Vor 75 Jahren, am 8. Mai 1945 schweigen die Waffen. Am Tag, als der Zweite Weltkrieg in Europa offiziell endet, läuten landauf landab die Kirchenglocken. Am 9. September 1945 kapituliert Japan und genau einen Monat später, am 9. Oktober, ziehen die Rütiger Männer vier neue Kirchenglocken mit Flaschenzug und Seilwinde hinauf auf den Kirchturm. Prächtige Glocken sind es, wie historische Bilder zeigen. Mit Blumen geschmückt auf einem Ladewagen, gezogen von drei Pferden, ebenfalls mit Blumen geschmückt, halten sie im Dorf Einzug. Das ganze Dorf ist auf den Beinen, um sie willkommen zu heissen. Es ist ein Freudentag für die Einwohnerinnen und Einwohner. Am 21. Oktober 1945 findet die Einweihung statt mit einem grossen Fest: der Kirchenchor singt Psalme, der gemischte Chor singt ein Werk des Komponisten Andreas Romberg und, in Begleitung der Musikgesellschaft das Lied «Ambrosianischer Lobgesang» und alle Chöre zusammen stimmen «Die Himmel rühmen» von Ludwig van Beethoven an. Der Ortspfarrer hält eine Ansprache, ein Mitglied des Gemeinderats und sogar Ingenieur Baer von der Glockengiesserei H. Rüetschi aus Aarau, wo die Glocken hergestellt worden waren, ist dabei.
Die kleinste hatte einen Sprung
Bisher hattten in Rüti nur zwei Glocken geläutet, hergestellt in den Jahren 1811 und 1861. Halt, eigentlich waren es drei, wie der damalige Lehrer Glauser schriftlich festhielt. Die kleinste habe 1815 «einen Sprung» abbekommen und sei seither stumm geblieben. Die neuen vier Glocken wiegen gemäss Lehrer Glauser zwischen 248 und 806 Kilogramm. Die Inschriften auf ihnen mahnen die Bürgerinnen und Bürger: «Folgt meiner Stimme, wann ich ruf, versäumt nicht eure Pflicht», heisst es auf der kleinsten. Die nächstgrösste verlangt: «Bete und arbeite, Wohl dem Volk, des Gott der Herr ist, während auf der dritten «Der Herr ist auferstanden» steht. Die Grösste dagegen preist «Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden».
Neueste Glockentechnik – und Würste
Seither bimmeln die vier Glocken alle 15 Minuten im Kirchturm von Rüti. Sie schlagen zur vollen Stunde und rufen sonntags die Rütigerinnen und Rütiger zur Predigt. Vierstimmig, jede in ihrem ganz eigenen Ton. Seit 75 Jahren, jeden Tag. Rüti will dieses Jubiläum wiederum feiern. Die Kirchgemeinde lädt die Bevölkerung am Samstag und am Sonntag zu allerlei Festivitäten ein und öffnet die Türen ihrer Gebäude: Interessierte können die Kirche besichtigen, das Pfarrhaus und das Ofenhaus. Wer mag, kann sogar den Kirchturm besteigen und sich die neuen Technikanlagen vom Fachmann erklären lassen. Denn gleichzeitig mit dem Jubiläum vollzieht die Kirchgemeinde auch den Übergang zur Digitalisierung. In der Kirche ist eine historische Fotoschau der Feier von 1945 zu bestaunen, auf dem Pfarrhof gibt es Grillwürste mit Brot und , im Pfarrhaus serviert das Team vom «Rüti-Treff» Kaffee und Kuchen. Am Sonntag findet in der Kirche ein Jubiläumsgottesdienst statt.
Brigitte Jeckelmann
Info: Samstag 10. Oktober, ab 13 Uhr, Tag der offenen Tür mit Fotoschau, Kinderhütedienst, Grillwurst, Kaffee und Kuchen. Sonntag, 11. Oktober, ab 9.30 Uhr: Gottesdienst und Apéro. In allen Gebäuden gilt Maskenpflicht.
