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Lyss

Eine Linke in der Mitte

Gestern hat der Grosse Gemeinderat Katrin Meister zu seiner Präsidentin gewählt. Dass jeweils die Vizepräsidentin im Jahr darauf höchste Lysserin wird, hat Tradition und blieb auch diesmal unumstritten.

Katrin Meister: Vor zehn Jahren ist sie nach Lyss gezogen und seit gestern sitzt sie auf dem höchsten politischen Stuhl der Gemeinde. Bild: Olivier Gresset

Ursula Grütter

An der Spitze des Grossen Gemeinderates (GGR) hat gestern ein Sesselrücken stattgefunden. Die Parteien stellen jeweils im Turnus für ein Jahr die Präsidentin oder den Präsidenten. Für 2014 ist es mit Katrin Meister eine SP-Frau. Eine, die dezidiert links politisiert. Im Gespräch mit dem «Bieler Tagblatt» bezeichnet sich Meister selbst als «ziemlich links und ziemlich grün». Und das werde sie im Präsidialjahr bleiben, auch wenn sie jetzt in die Mitte der Sitzreihe rutsche.

Eines kann sie aber vom wichtigsten Platz auf der Bühne aus nicht mehr: Ans Rednerpult treten und sich für ein Anliegen einsetzen. Sie, die in der Vergangenheit öfter von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hat. Sie, die früher Präsidentin der Lysser SP war. «Nichts mehr zu den Geschäften sagen zu dürfen, das fällt mir schon schwer», gesteht sie. Wichtig sei aber jetzt, dass der Start in die neue Legislatur gelinge und im GGR alles korrekt ablaufe. Für Meister ist es die dritte Legislatur. Entsprechend gut kennt sie den Parlamentsbetrieb. Nun will sie den Neuen die nötige Orientierungshilfe geben.

Linker Stichentscheid

Wo Meister politisch steht, könnte im laufenden Jahr zwischendurch eine gewichtige Rolle spielen. 2013 kam es im Parlament regelmässig zu Pattsituationen, und Markus Marti (BDP) konnte als Präsident mit dem Stichentscheid ein Geschäft zu Fall bringen oder es durchboxen. Meister wird, wann immer möglich, der nachhaltigen und umweltverträglichen Entwicklung zum Durchbruch verhelfen. «Klar möchte ich für Lyss keinen Finanzfehlbetrag. Aber es gibt Sachen, die sind wichtiger als Geld. Man darf das Allgemeinwohl nicht aus den Augen verlieren.»

Sagts und liefert gleich ein Beispiel dazu. «Die panikartige Sparübung bei der Heizung des Feuerwehrmagazins, das war unüberlegt und bringt langfristig nichts. Hier hätte man nachhaltig handeln müssen.» Trotzdem wird die SP-Frau für den Neubau des Feuerwehrmagazins stimmen, «weil wir diesen Neubau brauchen».

Vertraut dem Gemeinderat

Für die kommende Legislatur wünscht sich die höchste Lysserin etwas mehr Fairness bei den Verhandlungen. «Diese generelle Opposition gegenüber dem Gemeinderat muss aufhören», fordert sie. Dass es zwischen Parteien zu Spannungen komme, liege in der Natur der Sache. Aber für das stete Misstrauen gegenüber dem Gemeinderat, wie Meister es nennt, hat sie kein Verständnis. Diese Direktheit ist ein Kennzeichen der politischen Arbeit von Meister.

Doch wer ist die Frau an der politischen Spitze von Lyss privat, wie sieht ihr Alltag aus? Meisters Antwort mag erstaunen. Sie, die auf dem Telefonbeantworter bis vor Kurzem noch ihre Kinder krähen liess, sagt, dass ihr die Arbeit ausser Haus sehr wichtig sei. Sie brauche diesen Ausgleich, die Zeit mit Erwachsenen und die Arbeit, bei der sie ihre Sprachkenntnisse einsetzen könne. Meister arbeitet im Ratssekretariat der Stadt Biel. «Die ganze Familie ist glücklicher so.» Wenn sie dann zu Hause sei, könne sie alles gelassener nehmen.

Die Frau, die vor zehn Jahren mit ihrem Mann wegen der guten Verkehrsverbindungen nach Lyss zog, zieht es zwischendurch auch wieder in die Ferne. Amerika hat das damals noch kinderlose Paar mit einem umgebauten Lieferwagen entdeckt. Auch jetzt geht die inzwischen vierköpfige Familie mit einem umgebauten VW-Bus auf Reisen, ohne grosses Gepäck und ohne Luxus. Eine Reduktion aufs Wesentliche, nennt es Meister, und das sei jeweils eine gute Erfahrung.

Ob auch die GGR-Mitglieder künftig ihre Reden aufs Wesentliche reduzieren, kann bezweifelt werden. Bis jetzt war das Lysser Parlament auch ein Ort der langen Voten. Meister will dem aber keinen Riegel schieben. Sie werde nur im äussersten Notfall eingreifen, denn anders als in Biel gebe es diesbezüglich keine Regeln. Sie muss es wissen, denn eines hat Meister bereits gemacht: Sie hat das Handbuch zu ihrem Amt genau durchgelesen.

Stichwörter: Katrin Meister

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