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Sommerserie

Ein Hauch von Kanada

In Les Reussilles bei Tramelan kann man in einem echten Trapperzelt direkt neben einem Huskypark übernachten. Die Begegnung mit den Tieren ist eindrücklich – ebenso die nächtliche Kälte.

Thierry Maurer und Danièle Tock vor dem Trapperzelt: Das Paar widmet praktisch seine gesamte Freizeit den 15 Huskys. Bild: Mattia Coda
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Sarah Grandjean

Nach einem 15-minütigen Fussmarsch vom Bahnhof aus erreichen wir unsere Unterkunft für diese Nacht: ein kanadisches Trapperzelt direkt neben einem Huskypark. Wir befinden uns in Les Reussilles, einem Weiler in der bernjurassischen Gemeinde Tramelan. Unsere Gastgeber Danièle Tock und Thierry Maurer erklären uns, dass die kanadischen Trapper solche Zelte verwenden, wenn sie auf der Jagd sind. Aber auch Gold- und Pilzsucher benutzen sie. Gibt es in Kanada einen Waldbrand, wachsen im folgenden Jahr Morcheln aus der Asche, erzählt Maurer. Die Pilzsucher schlagen ihre Zelte auf, machen sich auf die Suche und sichern sich innerhalb von wenigen Wochen ihr Einkommen für das ganze Jahr.

Wir stellen unsere Rucksäcke ab und inspizieren erst einmal das Zelt. Es besteht aus weissem Stoff, der auf rohe Holzstämme gespannt ist. Das Innere bietet Platz für eine Luftmatratze mit Kissen und Decke auf zwei Paletten, einen kleinen Tisch und einen Korb mit Tellern und Besteck. Daneben ist gehacktes Brennholz gestapelt. Es riecht nach den Strohballen, die das Kopfende des Bettes bilden. Draussen stehen ein Kanister mit Wasser und zwei Campingstühle bereit, an einer Stange hängen hölzerne Schneeschuhe. Neben unserem Zelt ist ein kleineres aufgebaut, eines, wie die Hundeschlittenführer, sogenannte Musher, sie verwenden. Es ist für die Kinder gedacht, wenn eine Familie hier übernachtet. Ein Stück entfernt gibt es ein weiteres Zelt. Darin befindet sich eine Trockentoilette: Nach jedem Gebrauch schüttet man etwas Sägemehl hinterher, das in einer Milchkanne bereit steht.

Daneben vermieten Maurer und Tock drei Doppelzimmer sowie eine Dachwohnung, die sie eben renoviert haben. Heute aber sind wir die einzigen Gäste. Bevor wir draussen ein Feuer entzünden und unser Picknick auspacken, zeigen uns die beiden den Huskypark. Denn eine Führung ist in unserer Übernachtung, die für zwei Personen inklusive Frühstück 190 Franken kostet, inbegriffen.

Mönch, Jungfrau und Ragusa

Im 8000 Quadratmeter grossen Park lebt ein Rudel von 15 Sibirischen Huskys. Sie bellen aufgeregt, als Maurer das Tor öffnet, und beschnuppern uns. Hin und wieder knurren sich zwei Tiere an oder jagen hintereinander her. Sie kämpfen darum, wer Rudelführer sein darf, erklärt Tock. Aber die wirklichen Chefs sind sie und ihr Partner: Ihnen gehorchen die Huskys, da gibt es keinen Kompromiss.

Maurer und Tock züchten seit über einem Jahrzehnt Huskys. Alle ein, zwei Jahre lassen sie eine Hündin decken und ziehen die Jungen auf. Manche behalten sie, die anderen werden verkauft. Bei reinrassigen Zuchttieren gilt in der Schweiz die Regel, dass alle Welpen eines Jahrgangs einen Namen mit demselben Anfangsbuchstaben erhalten. In diesem Jahr ist dies der Buchstabe N. So weiss man anhand des Namens sofort, wie alt ein Tier ist. In Kanada dagegen wird nicht ein Buchstabe vorgegeben, sondern ein Thema, weiss das Paar zu erzählen. Zum Beispiel Schweizer Berge oder Schweizer Schokolade. So tragen die Hunde dort Namen wie Mönch, Jungfrau, Ragusa oder Ovo.

Maurer und Tock sind selbst bereits mehrmals nach Kanada gereist: in den Yukon im Nordwesten und nach Quebec im Osten. Sie haben sogar mit dem Gedanken gespielt, nach Kanada auszuwandern. Hätten sie nicht dieses grosszügige Grundstück im Berner Jura kaufen können, wären sie in den Yukon gezogen.

Erleben statt konsumieren

Nun bieten sie hier mit ihren Huskys verschiedene Aktivitäten für Gäste an. Beispielsweise kann man sich von einem Hund auf einem Fatbike durch den Wald ziehen lassen, bei einem Tempo von bis zu 40 Stundenkilometern.

Man kann aber auch mit den Hunden laufen gehen – diese Erfahrung dürfen wir am nächsten Morgen machen. Dabei halten wir die Hunde nicht an der Leine, wie wir uns das vorgestellt hatten. Denn dazu ziehen sie viel zu stark. Die Leine wird stattdessen an einem Hüftgurt festgemacht. Tock führt uns über die Felder und durch eine Kuhwiese in den Wald. Wir kommen an einem kleinen See vorbei und spazieren durch ein Moor. Mein Husky ist gemütlich unterwegs. Er bleibt hin und wieder stehen, schnuppert irgendwo und zieht erst richtig an der Leine, als sein Zuhause wieder in Sicht kommt.

Der Winter ist jeweils die Zeit für Hundeschlittenfahrten, Mushing genannt. Dann trainiert das Paar seine Hunde und nimmt auch an Meisterschaften teil. Die Region ist für Mushing geeignet, denn hier sinken die Temperaturen im Winter auf bis zu minus 20 Grad. Dennoch fahren Maurer und Tock hin und wieder mit ihren Hunden weg, zum Beispiel wie im letzten Winter nach Schweden. Dann werden die Tiere in einen Bus geladen, jedes in seinen Zwinger, und es folgt eine dreitägige Reise gen Norden. Die Idee der geführten Touren ist die, dass die Gäste lernen, den Schlitten selbst zu fahren, erklärt Tock. Die beiden möchten nicht, dass die Touristen bloss herkommen, um zu konsumieren. Sie wollen ihnen ein Erlebnis bieten. Und dazu gehört, dass man sich Zeit nimmt, um sich auf die Tiere einzulassen. Denn schliesslich geht es beim Mushing um den Kontakt zwischen Mensch und Tier.

Kalt und sternenklar

Nach der Führung machen wir ein Feuer und grillieren unsere Vegiplätzli, dazu gibt es Brot und Cherrytomaten. Das Abendessen nimmt man hier selbst mit – richtige Trapper werden schliesslich auch nicht bekocht. Es ist ruhig, der Wind hat sich gelegt. Die Huskys laufen vor uns über das Feld, während die Sonne hinter den Tannen verschwindet. Die Nacht ist sternenklar und entsprechend kalt. Wir kuscheln uns in unsere Schlafsäcke, aber wirklich warm wird uns die ganze Nacht lang nicht. Ausserdem wecken wir uns bei jeder Bewegung auf der Luftmatratze gegenseitig auf.

So sind wir erleichtert, als am Morgen die Hunde zu heulen beginnen und die Dämmerung einsetzt. Tock kommt mit einem Frühstückskorb durchs nasse Gras auf uns zu. Es gibt Gipfeli mit selbstgemachter Konfi, Aprikosen, Orangensaft und – darüber freuen wir uns in diesem Moment am meisten – heissen Kaffee in einer Thermoskanne. Wir schenken uns einen Becher davon ein, schauen in die Morgensonne und sind froh, hier im Berner Jura aufgewacht zu sein und nicht irgendwo in der einsamen kanadischen Wildnis.

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Übernachten im Trapperzelt

Komfort: * *

Erlebnis: * * * * *

Lage: * * *

Erreichbarkeit: * * * * *

Preis/Leistung: * * *

sg 
Info: Vent du Nord, La Chaux 10, 2722 Les Reussilles. Tel. 078 858 35 58. Öffnungszeiten auf Anfrage. www.ventdunord.ch

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