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Lyss

«Dieses Geschäft rechtfertigt sich durch nichts»

Gestern Abend hat das Lysser Parlament den geplanten Kauf einer Radaranlage bachab geschickt: Die bürgerlichen Parteien verweigerten Gemeinderat Jürg Michel (SVP) die Unterstützung. Angenommen wurde der Kredit für den Bau eines Generationenparcours.

Die Bahnhofstrasse in Lyss gilt bei der Gemeinde als Hotspot: Wegen zu schnellen Fahrens treffen gelegentlich Beschwerden ein. Bild: Peter Samuel Jaggi

Andrea Butorin

Soll die Gemeinde Lyss eine Radaranlage anschaffen, um künftig im Gemeindegebiet auf eigene Faust Kontrollen durchführen und Bussen erheben zu können? Diese Frage hatte der Grosse Gemeinderat von Lyss (GGR) gestern Abend zu klären – auf der Traktandenliste stand ein Verpflichtungskredit zum Kauf einer Radaranlage in der Höhe von 240 000 Franken.

Bereits im Vorfeld zeichnete sich ab, dass das Traktandum eine hitzige Debatte nach sich ziehen würde (das BT berichtete). Das war Jürg Michel (SVP), Gemeinderat im Ressort Sicherheit und Liegenschaften, bewusst, als er ans Mikrofon trat, um das Geschäft zu vertreten. «Die Auslöser für das Geschäft sind zahlreiche Vorwürfe aus der Bevölkerung, ob wir denn nichts gegen diejenigen Verkehrsteilnehmer tun, die zu schnell fahren», sagte er. Um diesem Anliegen zu entsprechen, fehle der Gemeinde das Werkzeug.

 

«Unverhältnismässig»
«Dieses Geschäft rechtfertigt sich durch nichts, ausser, dass man damit Geld verdienen will», sagte Patrick Häni im Namen der SVP - notabene Jürg Michels Partei. Im Geschäft sei zu lesen, dass es in Lyss wenig unfallkritische Stellen gebe. Besser wäre es, wenn die Polizei vermehrt Präsenz markierte: «Und zum Beispiel den Eltern, die ihre Kinder zur Schule fahren, zeigen, dass das nicht gut ist.»

Seine Fraktion störe sich besonders an der im Zusammenhang mit dem Geschäft zu schaffenden 100-Prozent-Stelle, sagte Jürgen Gerber (EVP). «Die jährlich budgetierten 250 000 Franken Einnahmen aus Bussen wecken Begehrlichkeiten.»

Auch die FDP kündigte Opposition an: «Die Anlage wäre zu 85 Prozent der Zeit in Betrieb, das ist unverhältnismässig», sagte Thomas Lötscher. Es bestehe zudem kein übermässiges Unfallrisiko auf den Lysser Strassen: Seit der Erhebung der Statistik sei auf vielen Strassen die Geschwindigkeit von 50 auf 30 reduziert worden.

 

«Zu selten nachts unterwegs»
«Ich möchte nicht zu jenen Parlamentariern gehören, die aufgrund der Ablehnung des Geschäfts die Verantwortung für einen Unfall übernehmen müssen», sagte Hans Ulrich Bühler (SP) im Namen der Fraktion SP/Grüne. Insbesondere bei Schulen und Kindergärten sei eine Kontrolle wichtig. «Bei uns in Busswil gilt vor dem Schulhaus immer noch Tempo 50, und da muss man fast froh sein, wenn die Kinder abgeholt werden.»

Ueli Spring (BDP) sagte, dass insbesondere zu später Stunde vermehrt zu schnell gefahren werde. So gebe es Leute, die mit Tempo 70 oder 80 durch die Bahnhofstrasse fahren würden. «Ihr seid offenbar zu selten unterwegs in der Nacht», sagte er in Richtung seiner Ratskollegen.

Levi Müller (FDP) war der Meinung, dass es besser wäre, eine Radaranlage zu mieten. Und Katrin Meister (SP) fügte an, dass gute Vorschläge zur Prävention gemacht worden seien: «Ich hoffe deshalb, dass der Gemeinderat sich diese durch den Kopf gehen lässt, sollte das Geschäft abgelehnt werden.

«Wir finden das Geschäft eine gute Investition», sagte Yannik Hauser (GLP). Allerdings fordere seine Fraktion, dass das Geschäft zurückgewiesen werde mit dem Auftrag, dass der Gewinn mittels Spezialfinanzierung vollumfänglich in den Langsamverkehr investiert werde. Dieser Antrag wurde mit 22 zu 9 Stimmen abgelehnt.

Auch das eigentliche Geschäft wurde mit 20 zu 10 Stimmen abgelehnt.

 

«Mutig sein = Projekt stoppen»
Auch der Generationenparcours, der mit Unterstützung der Stiftung Hopp-la im Lysser Zentrum geplant ist, gab Anlass zu Diskussionen. Zur Abstimmung lag eine Variante mit diversen Stationen, allerdings ohne den Gemeindespielplatz beim Stegmattschulhaus vor – der zu genehmigende Verpflichtungskredit betrug 380 000 Franken.

Stefan Nobs (FDP), Gemeinderat Bildung und Kultur, vertrat das Geschäft für den abwesenden Stefan Bütikofer (SP), Gemeinderat Soziales und Jugend. «Mit diesem Projekt ist Lyss innovativ und geht voran», sagte er. In der Gemeinde brauche es Begegnungsräume für Jung und Alt.

«Das tönt zwar schön, aber ist das wirklich die Aufgabe der Gemeinde?», fragte Markus Marti (BDP). Er hege die «begründete Vorahnung», dass der Parcours wie viele andere Attraktionen nur während einer kurzen Zeit benutzt würden. So sehe etwa das geplante Wasserspiel schön aus. Aber es sei zu wenig nachhaltig. «Wir müssen keine Vorreiterrolle übernehmen. Mutig sein heisst das Projekt stoppen», schloss Marti.

Thierry Aeschlimann (SVP) sagte, das Geschäft weise zwar durchaus positive Punkte auf, aber es sei lediglich bloss «nice to have». Deshalb versorge man es besser in der Schublade, bis die grossen Brocken der nächsten Jahre, etwas die Sanierung der Stegmattschule, erledigt seien.

«Endlich haben wir ein richtig innovatives Projekt», sagte Katrin Meister (SP). Man müsse der wachsenden Bevölkerung auch etwas bieten. Im Namen der Fraktion SP/Grüne schlug sie vor, die Variante mit dem kompletten Kredit inklusive geplantem Spielplatz beim Stegmattschulhaus zu sprechen – ein Anliegen, das im Rat nicht auf Unterstützung stiess.

«Das Geschäft gibt einen Mehrwert», sagte Viktor Studer von der GLP, «aber wir sehen noch Verbesserungspotenzial. Er stellte deshalb den Antrag, das Geschäft zurückzuweisen und mit drei Änderungen zu versehen. So solle die Alterssiedlung Stegmatt, die Bevölkerung insgesamt und das Fussballfeld am Blumenweg miteinbezogen werden. Dieses Anliegen wurde vom Rat mit 29 zu 2 Stimmen abgelehnt.

Bei der Schlussabstimmung wurde der Verpflichtungskredit für den Generationenparcours mit 19 zu 11 Stimmen angenommen.

 

Weitere Beschlüsse

- Verabschiedung der Richtlinien und Zielsetzungen 2018-2021.

- Wahl des Rechnungsprüfungsorgans 2019-2023: Anstelle der bisherigen Firma ROD Treuhand aus Urtenen-Schönbühl wird die Bieler Firma BDO AG gewählt (der Gemeinderat hatte die Revitas AG aus Lyss vorgeschlagen).

- Postulat SP/Grüne «Wieder auf die Beine stellen der Fachgruppe Integration» wird abgelehnt.

- Ersatzwahlen: Anstelle von Steve Fuhrer wird Stéphanie Tschanz-Simon (beide BDP) in die Parlamentskommission Präsidiales und Finanzen gewählt. Anstelle von Berthold Büscher wird Lukas Ruggli (beide SP) in die Parlamentskommission Soziales und Jugend gewählt. ab

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