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Seeländer

Die Verteufelung des Schalls

Die Behörden haben einen neuen Staatsfeind entdeckt: den Lärm.

Theo Martin, Redaktor
  • Dossier

D ie Behörden haben einen neuen Staatsfeind entdeckt: den Lärm. Mit einschneidenden Regulierungen wollen sie ihn vertreiben. Noch ist es erst eine Drohung. Doch die Sorgen von Clubs, Konzertveranstaltern, DJs und Musikvereinen sind gigantisch – kann der Bund seine Pläne umsetzen, sind unzählige Konzerte bedroht.

Mit einschneidenden Regulierungen wollen sie ihn vertreiben. Noch ist es erst eine Drohung. Doch die Sorgen von Clubs, Konzertveranstaltern, DJs und Musikvereinen sind gigantisch – kann der Bund seine Pläne umsetzen, sind unzählige Konzerte bedroht.

Nun ist Lärmschutz natürlich gut, sinnvoll und nötig. Denn (zu) laute Musik kann ernsthafte Schäden verursachen. Wer sich lange hoher Lautstärke aussetzt, muss mit Höreinbussen oder einem Tinnitus rechnen. Regeln sind also sinnvoll. Aber auch die Eigenverantwortung funktioniert. Viele verwenden an Konzerten einen Gehörschutz; im Musiklager Seeland thematisieren wir die Gefährdung regelmässig.

Doch der Lärmschutz des Bundes soll jetzt noch viel weiter gehen. Die Beamten wollen jegliche Musik, die eine gewisse Anzahl an Dezibel übersteigt, bekämpfen «wie die Cholera oder die Pest», wie die NZZ schreibt. Was in der Verordnung mit dem sperrigen Titel «Schutz vor Gefährdungen durch nichtionisierende Strahlung und Schall» steht, ist beinahe ein Auftrittsverbot.

Bereits ab durchschnittlich 93 Dezibel – das entspricht etwa der Lautstärke einer Trompete – hat der Veranstalter rigide Massnahmen zu treffen, wenn er keine Busse riskieren will. So muss er a) das Publikum im Eingangsbereich über die Gefahren von lauter Musik informieren, b) kostenlosen Gehörschutz anbieten, c) den Pegel während der Veranstaltung mit einem Messgerät überwachsen und d) die Veranstaltung der Vollzugsbehörde mindestens 14 Tage im Voraus melden.

Steigt der Pegel auf 100 Dezibel, dann muss e) die gesamte Darbietung aufgezeichnet und f) diese Aufnahme 30 Tage aufbewahrt werden. Dazu muss g) der Organisator eine sogenannte Ausgleichszone schaffen – ähnlich wie ein Fumoir, aber direkt im Publikumsbereich. Das Bundesamt für Gesundheit behauptet, im Bereich von Veranstaltungen entstünden keine Mehrkosten. Doch die Messungen sind neu mit einem professionellen Gerät vorzunehmen. Laut «Sonart – Musikschaffende Schweiz» kostet das inklusive Eichung 5'000 Franken. Damit sind viele Quartierfeste, Hochzeits-DJs und Musikvereine akut gefährdet.

Die Pläne dienen nicht dem Schutz, sondern greifen in einen Bereich ein, der bisher kaum Probleme verursacht. Dass der Bund auf beiden Ohren taub ist, zeigt eine sonderbare Unterscheidung: Einer Guggenmusik könne man nicht vorschreiben, leiser zu spielen. Für den Schlagzeuger einer Rockband gilt die Ausnahmeregelung aber nicht. Weil die Vernehmlassung bereits beendet ist, kann der Unmut nur noch über eine Online-Petition deponiert werden. Theo Martin

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