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Rüti

Ein Kurzfilm soll
 die Versammlung ersetzen

Eine mündliche Botschaft statt stapelweise Papier: Der Gemeinderat Rüti informiert das Stimmvolk mit einem Film über die anstehenden Geschäfte. Er wird heute auf der Website aufgeschaltet.

Sarah Signorini, die Vizegemeindepräsidentin von Rüti, machte den Vorschlag, einen Kurzfilm zu drehen. Auf dem Bildschirm ist Theo Bösiger zu sehen. Bild: Yann Staffelbach

Brigitte Jeckelmann

Idylle pur: zwitschernde Vögel am blauen Himmel, Bauernhäuser auf grünen Wiesen, ein plätschernder Bach, im Hintergrund grasende Pferde. Auf der Weide stehen sich Theo Bösiger und Kathrin Jenni gegenüber. Der Rütiger Gemeindepräsident und die Gemeindeschreiberin sind nervös. Zum x-ten mal proben sie die Szene für den Kurzfilm. Ein Regisseur gibt Anweisungen: Mal stehen die beiden in seinen Augen schief, mal wirkt ihm eine Stimme zu verkrampft. «Am Schluss kamen mir die einfachsten Wörter nicht mehr in den Sinn», sagt Theo Bösiger rückblickend und lacht.

 

Film statt Papierwust

Worum geht es? In Rüti stehen wichtige Geschäfte für die Gemeindeversammlung an: die Sanierung der Sandgasse, die Erneuerung des Vertrags mit dem Sportclub, Tempo-30-Zonen und die Jahresrechnung. Themen, die erfahrungsgemäss viele Einwohnerinnen und Einwohner interessieren.

Doch wie in vielen anderen Gemeinden steht keine Lokalität zur Verfügung, um die Coronaregeln einhalten zu können. Die Leute allenfalls wieder heimschicken zu müssen, wäre schlecht. Deshalb hat sich Rüti entschlossen, statt der Gemeindeversammlung am 13. Juni eine Urnenabstimmung durchzuführen. Das ist einerseits ein ideales Datum, weil mehrere nationale Themen zur Abstimmung stehen. Andererseits werden Bürgerinnen und Bürger ein prallvolles Couvert voller Papiere mit Abstimmungsunterlagen erhalten. Und nicht jeder, so Theo Bösiger, «hat Lust, sich durch den Papierwust zu quälen».

 

Die zündende Idee

An einer der letzten Sitzungen des Gemeinderats hatte Vizegemeindepräsidentin Sarah Signorini eine zündende Idee: «Machen wir doch einen Kurzfilm und schalten diesen auf der Website auf!» Schliesslich lägen Videobotschaften in Coronazeiten im Trend. Die anderen Gemeinderatsmitglieder waren begeistert. Doch die Zeit drängte. Innerhalb derselben Woche war alles organisiert: Bösiger nutzte seine Kontakte zu einer Filmproduktionsfirma, Gemeindeschreiberin Kathrin Jenni stellte sich als Interviewerin zur Verfügung. Das Team Signorini, Bösiger und Jenni erstellte ein Skript.

Die Idee: «Wir wollten die Geschäfte der Gemeindeversammlung in Interviewform präsentieren», sagt Signorini. Im Film kommt das dann beispielsweise folgendermassen daher. Frage: «Wie sieht die Rechnung von Rüti aus?» Antwort: «Ich habe meinen Augen nicht getraut», so Bösiger: «Dank der Firma Thommen Furler, die mehr Gewinnsteuern ausgeschüttet hat, sind wir mit einem hohen Betrag im Plus.» Frage: «Würde bei der Einführung einer flächendeckenden Tempo-30-Zone generell der Rechtsvortritt gelten?» Antwort: «Nein, an heiklen Stellen kann man Ausnahmebewilligungen beantragen.» Darauf schwenkt die Kamera um auf eine solche unübersichtliche Stelle mit einer Stop-Markierung.

 

Trinkwasser: Lage unklar

Nächstes Thema: Trinkwasser. Frage: «Wird unser Trinkwasser teurer?» Anwort: «Das ist noch nicht abschätzbar.» Rütis Wasserversorgung besteht aus einer einzigen Grundwasserfassung. Und diese ist wie vielerorts im Seeland mit dem Fungizid Chlorothalonil belastet. Eine Lösung muss her. Rüti überlegt sich, im nahen Wald mit Probebohrungen neue Quellen zu finden oder sich bei einem anderen Wasserversorger anzuhängen. Doch beide Varianten sind mit hohen Kosten verbunden.

Wie es mit dem Chlorothalonilverbot weitergeht, ist derzeit unklar. Herstellerin Syngenta hat gegen das Verbot geklagt. Eine Zwischenverfügung gibt Syngenta zwar einstweilen Recht. Doch noch fehlt ein abschliessendes Urteil. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen schreibt auf Anfrage: «Wir empfehlen den Wasserversorgern jedoch, die bisher getroffenen Massnahmen weiterzuführen.» Das heisst: Wasserversorger behalten das Chlorothalonil und dessen Abbauprodukte trotzdem scharf im Auge.

Im Film sagt Bösiger: «Wahrscheinlich werden wir nicht darum herumkommen, den Wasserpreis geringfügig zu erhöhen.» Beim Thema Wasser macht die Kamera wieder einen Schwenk: Der Dorfbach wird sichtbar, dann eine Leitung, aus der Wasser quillt.

Jenni, Bösiger und Signorini erhoffen sich, dass der Kurzfilm auch junge Stimmbürgerinnen und Stimmbürger anspricht. Während der Pandemie habe das Dorfleben gelitten, sagt Kathrin Jenni. Die persönlichen Kontakte fehlen.

 

Persönlicher Austausch fehlt

Den Dreien ist bewusst, dass der Film die Interaktion an einer Gemeindeversammlung nicht ersetzen kann. Dennoch finden sie, er sei lebendiger und persönlicher als bloss Papier. Die Dreharbeiten waren für Bösiger und Jenni eine ganz neue Erfahrung. Lampenfieber hatten beide. Der besagte Tag war turbulent: Nur schon um sich auf einen Ort zu einigen, brauchte Zeit. Der Regisseur hatte überall etwas auszusetzen. Letztlich landete das Team auf der Weide mit Bösigers Pferden.

Der Kurzfilm wird heute auf der Website der Gemeinde aufgeschaltet. Wer keine entsprechenden technischen Einrichtungen zuhause hat, kann sich auf der Gemeindeverwaltung melden. Gemeindeschreiberin Kathrin Jenni will es allen, die wollen, ermöglichen, den Film anzuschauen.

Info: Wer keinen Internetzugang hat, kann sich auf der Gemeindeverwaltung unter der Telefonnummer 032 351 11 36 melden.

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