstiger Ort für ein Nest sein könnte», erklärt Grimm.

Wenn sich jedoch ein Bienenschwarm irgendwo einnistet, vorzugsweise an einem trockenen, windstillen Ort wie in einem hohlen Baumstamm, oder wenn ein Schwarm auf der Durchreise als grosse Traube an einem Ast im heimischen Garten hängt, so sollte man umgehend den lokalen Imker informieren, erklärt Imker Jörg Schwab.

Bienenvölker teilen sich, wenn sie wachsen und eine neue Königin schlüpft. Die Jungkönigin macht sich dann mit einem Gefolge von 10 000 bis 15 000 Bienen, die vollbepackt mit Blütenstaub als Proviant für drei Tage sind, auf den Weg aus dem Stock. «Späherbienen» suchen einen geeigneten Ort für den Nestbau, während der Rest des Schwarms zu einer Traube zusammengerückt in der Nähe ihres Ursprungsortes warten. «Meist sind die Schwarmreisen nicht weit. Ältere Königinnen reisen oftmals nur etwa einen Kilometer vom Bienenhaus weg, jüngere vielleicht etwas weiter», erzählt Schwab, der in Jens und Epsach je ein Bienenhaus mit zahlreichen Völkern betreut, Es sei sehr eindrücklich, so einen reisenden Bienenschwarm zu sehen, schwärmt er. Wenn er die Bienen in seine Schwarmkiste einfängt, indem er erst die Königin, dann ein paar Bienen dazu in die mit feuchten Tüchern ummantelte Kiste setzt, braucht er nicht einmal einen Schutzanzug. Die Bienen seien, wenn sie schwärmen, nicht angriffslustig. Wenn die Königin dort sei, wo er sie haben wolle, könne er nach einer Weile die Box mit dem ganzen Schwarm mitnehmen, denn es dauere nicht lange, und sämtliche Anhänger finden den Weg zu ihrer Anführerin. «Die Anzahl der Bienen im Schwarm kann ich mittlerweile einfach nach Gewicht schätzen, ein Kilo entspricht 10 000 Bienen», sagt er. Nach einer dreitägigen Quarantänezeit in einem dunklen und kühlen Kellerraum, wo die Bienen ihre Nahrung aufbrauchen und sich in der Schwarmtraube reinigen, kann das Volk in einen Bienenkasten auf neue Waben ziehen und bei einem Imker bleiben.

Nistet ein Bienenvolk sich in einem geeigneten Hohlraum häuslich ein, kann es durchaus belassen werden. Jedoch sind die Überlebenschancen für ein Bienenvolk ohne Fürsorge in Zeiten der Varroamilbe und ohne Zufütterung bei längeren Durststrecken eher gering.

Die Zeit der «Bienenschwärmereien» beginne an den ersten warmen Frühlingstagen und endet ungefähr Mitte Juni, erklärt Schwab. Bei nassem Wetter und Temperaturen unter 12°C fliegen die Bienen nicht.

Die Tiere im Schlafzimmer

Renate Grimm freut sich über die Früchte, die ihre aufklärerische Arbeit bereits trägt. «Einmal hatte eine Klientin ein Wespennest im Bettkasten. Sie ist tatsächlich für einige Wochen zum Schlafen in die Wohnstube gezogen, und hat den Tieren ihr Schlafzimmer überlassen», erzählt sie freudig.

Stichwörter: Insekten, Wespen, Bienen, Hornissen

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