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Wochenkommentar

Eine Dialoggruppe Twanntunnel muss her

Twann-Tüscherz ist gespalten, wie man von Einheimischen hört.

Beat Kuhn

Beat Kuhn

Es verläuft ein tiefer Graben durch die Gemeinde: Die einen hätten den Twanntunnel lieber heute als morgen, die anderen wollen lieber eine regionale Lösung. Beide Seiten haben eine Organisation, die für ihr Ziel kämpft: Die Pro-Tunnel-Seite hat die «Interessengemeinschaft (IG) Twann kann!», die Gegenseite das Komitee «N5 – Bielersee so nicht!». Dieses hat der Gemeinde letzte Woche 240 Unterschriften für eine Initiative überreicht, was 30 Prozent der Stimmberechtigten entspricht. Und noch bis zum 9. Dezember können weitere Unterschriften eingereicht werden.

Dass ein Graben durch die Gemeinde verläuft, ist sich die Bevölkerung von Twann und Tüscherz-Alfermée, die auf Anfang 2010 miteinander fusioniert haben, sarkastisch gesagt ja gewöhnt. Denn wie Ligerz und La Neuveville werden diese beiden Dörfer von der Eisenbahnlinie und der Nationalstrasse N5 – die manchmal auch Autobahn A5 genannt wird – zerschnitten. Sowohl der Bahn- als auch der Strassenverkehr rauscht mitten durch sie hindurch – was ihre idyllische Lage und ihr pittoreskes Erscheinungsbild empfindlich beeinträchtigt. Bei jenen, die direkt an der Bahnlinie leben, sind die Lärmimmissionen so gross, dass man meint, die Züge würden mitten durch die Wohnung fahren. Und die Anwohner an der Hauptstrasse leiden unter dem motorisierten Verkehr.

Dass die Bevölkerung in den Gemeinden am linken Bielerseeufer einmal durch eine solche Wucht von Immissionen geplagt werden würde, haben sich die seinerzeitigen Verkehrsplaner 
und Politiker sicher nicht vorstellen können. Denn sonst hätten sie bestimmt nicht auf dem schmalen Korridor zwischen See und Jurahang neben einer Eisenbahnlinie von nationaler Bedeutung auch noch eine Autobahn gebaut, und erst noch mitten durch bestehende Dörfer. Es ist denn auch kaum vorstellbar, dass solche Verhältnisse in der Schweiz noch ein zweites Mal vorkommen.

Bei der Planung der Autobahn gab es seinerzeit zwar auch Überlegungen, ob man diese südlich von Biel nicht durch das Grosse Moos bauen solle. Doch auch diese Variante hätte ihre Nachteile gehabt. Abgesehen von der Teilung der schönen Landschaft wäre die Bewirtschaftung der Felder im «Gemüsegarten der Schweiz» stark erschwert worden. Aber es ist müssig, über falsch gestellte Weichen in der Vergangenheit zu lamentieren. 
Es ist, wie es ist, und nun muss das Beste daraus gemacht werden.

Bis dato ist lediglich Ligerz ein Stück von Lärm und Verkehr geschützt: Seit genau 30 Jahren wird der Durchgangsverkehr über eine unterirdische Umfahrung im Berg geführt, den Ligerztunnel. Nun soll auch der Schienenverkehr unter die Erde verbannt werden, durch einen Bahntunnel parallel zum Strassentunnel, der ebenfalls als Ligerztunnel bezeichnet wird. Er soll Ende 2026 bereitstehen. Zudem soll der Strassentunnel um etwa zwei Kilometer bis auf die Ostseite von Twann verlängert werden. Diese Verlängerung ist der Twanntunnel. Er kann frühestens 2035 in Betrieb genommen werden.

Der Twanntunnel wird in der Gemeinde also nicht etwa allgemein sehnlich erwartet, wie man angesichts der Immissionen meinen könnte. So möchte das Komitee «N5 Bielersee – so nicht!», dass der Schutz der Bevölkerung künftig im Rahmen einer regionalen Gesamtplanung statt weiter in Form von – Zitat – «Flickwerk» erfolgt. Dieser Gedanke ist im Zusammenhang mit dem Widerstand der Organisation «Westast – so nicht!» entstanden, was man allein schon an der Ähnlichkeit der beiden Bezeichnungen ablesen kann.

Der Westast ist zwar inzwischen Geschichte. An der Vision einer regionalen Planung hält das Komitee jedoch fest. So heisst es in der Gemeindeinitiative: «Der Gemeinderat soll die einmalige Chance nutzen und die Anliegen der Bewohnerinnen und Bewohner von Twann-Tüscherz in
die Planung von ‹Espace Biel-Bienne.Nidau› einbringen.» So nennt sich die Organisation, die sich nach der Beerdigung des Projektes Westast formiert hat, um Lösungen für Verkehrsprobleme
in Biel und Nidau zu finden. Diese will Twann-Tüscherz gemäss dem Gemeinderat allerdings gar nicht mit im Boot haben.

Am liebsten wäre dem Gemeinderat ein 
Tunnel, der nicht allein Twann, sondern auch 
Tüscherz-Alfermée und den dazwischen liegenden Weiler Wingreis vom Zuglärm befreien würde. Aber das ist ihm zufolge Zukunftsmusik. Für ihn muss es nun erst einmal darum gehen, sicherzustellen, dass der Twanntunnel auch wirklich kommt. Denn dieser bringe zumindest einem Teil der Gemeinde eine Entlastung. Die Exekutive will die Gemeindeinitiative für ungültig erklären lassen, weil sie rechtlich Unmögliches verlange, wie der Kanton bestätigt habe. Dies gelte nicht nur für die Tunnelplanung, sondern auch für die Forderung nach «maximal Tempo 60 von Biel bis zum Ligerztunnel» sowie «ein Transitverbot für den Schwerverkehr auf der N5 zwischen Biel und La Neuveville».

Rechtlich mag der Gemeinderat ja recht haben. Aber reicht Rechthaben vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Gemeinde gespalten ist, aus? In Biel ist in einer ähnlich verfahrenen Situation die Dialoggruppe Westast lanciert worden. Viele waren zunächst skeptisch, schliesslich war bei der Projektierung alles korrekt vonstatten gegangen. Doch wie sich dann gezeigt hat, war es goldrichtig, die verschiedenen Interessengruppen so miteinander in Kontakt zu bringen. Ein solches 
Gesprächsforum entspricht auch dem Geist der direkten Demokratie, auf die wir Schweizerinnen und Schweizer so stolz sind. Nun ist es Zeit für eine Dialoggruppe Twanntunnel!

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