Sie sind hier

Abo

Auswanderer

Ein Quäntchen Seeland steckt bestimmt in allen Ländern dieser Welt

Baden an einem Sandstrand auf den Philippinen, Shopping in Rio de Janeiro oder ein Konzert auf den Strassen Berlins: In einer neuen Kolumne schreiben Seeländerinnen und Seeländer, die das leben, wovon andere nur träumen.

Hier leben die neuen BT-Kolumnisten. Grafik: BT
  • Dossier

Florin Rüdisühli

In einer neuen Kolumne im «Bieler Tagblatt»berichten ausgewanderte Seeländerinnen und Seeländer über Erlebnisse, Anekdoten und Geschichten aus ihrer neuen Heimat. Jeden Donnerstag schreiben sie von ihren Abenteuern in Berlin, Südfrankreich, Kanada, Brasilien und den Philippinen. Im Folgenden stellen wir Ihnen die Kolumnisten vor:

Ein Leben unter Gleichgesinnten

Caroline Moning, Singer-Songwriterin in Berlin

«Die Schweiz ist zu klein, um mit meiner Musik weiter voranzukommen», dachte sich Caroline Moning, bevor sie den Entschluss fasste, nach Deutschland auszuwandern. Seit April dieses Jahres lebt die 31-Jährige als freischaffende Musikerin in Berlin. England oder Irland hätten zwar besser zu ihrem Genre gepasst – Berlin gilt als Hochburg der Techno-Musik, nicht unbedingt des Singer-Songwritings. Trotzdem bietet die Stadt unzählige Möglichkeiten, live zu spielen. Ausserdem sind Wohnungsmiete und Essen billiger als in vielen anderen europäischen Städten. Ergo genau der richtige Ort für eine junge, aufstrebende Musikerin.

Nach zwei Jahren Tournee durch Belgien, Holland und Luxemburg möchte Caroline Moning nun längerfristig an einem Ort bleiben, in die lokale Musikszene eintauchen und sich darin vernetzen. Besonders gefallen ihr die sogenannten Spätis – so werden die Shops genannt, die spätabends und in der Nacht geöffnet sind. «Es ist einfach super, bei spontanem Besuch, zu jeder Tages- und Nachtzeit, um die Ecke ein Bier besorgen zu können», so Moning.

Wenn die ehemalige Lehrerin nicht gerade auf dem Alexanderplatz musiziert (siehe Kolumne), besucht sie eine der unzähligen Yogagruppen, die es in Berlin an jeder Ecke gibt. Ausserdem geht sie regelmässig in den nahegelegenen Mauerpark, wo sie eine 15-Meter hohe Kletterwand bezwingt. «Das ist zwar nicht ganz dasselbe wie das ‹Paradiesli› im Jura, aber es hat auch seinen Reiz, oben angelangt, über ganz Berlin sehen zu können.»

Nach einem nicht ganz einfachen Start alleine in der unbekannten Stadt hat sich bei Caroline Moning nun alles sehr gut eingependelt. In Berlin befindet sie sich unter Gleichgesinnten: «Hier herrscht ein viel grösseres Verständnis für Künstler als in der Schweiz.» Obwohl sie ihre Freunde und Familie vermisst, fühlt es sich für Moning so an, als sei sie endlich am richtigen Ort angekommen.

* * * * *

Fondue bei 30 Grad im Schatten

Daniel Monnin, Sportjournalist auf den Philippinen

La Union, Philippines: So lautet die Adresse, an der Daniel Monnin im Oktober des letzten Jahres ein neues Leben begann. «Ohne belastendes Gepäck, fernab von Stress und vom gewohnten Trott», wie er selber sagt. Sein Leben in der Schweiz habe sich in eine ungewollte Richtung entwickelt. Er suchte deshalb nach neuem Sinn und neuen Perspektiven – und wurde fündig auf den Philippinen.  Monnins Entscheid, die Schweiz hinter sich zu lassen, wurde ihm durch einen Besuch bei einem langjährigen Freund, der schon lange auf den Philippinen wohnt, erleichtert. «Dort wurde mein innerstes Feuer für ein neues Leben entfacht», sagt der 61-Jährige. Wenig später erlitt er ein Burn-out. Das stellte sein Leben auf den Kopf, bot ihm aber die Gelegenheit zu einen Neuanfang.

Heute wohnt Daniel Monnin fernab von jeglichen bekannten touristischen Regionen – im Norden des Landes. Die Umstellung vom stressgeprägten Leben im Westen zum bedächtigen Leben in der philippinischen Provinz sei riesig, sagt Monnin, der 22 Jahre für Swiss Tennis tätig war. «Man muss sich anpassen, und je mehr man das tut, desto wohler fühlt man sich.»

Auch wenn ihm Vieles in der neuen Heimat gefällt, besonders die Natur, so vermisst er vor allem eins: den Schweizer Käse! Die Auswahl an Käse auf den Philippinen sei beschränkt und der Preis, verglichen mit anderen Lebensmitteln fast schon «astronomisch hoch». Trotzdem gönnt sich Monnin ab und an ein Fondue oder ein Raclette – bei rund 30 Grad im Schatten: «Das lasse ich mir nicht entgehen».

In seinem neuen Zuhause verbindet der ehemalige Redaktor, der unter anderem für das Ressort Sport beim «Bieler Tagblatt» tätig war, seine Freizeit mit seinem Beruf. Er arbeitet als freier Sportjournalist und geniesst es deshalb, täglich allerlei Schweizer Zeitungen zu lesen und sich mit Informationen zu seinen Fachgebieten einzudecken. Das alles macht er in seiner Freizeit, denn jeden Tag arbeitet er schon lange nicht mehr: «Ich habe in den letzten Jahren gelernt, die einfachen und schönen Dinge des Lebens zu geniessen und den Stress sowie Probleme so gut wie möglich auszublenden.»

* * * * *

Nationalräte in der France profonde

Ruedi und Stephanie Baumann, Landwirte in Südwestfrankreich

Südwest-Frankreich und im speziellen die Gascogne sind vielen Schweizern kaum ein Begriff. Touristen fahren nach Paris, in die Provence oder ans Mittelmeer in Südfrankreich. Selten jedoch verirren sich Schweizer in die «France profonde». Nicht nur kurz durchgefahren, sondern gleich dahin gezogen sind die beiden ehemaligen Nationalräte Ruedi (Grüne) und Stephanie Baumann (SP). Dass sie nach ihrer Zeit in der Politik weiterhin Bauern bleiben würden, war den Beiden von Anfang an klar. Ihren Hof in Suberg hatten sie jedoch an einen ihrer beiden Söhne verkauft. Es galt also, eine neue Farm zu suchen. Nach vier Jahren wurden Ruedi und Stephanie Baumann endlich fündig. Nicht im Seeland, sondern im Südwesten Frankreichs. «Da ist Bauernland zehn bis zwanzig Mal günstiger als in der Schweiz», sagt der 68-Jährige.

2001 verabschiedeten sie sich von ihren Kindern und Enkeln und bezogen ein Grundstück im französischen Traversères. Seit mittlerweile 15 Jahren betreiben die Baumanns dort einen mittelgrossen Bauernhof. «Die Region ist sehr dünn besiedelt und landwirtschaftlich von einzigartiger Schönheit», so Ruedi Baumann.

Er und seine Frau vermissen wenig an ihrer alten Heimat, abgesehen von der Familie. An Frankreich schätzen sie besonders, dass es Mitglied der Europäischen Union ist. Doch nicht nur das: «Land und Leute, Kultur und Sprache, das französische Savoir-vivre und das südliche Klima faszinieren uns.» Ruedi Baumann ist von seinem neuen Zuhause so angetan, dass er auf einem eigenen Blog fast täglich darüber berichtet. «Wir hoffen, dass diese Lebensphase noch lange dauern wird.»

* * * * *

Zwischen Fantasy und Lastwagen

Janine Tollot, Buchautorin und Lastwagenfahrerin in Kanada

Von Biel nach Pieterlen, hoch in den Berner Jura und dann nach Ontario im fernen Kanada: Das ist das Leben von Janine Tollot, ausgedrückt in den Stationen, die sie bisher ihr Zuhause nannte. Heute wohnt sie in einer kleinen Stadt namens Chelsey und verdient ihr Geld als Lastwagenfahrerin. «Hier habe ich eine süsse kleine Tochter namens Brielle und fahre einen grossen Truck», sagt Tollot. Ausserdem ist die ehemalige Seeländerin passionierte Buchautorin. Drei Fantasy-Romane hat sie bis dato veröffentlicht (das BT berichtete), zwei weitere sind bereits in Arbeit.

Aufgewachsen ist Tollot in Pieterlen. Schon damals lebte sie abenteuerlich: «Meine Kindheit verbrachte ich damit, auf viel zu hohe Bäume zu klettern, mit dem Hosenboden schlammverdreckte Hügel herunterzurutschen und zu Michael Jacksons Musik vor dem Spiegel zu tanzen – während ich in eine Haarbürste sang», schreibt sie auf ihrer Webseite.

Die gelernte Galvanikerin zog der Liebe wegen nach Kanada. Aber auch weil es ihr in der Schweiz «einfach zu eng wurde». Das ist in Kanada sicher nicht der Fall: In Ontario liege alles so weit von einander entfernt, dass öffentliche Verkehrsmittel schlicht nicht umsetzbar seien, sagt Tollot. Es gibt in der Gegend nur einen Bus, der einmal täglich an den Flughafen von Toronto fährt und unterwegs in den grossen Ortschaften Halt macht. «Ohne Auto ist man aufgeschmissen», sagt die Truckerfahrerin.
An ihrem neuen Leben in Kanada gefallen Tollot viele Sachen: Die Landschaft, besonders die beiden grossen Seen Lake Huron und Georgian Bay, die freundliche und hilfsbereite Art der Kanadier und die Freiheit in ihrem Beruf. Ausserdem die 52 Wochen Mutterschaftsurlaub oder die «kostenlose» Krankenversicherung, die in Kanada von Steuergeldern bezahlt wird. Natürlich vermisse sie ihre Familie und enge Freunde, sagt Tollot. «Es braucht viele Jahre, um einen stabilen Freundeskreis aufzubauen.» Wieder zurück möchte sie aber trotzdem nicht.

* * * * *

Die Sprache im Gepäck

Hans Peter Gertsch, freischaffender Sprachlehrer in Brasilien

Nachdem er eine Pro- und Contra-Liste aufgestellt hatte, fasste Hans Peter Gertsch den Entschluss, in Brasilien ein neues Leben anzufangen. «Die Seite mit den Gründen für eine Auswanderung war voll, diejenige mit den Gründen dagegen praktisch leer», erinnert er sich. Zusammen mit seiner brasilianischen Ehefrau trat er am Morgen des 22. Juli 2009 die Reise in die neue Heimat an. Die ersten zwei Jahre lebten sie in einem Nationalpark im Staate Rio de Janeiro, bevor sie 2011 in ein historisches Städtchen in der Nähe von São João del Rei zogen.

In der Schule und während eines längeren Aufenthaltes in Moçambique hatte Hans Peter Gertsch bereits Portugiesisch gelernt. Deshalb konnte der ehemalige Export-Manager anfangs als Dozent an einer staatlichen Universität arbeiten. Heute unterrichtet er als freiberuflicher Sprachlehrer private Kunden in Französisch, Deutsch und Englisch.

Gertsch verbrachte viele Wochenenden seiner Jugend im Wohnwagen seiner Eltern in Vinelz. In Brasilien sei vieles anders als in der Schweiz, sagt Gertsch: «Die Kontaktfreudigkeit und Freundlichkeit der Brasilianer erleichtert den täglichen Umgang in der Gesellschaft.» Von den Schweizern vermisst er vor allem ihre Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit. «In der Schweiz funktioniert einfach alles.» Anders in Brasilien: «Es gehört hier zum Alltag, dass der Strom oder das Wasser ausfallen», so der 62-Jährige. Trotzdem sei er immer noch sehr zufrieden mit seiner Lebenssituation, auch wenn seine Begeisterung für das Land aufgrund der momentan schwierigen politischen Lage einen Dämpfer erlitten habe.

Nachrichten zu Seeland »