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Nomaden

Ein Stück Schaf zum Frühstück

Martina Zürcher kennt die Mongolei bereits seit
15 Jahren und freute sich sehr, das Land endlich auch ihrem Mann zu zeigen. Der erste Tag im Land macht klar, weshalb.

Die Gastfreundschaft in der Mongolei ist legendär: Spontane Einladung zum Essen. Bild: zvg/Dylan Wickrama
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Unter uns auf der Ebene zieht langsam eine Herde Yaks vorbei. Die Sonne wärmt ihre schwarzen Felle, der Wind zerzaust sie. Soweit wir blicken können, breiten sich um uns herum karge Hügel aus. Obwohl der Himmel blau erstrahlt ist es auf 2300 Meter über mehr noch empfindlich kühl, an diesem ersten Morgen in der Mongolei.

Wir sind ein paar Kilometer nach der Grenze, ganz im Westen, wo das Altaigebirge sich zwischen China, Russland, Kasachstan und die Mongolei zwängt.

Gestern Abend waren wir als letztes Fahrzeug über die Grenze gelassen worden, nachdem uns die Soldatin zuerst mit den Worten «Morgen um 9 Uhr sind wir wieder da» das Tor vor der Nase zu gemacht hatte. Gerade waren wir noch in einer Schlange von fünf Fahrzeugen gestanden, alle andere hatte sie durchgewinkt, dann entschieden sie, uns im Niemandsland zwischen den beiden Grenzen für die Nacht stehen zu lassen. «Das ist die Mongolei, da gibt es immer eine Lösung,» sagte ich zu Dylan und so war es dann auch diesmal. Die grossgewachsene Frau hatte wenig später Erbarmen mit uns, öffnete das eiserne Gatter nochmals und schickte uns zur Passkontrolle. Das Ganze wirkte chaotischer, als es effektiv war. Ausser uns schenkte der Schlägerei von zwei betrunkenen Angestellten der Zollbehörde niemand Beachtung. Alle wollten nach Hause und so wurden unsere Pässe gestempelt und die Einreisepapiere für Foxy, den Bus, ausgefüllt, ohne dass ein Blick auf oder in den Bus geworfen wurde.

Und so sind wir dann im schönsten Abendlicht vorbei an den ersten Jurten über die Kieselstrasse geholpert. Ein paar Kurven weiter hatten wir von der Hauptstrasse weg, im Windschutz einer zerfallenen Hütte, einen Standplatz für die Nacht gefunden und herrlich geschlafen.

Jetzt fahren wir frisch erholt los, den Hügel runter. Wir folgend der Staubwolke eines Motorrades, welches kurz vor uns vorbeigefahren ist. Dann sehen wir eine der rechteckigen niedrigen Lehmhäuser der kasachischen Mongolen und halten spontan an, als ein Mann im Türrahmen erscheint. Der Alte winkt uns sofort zu sich ins Haus und bietet uns ein paar Kekse an, während seine erwachsene Tochter auf dem Holzofen Teewasser zum Kochen bringt.

Bevor wir wissen, was uns geschieht, steht ein grosser Teller voller Schafsknochen und Borzog, eine Art Mehlgebäck, vor uns und wir werden dazu aufgefordert, zuzulangen. «Die Leute sind ja so unglaublich gastfreundlicher hier!» entfährt es Dylan strahlend, obwohl er gerade tapfer ein Stück eher streng riechendes Schaf aus der Schüssel klaubt.

Nach fast vier Wochen Russland, wo die Menschen reserviert waren und wir uns sehr um ein Gespräch hatten bemühen müssen, sind die Menschen in der Mongolei auffällig offener, fröhlicher und sehr viel gastfreundlicher.

 

Offen, fröhlich und herzlich
Auch als wir 60 Kilometer weiter Ülgy, die erste Stadt erreichen, geht es für uns nur positiv weiter: Zwei Polizisten eskortieren uns kurzerhand samt Polizeiauto zum Geldwechselbüro und der Mann hinter der Theke hat eine solche Freude uns zu sehen, dass er Dylan spontan einen dicken Bündel Geld in die Hand drückt, um mit ihm ein Selfie zu machen, dann seine Telefonnummer und seinen Facebook-Kontakt auf einen Zettel notiert.

Als wir etwas später Foxy vor einem Café parkieren, drückt die Strassenverkäuferin, die eben noch ruhig hinter ihrem Stand sass, sofort ihre Nasen an unserem Rückfenster platt, um in unser Haus zu spähen. Ihre Nase hinterlässt einen sauberen Fleck an der staubigen Scheibe und sie eine fröhliche Erinnerung an eine lebendige Stadt inmitten einer wüstenähnlichen Landschaft.

Ich liebe die Mongolei bereits seit 15 Jahren, jetzt weiss ich wieder in aller Deutlichkeit, weshalb. Und Dylan? Ich glaube, er ist bereits vom ersten Tag an von diesem unbeschreiblichen Mongolei-Gefühl eingenommen, welches versteht, wer schon mal hier war. Martina Zürcher

Info: Am 25. Oktober zeigen die beiden in Biel den Vortrag «Vanlife – Leben als moderne Nomaden» und erzählen von ihrer Reise nach Zentralasien. Alle Infos unter 
www.ride2xplore.com

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