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Yukon

Ein Volk 
von Säufern und Kiffern?

Gleich zwei unrühmliche Rekorde halten die Yukoner: Den höchsten Alkoholkonsum und den grössten Marihuanagebrauch pro Kopf in Kanada. Cannabis ist im Yukon für über 19-Jährige legal, und die Territorialregierung amtet als Dealerin.

Die Yukoner sind sowohl beim Alkohol- wie auch beim Cannabiskonsum auf nationaler Ebene federführend. Bild: Christine Mäder
  • Dossier

Christine Mäder

Einer kürzlichen Erhebung zufolge sind erwachsene First-Nations-Angehörige entweder ganz starke Trinker (rund 45 Prozent), anderseits aber auch völlig abstinent (35 Prozent in Vergleich zum nationalen Durchschnitt von 20 Prozent).

Gemessen an Litern von purem Alkohol rangiert der Yukon in Sachen Konsum unrühmlich an der Spitze, gefolgt von den benachbarten Nordwest-Territorien. Landesweit sind die zehn Liter pro Kopf zwar rund 3,5-mal mehr als der Weltdurchschnitt, aber die Kanadier liegen doch noch weit hinter den mit 18,2 Litern allein auf weiter Flur stehenden Litauern.

2019 wurden im Yukon rund 40 200 Hektoliter Bier und Obstwein verkauft – ganz schön viel bei einer Gesamtbevölkerung von 41 400 Seelen. Leider lässt sich bei den Verkaufszahlen nicht aufschlüsseln, wie hoch der Prozentanteil der Touristen war, die sich in der Sommersaison in unseren «Liquor Stores» eingedeckt haben.

Alkohol-Verkauf streng reguliert

In Kanada ist das gesetzliche Mindestalter für Alkoholkonsum nicht staatlich, sondern von den Provinzen und Territorien vorgeschrieben. Während in Alberta, Manitoba und Quebec schon ab 18 Jahren Alkohol gekauft und konsumiert werden darf, ist die Altersgrenze im Grossteil des Landes und somit auch bei uns im Yukon auf 19 festgelegt.

An den meisten Orten in Kanada sind Bier, Wein und Spirituosen nur in der von der Provinz- oder Territorialregierung betriebenen «Liquor Stores» sowie in lizenzierten «Off-Sales» erhältlich. Hier im Yukon müssen die privaten Verkaufsstellen ihre Produkte direkt von der Regierung beziehen, dürfen von ihren Kunden über die Ladentheke aber einen Aufpreis von bis zu 30 Prozent verlangen. Einzig in Quebec und Ontario gibt es Bier und Wein wie in der Schweiz auch in Supermärkten und Quartierläden zu kaufen; Hochprozentiges dagegen ebenfalls nur in Regierungsbetrieben.

Trotz der eingeschränkten Kaufmöglichkeiten und Ausweiskontrollen in Bars kommen laut Umfragen die meisten jungen Kanadier schon im zarten Alter von 12 oder 13 Jahren mit Alkohol in Berührung und nicht wenige trinken regelmässig. Ist es der Reiz des Verbotenen, der die Kids zur Flasche greifen lässt? Noch bis vor Kurzem waren bei uns im Yukon die Biergärten an sommerlichen Festivals mit blickundurchlässigen Einzäunungen abgeschirmt, um Kinder und Jugendliche nicht in Versuchung zu bringen. Eine gut gemeinte Massnahme, die allerdings ziemlich wirkungslos scheint.

Cannabis «für Erholungszwecke»

Für medizinische Zwecke ist Cannabis in Kanada schon seit 2001 erlaubt, muss aber von einem Arzt verschrieben werden und kann nur über das staatliche Gesundheitswesen bezogen werden. Vor genau anderthalb Jahren wurde Marihuana nun auch «für Erholungszwecke» legal; eines der Wahlversprechen, das die Liberal Party unter Premierminister Justin Trudeau eingehalten hat. Kanada ist damit nach Uruguay weltweit das zweite Land und das erste unter den G7-Industrienationen, das Besitz und Konsum von Cannabis je nach Region ab 18 oder 19 straffrei machte. Absicht war, den florierenden Drogenhandel zu unterbinden und die illegalen «Pot Shops» aus dem Markt zu verdrängen. Zugleich sollte es Minderjährigen erschwert werden, an Marihuana heranzukommen. Und die auf alle Produkte erhobene Gewerbesteuer soll die Staatskasse polstern. Es darf nur «Gras» von lizenzierten Anbauern verkauft werden. Und erst seit Mitte Dezember 2019 sind auch Salben, Tinkturen, Mundsprays und Essbares in Form von Guetzli, Gummibärchen oder Schokolade erlaubt.

Der Kampf um Marktanteile war kurz vor der Legalisierung heftig. Neue Firmen schossen wie Pilze aus dem Boden, doch die meisten der optimistisch an der Börse gehandelten Aktien verloren nach anfänglichem Höhenflug rasch an Investoren-Interesse. Zumal etliche Betriebe von Skandalen geschüttelt wurden, nachdem zum Beispiel von den Behörden ganze Hallen mit illegal angebauten und zu hohem THC-Gehalt aufweisenden Hanfpflanzen beschlagnahmt wurden.

Die Regierung witterte ein gutes Geschäft mit Cannabisverkauf und prophezeite Erlöse in Milliardenhöhe. Doch die tatsächlichen Verkaufszahlen hinken arg hinterher. Zum einen, weil die legalen Produkte oft doppelt so teuer sind wie im Schwarzhandel, anderseits wurde oft die Qualität bemängelt. Schätzungen zufolge beziehen bis zu zwei Drittel der Konsumenten ihre Ware nach wie vor über nicht-offizielle Kanäle. Trotzdem: Im ersten Jahr wurden hierzulande für 908 Millionen kanadische Dollars legale Cannabisprodukte verkauft, was pro Person der Gesamtbevölkerung rund 24 Dollar entspricht.

Viele Jugendliche haben gekifft

Wie Marihuana unter die Leute kommt, wurde den Provinzen und Territorien überlassen. Fast überall sind es die für den Alkoholvertrieb zuständigen Behörden, die neu nun auch mit Cannabis handeln. Bei uns führte die Territorialregierung im ersten Jahr den einzigen Laden im Yukon und ist nach wie vor für den Online-Verkauf und den Vertrieb der Ware an die mittlerweile fünf privaten Betreiber in Whitehorse, Dawson City und Carmacks zuständig. Weitere Lizenzen sind in Bearbeitung.

Von Oktober 2018 bis September 2019 wurde im Yukon das Äquivalent von 338 Kilogramm legalem Marihuana unter die Leute gebracht, was 4,2 Millionen kanadische Dollar einbrachte. Doch schon bevor die Regierung zum Dealer wurde, waren die Yukoner grosse Grasraucher und können sich nun (je nach Sichtweise) rühmen, mit 9,17 Dollar pro Kopf die höchste Ziffer an monatlich legal verkauften Cannabisprodukten im ganzen Land zu haben. Laut Kanadas Statistikbehörde rund sechsmal so viel wie der nationale Durchschnitt.

Im Yukon darf jeder Haushalt für den Eigenbedarf bis zu vier Cannabispflanzen hegen und pflegen. Ab 19 ist es erlaubt, bis zu 30 Gramm getrocknetes «Gras» auf sich zu tragen. Dieses darf aber nicht in der Öffentlichkeit konsumiert werden. Für Minderjährige sollte Pot somit tabu sein, aber rund ein Drittel der Jugendlichen gaben in einer kürzlichen Umfrage zu, Erfahrung mit Marihuana zu haben. Unsere friedliche Ecke im hohen Norden von Kanada wird ihre unrühmlichen Rekorde in Sachen Alkohol- und Potkonsum leider wohl nicht so rasch abgeben.

Info: Christine Mäder, in Biel geboren und aufgewachsen, war von 1977 bis 1993 Journalistin und Redaktorin beim «Bieler Tagblatt». 1996 wanderte sie in den spärlich besiedelten Yukon aus, wo sie gerne mal ein lokal gebrautes Bier oder ein Glas kanadischen Wein geniesst, aber keine Cannabiskonsumentin ist.

Info: Alle Fernweh-Beiträge sowie weitere 
Bilder finden Sie unter
 www.bielertagblatt.ch/fernweh

Stichwörter: Kanada, Fernweh, Yukon

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