Sie sind hier

Abo

Ins

Diese Blume blühte lange

Nach fast 30 Jahren schliesst Ruth Aebi ihren Blumenladen. Das Ende des dorfbekannten Geschäfts kam unerwartet, hatte aber nichts mit Corona zu tun.

Ruth Aebi steht ein 
letztes Mal in ihrem Laden. Bild: Rachel Hämmerli 


Rachel Hämmerli

Zuerst scheute sich Ruth Aebi vor einem Artikel in der Zeitung. Sie erzählt nicht gern von sich und «ich habe gerade so viel zu tun», sagte sie am Telefon. Nachdem der Amtsanzeiger ankündigte, dass Blumen Aebi letzten Donnerstag für immer schliessen würde, kamen 100 Kunden zum ersten Tag des Schlussverkaufs. Ruth Aebi war gerührt von den Reaktionen.

Kundinnen und Kunden seien erschrocken über die Nachricht. «Sehr schade», habe sie immer wieder gehört. «Das tut mir leid für die Kunden», sagt Ruth Aebi. «Für sie kam das so plötzlich.» Letztendlich begrüsste Aebi den Zeitungsbericht – damit die Leute aus der Umgebung über die Hintergründe Bescheid wissen.

Dieses Gespräch findet kurz vor dem allerletzten Feierabend im halb leeren Blumen Aebi an der Moosgasse in Ins statt.

«Viele denken, wir schliessen wegen des Coronavirus», sagt Aebi – aber die Krise hatte keinen Einfluss. Finanziell war der Blumenladen gut gebettet. Die rosigen Zeiten waren zwar verblüht, nachdem Blumenmärkte in der Region eröffneten, doch Blumen Aebi überdauerte. Geld war nicht der Grund für das Ende. Man sieht es Ruth Aebi nicht an, aber sie hört altershalber auf. Bald 80 Jahre alt, stand sie jeden Tag im Laden, schaute nach dem Rechten und bediente die Kundschaft.

 

Blumen im Blut

Sie ist keine gelernte Floristin, doch nach drei Jahrzehnten weiss Ruth Aebi, wie schöne Sträusse auszusehen haben. Auf der Berner Blumenbörse traf sie stets die Auswahl für den Laden. Zweimal in der Woche kam «der Holländer» mit dem Camion voller Schnittblumen. Sie und ihre Floristinnen wählten die Blumen nach Saison und Gemüt.

Ruth Aebi ist in den Beruf «reingerutscht», wie sie es nennt. Der Blumenladen war nicht einmal ihre Idee, sondern die ihres Mannes Jakob. Er machte aus dem leer stehenden Gewerberaum unterhalb des Wohnhauses der Familie den Blumen Aebi.

Nach zwei Jahren trat Ruth Aebi an die Stelle einer Floristin, weil der Laden anfangs nicht florierte. Der Erfolg kam mit der Zeit. Sie tut sich schwer damit, den Grund dafür auszumachen. «Kunden sagten mir, dass sie bei uns immer etwas Schönes finden», sagt sie. Vermutlich sei der Blumenladen deswegen beliebt gewesen.

 

Blumenladen des Vertrauens

Blumen Aebi entwickelte sich zum Traditionsgeschäft. Der Jodlerklub Ins vertraute ihm den Blumenschmuck für die Trachten an, erzählt Kundin und Jodlerin Daria Occhini. «Sie wussten immer, wie wir es haben wollten.» Immer freundlich, immer flexibel – auch der Preis habe immer gepasst. «Sie werden uns sehr fehlen», sagt sie.

Auch die jährliche Adventsausstellung wird fehlen. Jedes Jahr, eine Woche vor Advent, veranstaltete Blumen Aebi eine Ausstellung mit allem Nötigen für die Weihnachtstage – Weihnachtskränze, Kerzen und Keramik. Die Ausstellung zog immer viele Kunden an, neben Mutter- und Valentinstag.

Jetzt will Ruth Aebi «eifach chly sy». Mit 64 dachte sie noch lange nicht an den Ruhestand. «Es hat mir immer gefallen», sagt sie. Sie habe sich auch stets auf gute Floristinnen verlassen können. Es gab keinen Grund, aufzuhören. Jetzt ist der Tag doch gekommen, zusammen mit der Coronakrise. «Eigentlich sollte der Ausverkauf den ganzen April stattfinden.» Wegen des Virus waren es nur drei Tage. Viele Artikel blieben unverkauft. Auf dem familieneigen Platanenhof in Gampelen unterhält Aebi noch eine kleine Blumenecke im Shop. «Ich versuche, die übrigen Artikel dort zu verkaufen», sagt sie. In der Ecke werden Kundinnen auch zukünftig Blumen von ihr finden.

Es ist kurz nach 18 Uhr. Die letzten Minuten eines Lebenswerks sind bald vorüber. Der Chefin blieb wenig Zeit, um an Abschied zu denken. «Vor lauter Arbeit komme ich gar nicht zum Überlegen», sagt Ruth Aebi. Ihre Gefühle verbirgt sie unter scheuer Zurückhaltung. Was danach mit dem Laden passiert, auch darüber hat sie sich noch keine Gedanken gemacht.

Stichwörter: Blumen, Laden, Ins, Seeland, Region

Nachrichten zu Seeland »