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Jubiläum

Ein Kreis hat sich geschlossen

Die Lengnauer Atlantic Watch feiert dieses Jahr ihr 125-jähriges Bestehen. Der Ururenkel des Firmengründers Eduard Kummer ist heute Markenbotschafter.

Atlantic-Geschäftsführer Jürg Bohne (links) und die Nachkommen des Firmengründers: Franz Kummer, ein Enkel von Eduard Kummer, Ururenkelin Sybille Kummer und Ururenkel Lukas Kummer, der als Skeleton-Athlet Werbung für die Marke macht. Bild: Olivier Gresset

Daniel Rohrbach

An der diesjährigen Baselworld hat sich ein Kreis geschlossen: Sybille Kummer, an der Uhrenmesse als Hostess beschäftigt, nutzte eine freie Minute und wurde am Stand der Atlantic Watch vorstellig und erzählte Geschäftsführer Jürg Bohne, dass die Marke ein Teil ihrer Familiengeschichte sei. Sybille Kummers Ururgrossvater, ein gewisser Eduard Kummer, hat mit seiner Firmengründung 1888 in Bettlach den Grundstein zur heute in Lengnau beheimateten Marke gelegt. Für Jürg Bohne seinerseits war Sybille Kummers Besuch eine Überraschung. Wohl habe er gewusst, dass die Firma durch Eduard Kummer gegründet worden sei, aber er habe sich nicht Gedanken gemacht darüber, ob es noch Nachkommen des Firmengründers geben könnte. «So war diese Begegnung ein schöner Zufall», erzählt Bohne.

Dabei liess man es aber nicht bewenden. Sybille Kummers Bruder Lukas Kummer, in der vergangenen Saison Schweizermeister im Skeleton, fungiert seit Kurzem als Markenbotschafter für Atlantic. Kummers grosses Saisonziel sind die Olympischen Winterspiele, die im kommenden Februar in Sotschi stattfinden werden. Lukas Kummer hat sich nun in den kommenden Weltcuprennen mit guten Resultaten für die Spiele in der russischen Stadt am Schwarzen Meer zu qualifizieren.

700 Mitarbeiter

Doch blenden wir zu den Anfängen der Marke Atlantic zurück. Im Firmenarchiv findet sich heute noch das erste Arbeitsbuch, datiert mit dem 1. Juni 1888, von Eduard Kummer. «Für uns ein Schlüsseldokument», sagt Bohne. Eduard Kummer, 1845 in Bettlach geboren, muss von einem initiativen Geist durchdrungen gewesen sein. Als Jüngling erlernte er im, auf der französischen Seite des Doubs, gelegenen Charquemont das Uhrmacherhandwerk. Danach bildete er sich in Reconvilier und Grenchen weiter und stieg zum Visiteur (Chef) auf. 1882 gründete er zusammen mit einem Geschäftspartner in Grenchen eine auf Ebauches spezialisierte Firma. Kummer erkannte in der Uhrwerk- und Komponentenfabrikation ein immenses Wachstumspotenzial und machte sich daran, die Firma ohne Partner weiter zu führen. Da traten einige Bettlacher Bürger mit der Bitte an ihn heran, anstatt in Grenchen doch in seiner Heimatgemeinde ein eigenes Unternehmen zu errichten.

Dank unternehmerischen Geschicks gelang es Kummer schnell, unter dem Namen «Eduard Kummer Bettlach» (EKB) einen erfolgreichen Betrieb aufzubauen. Die Mitarbeiterzahl, die anfänglich bei etwa 20 Angestellten lag, stieg in der Folge rasch, sodass die Firma um die Jahrhundertwende - kaum 20 Jahre nach der Gründung - über 700 Mitarbeiter zählte. Bis Ende der 1920er-Jahre bildete die Komponenten- und Uhrwerkherstellung den Hauptanteil der Produktion der EKB. Doch schon früh wurden unter dem Namen EKB auch Taschen- und später Armbanduhren hergestellt, die unter anderem unter den Namen «Inventic» oder «Ariston» vertrieben wurden. In den 20er-Jahren sollten schwarze Wolken über dem Firmenhorizont aufziehen. Eine wirtschaftliche Krise nach dem Ersten Weltkrieg, Abschreibungen hoher russischer Guthaben und Bürgschaftsverpflichtungen brachten die Firma in gewaltige finanzielle Schwierigkeiten.

Zugpferd wird Markenname

Schon bald danach, im Jahr 1927, erschütterte ein neuer Schicksalsschlag das Unternehmen. Durch Veruntreuungen, von einem leitenden Angestellten und zwei Kunden begangen, erlitt es einen Verlust von über einer halben Million Franken. Nur unter grossen Anstrengungen gelang es der Firma, die jetzt durch Eduard Kummers Sohn Hans Kummer geleitet wurde, sich von diesem Rückschlag zu erholen. Doch die Weltwirtschaftskrise, die mit dem «schwarzen Freitag» 1929 ihren Anfang nahm, bedeute das Ende der Unabhängigkeit des Familienunternehmens. Im Sommer 1931 wurde EKB von der eben erst gegründeten Asuag (Allgemeine Schweizerische Uhrenindustrie AG) gekauft. Unter dem Firmennamen «Ed. Kummer AG» produzierte man fortan mit einem stark reduzierten Personalbestand nur noch Fertiguhren. Gleichzeitig wurde der Uhrwerk-Herstellungsbereich der EKB Teil der 1926 gegründeten Ebauches SA, die ihrerseits zur Asuag gehörte. Hans Kummer arbeitete im Unternehmen als Direktor weiter, bis er sich Anfang der 1940er-Jahre daraus zurückzog.

Zu einem Zugpferd der EKB wurde eine 1932 unter dem Namen Atlantic erstmals lancierte Kollektion von wasserdichten Zeitmessern. Die Linie wurde bald so bekannt, dass man 1952 dazu überging, Atlantic als Markennamen zu verwenden. 1953 wurde die Firma auch im Handelsregister unter dem Namen Atlantic Watch Ltd. eingetragen. Massstäbe setzte auch die Kollektion «Worldmaster», die in den 1940er-Jahren lanciert wurde und bis heute ein Aushängeschild Atlantics darstellt. Neben der Vorreiterrolle, die Atlantic im Bereich wassersporttauglicher Zeitmesser eingenommen hat, fiel das Unternehmen auch in anderen Bereichen mit prägenden Innovationen auf. 1960 lancierte Atlantic beispielsweise das eigens entwickelte System «Speedswitch», das es ermöglichte, den Datumswechsel der Anzeige um ein Vielfaches schneller als bis anhin erfolgen zu lassen. Die wichtigsten Märkte von Atlantic waren zu dieser Zeit neben Skandinavien, dem Mittleren Osten und Südamerika auch die damaligen Ostblockstaaten.

Eigene Wege

Nachdem die Asuag und die Société Suisse pour l'Industrie Horlogère SA (SSIH) als Folge der Quarzkrise 1983 fusionierten, ging Atlantic eigene Wege und wurde von Teilen der Mitarbeiter gekauft. Einige Jahre später gelangte Atlantic in den Besitz des Zürcher Handelsunternehmens Uhren-Verkaufs-Büro (UVB Distribution). Diese belieferte jahrzehntelang die kommunistische Politgarde von Prag bis Moskau mit Schweizer Uhren. Mitte der neunziger Jahre ging UVB Konkurs. Ein kleine Gruppe von Investoren, unter ihnen der ehemalige Tissot-Manager Jürg Bohne, kaufte die Marke 1998 schliesslich aus dem Konkurs heraus. Nach einer Anfangszeit mit Firmensitz in Zürich verlegte Bohne diesen in der Folge nach Grenchen, wo Atlantic ein Terminageatelier betrieb. Seit 2008 ist Atlantic in Lengnau ansässig. Übrigens im Gebäude der ehemaligen Uhrenfirma Enicar, welche die Umwälzungen in der Uhrenindustrie nicht überlebte.

Atlantic zählt heute in Lengnau 20 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Die Uhren sind im Preissegment zwischen 300 und 800 Franken angesiedelt. Osteuropa, Zentralasien und Russland sind für die Marke die Hauptmärkte. Allein in Russland verfügt Atlantic über 140 Verkaufspunkte. Die Marke setzt in ihren Kollektionen auf zeitlos-elegantes Uhrendesign und Kontinuität. Unschwer zu erkennen ist etwa, wie sich die heutige Version der Atlantic Worldmaster über fünf Jahrzehnte hinweg aus einem Modell der 50er-Jahre entwickelt hat. Erklärtes Ziel bei Atlantic ist es, auf neuen Märkten Fuss fassen zu können, so auch in China und anderen asiatischen Ländern.

Kommentare

troesch.christa

Zeitungsartikel vom 8. November 2013


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